Paracelsus. Erwin Guido Kolbenheyer

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Paracelsus - Erwin Guido Kolbenheyer

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und unsicher geworden wie auf der Schule zu St. Emmeram, nur aus reineren Gründen. Und darin glaubte er sein jüngstes Wirrsal in der Kammer der alten Krütlin verstehen zu können. Er meinte, daß er noch dahin gelangen werde, eines fremden Weibes Schönheit so fromm zu schauen, wie er dazumal in der St. Andreasnacht die nackte Bauernmagd gesehen hatte.

      Und er fragte, ob ein Weib gleichermaßen in solche neubürtige Reinheit zurückfinden könne wie der Mann. Eine Welt von zweiflerischen Gedanken sprang vor ihm auf. Und während er in das wirbelnde Chaos sah, fühlte ers in sich erblühen wie eine neue Kraft. Ihm war, als sei er über das eigene Wesen hinausgewachsen, er dachte: so muß dem Vogel sein, der die Eischale bricht.

      Unter diesen wunderlichen Gefühlen verlor das Gift der alten Krütlin seine letzte Schärfe. Bombast wurde frei, ohne erst aufatmen zu müssen.

      Ehe er vollends die Klause erreichte, stieß er auf die beiden Kraihahnen, die sich mit ihrer Zugsäge an einem Buchenstamm mühten, der ihnen quer über den Weg gesunken war. Sie arbeiteten in ihrer glühenden Hast und gewahrten den Arzt erst, als er absprang. Denn das Schwabenjörgeli wich nicht ohne eindringlichen Zuspruch vom ausgetretenen Wege ab. Vom Sattel her hätte es kein St. Georg durch das Dickicht lenken können. Es mußte geführt sein und äußerte auch dann noch die heftigsten Bedenken.

      Baltisar und Heini Schürli ließen ihre Arbeit und wollten Bombast helfen. Doch er wehrte ab:

      „Der Himmel hanget voll Schnee. Ihr müssend den Weg beraumen, eh dann die Nacht sinket.“

      „Dannocht – es ist Menschenpflicht.“

      „Nein, lasset! Jüh, Jörgele, zuo! Du elend Malefizkreatur, zuo!“

      Bombast stieß den störrischen Maulesel in die Seite und gewann ihm ein paar Schritte ab. Das Jörgeli duckte die Ohren und schnob. Bombast bekam einen roten Kopf und fluchte sich den dicksten Ärger von der Seele, während er das weggetreue Jörgeli keuchend um den langen Baumstamm nötigte. Als der Steig wieder gewonnen war, mußte er das Barett abheben und verschnaufen, ihm war heiß.

      Baltisar aber nahm aus seinem Tuch Brot und ging, indem er es brach, zum Jörgeli.

      „Friß, du verlästeret Gottswesen, du stummer Marterer vor din Recht. Dann der Weg ist din guet Recht, das haben dir die Schürli beid durch eine menschlich ohnvollkommene Kunst des Bomfällins verwehret.“

      Das Schwabenjörgeli beschnupperte vorsichtig den dargereichten Bissen, weil er nach Ruß roch, gewann aber so weit Vertrauen, daß es ihn nahm. Bombast, der nicht gern in Schweiß geriet, fand durch die Feierlichkeit des Baltisar zum Wohlwollen wieder zurück und klopfte den Hals des Maulesels.

      Baltisar reichte dem Jörgeli einen zweiten Bissen.

      „Friß, du ohnschuldig Kreature, die du eine sündhaftige Kreature muoßt tragin. Friß, der du weißt, was der recht Weg ist, und muoßt ein schleppen, der nit weiß, ob es der recht Weg sije oder nit.“

      Baltisar war ärgerlich darüber, daß der Arzt das Jörgeli abklopfte, als sei weiter nichts zwischen ihnen vorgefallen.

      Bombast hob drohend den Finger.

      „Baltisar, du sollt min Jörgeli nit also ufwiglen!“

      Da schwang der Köhler beide Hände gegen ihn aus.

      „Wehe mir, du Bruoder dieser Welt und nit der himmelschen, wehe, daß ich die Kreature nit ufrottlen kann wider die Sünder, denen sie ist unterton. Du zemal bist ein Heilmeister und freventlich vermessen, Gott in den Arm fallind, so er willt mit Krankheit und Gebrest umb Sündenschuld treffen und ustilgen.“

      „Kunnts nit glichermaßen des Tüfels Arm sein, der do kränket? Wer solls entscheiden?“

      „Oh, ihr gelahrten Dunstkrameren und Rauchtreiber! Üch fallend die Widerred ab dem Moule als eim Apfelbom die madigen Äpfel zur Summerszit, so einer ihn nur rührt an. Du sollt mir nit das Gesicht vernebien. Ist nit der Tüfel als och Gotts Kreature? Und ist er nit sin härtist Ruoten und skorpionisch Gißel, darmit der Herr den Menschen trifft?“

      „Wahrlich, Baltisar Schürft, wir möchtinds an diesem Abend nimmeh entscheiden! Din Frag ist ein Kapitalfrag. Daran kunnt einer ohnversehends zem Ketzer werden.“

      Er saß lachend auf und nahm die Zügel.

      „Gang hin, du Fluochender, Lachender! Gang hin ins Ochsnerhüsli an des Tüfels Bruck! Dort huset ein anderer och, vor deme hab ich in diesem Jahr allbereits min Herz müssend entüßeren! Reiniget üren Brunnen, us deme ihr trinket, dann es muoß ein sunderlichs Wasser sin. Der ein zwinget eim das Bueßgewand vom Libe, daß einer nackend für ihme stoht und Zweifeier wird an Sünd und Leben, das ist der alt Ochsner. Der ander hat den Hochmuotstüfel im Lib und will vollends dem starken Simsone geliehen, das ist der Hans. Und der dritt ist Heilmeister und wollet der Rache Gottes wehrn und siner Straf. Wahrlich reiniget üren Brunnen, darus ihr trinket, dann es muoß ein sunderlichs Wasser sin bi des Tüfels Bruck!“

      Bombast winkte ihm zu und ritt weiter. Baltisar hatte bei den letzten Worten den Griff der Säge erfaßt. Er und sein Sohn warfen sich über die Arbeit.

      Bombast ließ den Kopf hängen, er dachte: „Du sollt nit ohnrecht behalten. Und sunderliche Quellen möchtind im Ochsnerhüsli fließen, die mit jedem Pulsschlag ans Geäder stürmen.“

      Bombast wunderte sich, daß aller Unfrieden, den er von der Krütlin fortgetragen hatte, in einer Ferne zu verdämmern schien, die lebensweit ablag. Der Ärger über sein Jörgeli und die heftigen Reden des Baltisar hatten ihn aufgerüttelt, als sei alles andere nur ein Traum gewesen. Der kurze, peinliche Kampf um seine innere Ruhe kam ihm fast übertrieben und unwahrscheinlich vor. Am Festträumen und Verträumen wird des Lebens Reichtum vertan. Darin liegt Gefahr, vielleicht eine verdeckte Schuld. Wer will entrinnen und wer kann entrinnen? Ist es das Schicksal des überreifen Blutes, der sonderbaren Quellen? Recht, Baltisar: Reiniget eure Brunnen!

      So kam Wilhelm auf Theophrast. Der verträumte nicht, noch nicht. Welch weite Herzenszeiten mußte das Kind in wenigen Tagen seines Erlebens durchmessen, wenn der Vater, um dessen Schläfe ergraute Haare wellten, nach einem kurzen Ritte von der Paßhöhe aus kaum mehr die Wahrheitsbrücke zur Talsohle fand! Er wurde froh an diesem Gedanken, denn er fühlte, daß der allein noch junge Kräfte in sich berge, der wie ein Kind lebensweite Gezeiten des Herzens in einer Stunde durchringen könne. Vielleicht vermochte er Theophrast den harten Weg zu kürzen, ohne ihm die Kraft des inneren Erlebens zu schwächen.

      Gritli nahm in einer stillen Weise, die beide Frauen des Ochsnerhauses mit ihrer Schönheit aussöhnte, Besitz von dem Arbeitsanteil, der ihr zustand. Für Theophrast war sie durch viele Tage Gegenstand tiefer Verwunderung und seiner ganzen Neugier. An ihr lernte er Menschen und Menschenwerk tiefer betrachten, denn sie tat manchen Handgriff anders als Mutter und Großmutter. Er mußte sich schwer besinnen, wie er den Unterschied ihr und den andern begreiflich machen könne. So hatte Gritli durch das Kind manche Pein, aber sie wuchs auch schneller in das Hauswesen, denn die beiden Frauen waren gezwungen, ihr gegen die unablässige Achtsamkeit des Kindes und, wo es not tat, im Werke beizustehen. Theophrast konnte sehr verletzt sein, wenn man ihn für eine Weile von dem Posten abdrängte. Er fühlte gut, daß er schwere Arbeit leiste. Tausend Kleinigkeiten erkannte er an der Fremdart der Magd und lernte sie verstehen und bezeichnen. In dieser Zeit schlief er länger und tiefer als je. Die Großen merkten seine Arbeit nicht. Sie hinderten ihn, wo sie konnten.

      Doch er verlangte heißhungrig und hartnäckig darnach, hinter das Neue zu kommen.

      Hans

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