Paracelsus. Erwin Guido Kolbenheyer

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Paracelsus - Erwin Guido Kolbenheyer

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Fenster. Der Hans sah das junge Weib, selig und satt, ihre Zähne schimmerten durch den halbgeöffneten Mund, ihre Augen ruhten furchtlos auf ihm. Er setzte sich noch einmal an den Bettrand, legte seine Hand auf ihre Brust, die ruhig stieg und fiel, sie kreuzte ihre Hände auf seiner Hand.

      „Maideli, das ist ein ruch Leben, so du willt han.“

      „Ich gang mit dir.“

      „Die Hodler, so den Troß führend, zartlen nit mit denen Huren. Die Huren sänd ein hässigs Volk. Du muoßt zu ihnen stöhn.“

      „Ich gang mit dir.“

      „Stah uf, Gritli, hol din Sach.“

      „Es leit für diner Tür.“

      „Hols in.“

      Sie holte ihr Bündel und legte es neben das seine. Dann schliefen sie beide, bis ihn sein brennendes Herz weckte. Er wollte Vater und Mutter nicht mehr sehen.

      Flink war das Gritli in den Kleidern.

      „Gang du vorus. Vor Willerzell soll tu ünser gewärtig sin. Der Uli Enz führt ein Mulesei mit, daruf wird als ouch din Büscheli liegen.“

      Er folgte ihr bald, obgleich die Nacht noch weit vor Mettenzeit stand; er konnte die ersten Schritte der Freiheit nicht mehr erwarten.

      Nur die Mutter war wach. Sie saß im Bett und hörte, daß er ging. Wohl ahnte sie zitternden Herzens ihres Sohnes Flammen. Sie stand nicht auf. Ein altes Weiblein sollte seinen Weg nicht vertreten, wars auch die Mutter, die ihn schwer geboren und treu gesäugt hatte. Sie betete für den starken Sohn.

      Schneenacht, durch die zwei brennende Herzen ziehen.

      Knirsche deine alten Weisheiten, Schnee.

      So mußte Eis an die Arbeit. Einige Tage schien sie heimgefunden zu haben. Bald beugte sie eine trostlose Müdigkeit, die durch schlafberaubte Nächte gesteigert wurde. Sie wußte nur, während sie ihrer Arbeit nachhetzte: der tote Bruder mahnt.

      Nachts lag sie mit offenen Augen und glaubte zu fühlen, daß die gleichmäßigen Atemzüge des Mannes und des Sohnes über ihren Körper huschten. War sie eine Zeit starr und verhalten gelegen, lauschend nach einem Leben, das jenseits der Sinne schwebt, konnte es ihre Brust mit Eisfingern rühren, leise, leise. Und ihr Herz stand vor Angst darüber still, daß es die Hand des Toten wäre. Schlug das Herz jäh wieder ins Dasein zurück, daß ihr Hals und Ohren pochten, so wurde sie von einem Taumel erfaßt, als sähe sie in einen tiefen Abgrund. Sie preßte die Lider zusammen, feurige Büsche lohten vor ihr auf. Hinter ihr hetzte ein Entsetzen näher und näher. Sie meinte ihre Arme zu erheben, in den Abgrund zu stürzen und fühlte nur mehr ein Sausen um sich. Dann schrak sie auf, lag matt und keuchend, der Schweiß floß von ihren Gliedern. Sie betete endlose Gebetsketten. Gegen Morgen schlief sie erschöpft ein und konnte kaum wachgerüttelt werden, wenn der Tag rief.

      Die Mutter war damals schwer zu einer Magd überredet worden, als sie aber die Eis durch das Hauswesen schleppen sah, verlangte sie selbst nach Hilfe.

      Sie winkte an einem Abend den Schwiegersohn unter die Tür des Milchkellers.

      „Umb die Eis ist mir bang, Hohenhoim.“

      „Ich bin ehe bi der Krütlin gewest, do ich ihr der Gritli Lohn usbezahlet. Die kennt ihrer weitum und hat mir eine Magd verheißen.“

      Der flackernde Lichtschein ließ die Schatten über das kummervolle Gesicht der alten Frau spielen. Sie sah Bombast hilfeflehend an, und es zitterte aus ihr:

      „Nu ist der ander fort … der kehret ouch nümen.“

      „Ei, Muetter, der Hans bstoht, do solltu nit bangen.“

      „Wohl, der bstoht, dann die Welt ist weit und vor ein Kerl als der Hans offen allerweg. Hie ist sins Blibens nümen. Und die Eis entschwindt eim unter den Ougen. Es ist nit umb die Gritli allein. Ich weiß, du willt als ouch fort. Alls dränget von hinnen, unde ich hab mit getrüen Händen min Huswesen gehalten. Es ist nit an mir.“

      „Kummt die guete Zit wieder, soll ünser Elsula wohl ihr Kraft finden. Der Summer hot ihr ze hart ton.“

      Er nahm die hagere Hand, die rauh und hart war vor Arbeit, und drückte sie leise. Er vermochte sie nicht besser zu trösten, sein eigenes Herz war allzu beschwert. Sie wischte abgewandt mit der Linken über die Augen und gesammelten Willens, mit einem helleren Blick, sagte sie:

      „So du meinist, sie sullt erkräften, als will ichs hoffen. Bi Gott, ich hab min Täg nit viel Fröiden gsehn. Sullet ich all min Kinder hingeben, das wird Gott nit wollen.“

      Damit wandte sie sich emsig an ihre Milchkübel, und Bombast ging langsam hinüber in den Gadem, Weib und Kind zu suchen.

      Schaffende Hände wurden teuer im Lande, da Stadt und Land Fähnlein aufstellten. Die alte Krütlin ließ sich das Magdwerben gut zahlen und brachte endlich ein starkes Bauernmensch aus Lachen zu, das nach einigen derben Ermunterungen allmählich für das Tagwerk im Ochsnerhause erwachte und dann ihren Schwung beibehielt, wie eine Mühle mit schweren Gängen.

      Eis ließ die Arbeit, an der sie nicht gesunden konnte, ohne innere Unrast liegen. Aber auch ihre Spindel tanzte nicht mehr so unablässig über den Boden des Schlafgemachs. Sie saß in einem Polsterstuhle, den Bombast in Einsiedeln an Geldesstatt genommen hatte, vor einem der kleinen, niedrigen Fenster, matt von ihren wachen Nächten. Ihre Augen ruhten verschleiert auf irgendeinem beschatteten Fleck, sie suchten dunkle Farben, als wollten sie sich an das letzte Geheimnis gewöhnen.

      Und Eis dachte, ohne zu beten, an die Gnadenreiche, der ein wonnesames Schweben in ewiger Gottseligkeit beschieden ist. Auch die Gnadenreiche braucht sich nicht zu regen. Hoheitsvoll und stumm ruhet sie auf den Stufen des höchsten Throns. Nur ihr Herz nimmt auf, was an Gebeten zuströmt. Wie laue Stürme drängt es von der Erde zu ihr und schwellt den weiten Muttergottesmantel. Sie sitzet ganz regungslos, denn all ihr Mut ist den unbegrenzten Bitten zugewandt. Alles Gebet muß durch ihr Herz. Dort wird es zu dem lauteren Feuer, das zu Gott sprechen darf.

      Maria sitzet so still, auch sie. Die Auserwählte ist sie, die ihre Hand und ihren Körper nicht besudeln kann, schon auf Erden durch keine gemeine Mühsal. Maria hat nur den Sohn gebären müssen, der sich im Tempel verlief, da er ein kleiner Knabe war – das ist auch bei einer großen Engelweih in Jerusalem geschehen. Wunderbar hat ihn die suchende Mutter gefunden, wunderbar war Theophrast von einem Engel des Herrn zur Mutter geleitet worden. Wunderbar hat es ihn unter den heiligen Strahl des Frauenbrunnens getrieben.

      Da schrak Eis aus ihren Träumen.

      „Heilig Gnadenmuotter, hilf mir, Sünd, lästerliche Sünd! Hilf mir von denen freventlichen Gedanken! Heilig Gnadenmuotter! O Gott! Min Gott! Es fasset mich grousam!“

      Sie ließ die Spindel schnurren und saß gebückt, ganz ihrer hastigen Arbeit hingegeben. Sie murmelte einen Englischen Gruß um den andern, ohne an den Sinn der Gebete zu denken, spann, bis sich die Hand unter einem stechenden Schmerze einkrampfte. Es tat weh und wohl zugleich und hielt sie von Spindel und Flachs ab. Sie rieb heftig die Innenfläche ihrer Hand. Teufels- oder Gotteszeichen? Sie sollte nicht, durfte nicht arbeiten.

      War auch sie auserwählt unter den Weibern? Nicht wie die Gnadenmutter, hochgelobt, gebenedeit – nur unter den Erdenweibern auserwählt. Gemeine Arbeit, endlose Mühe hatte sie bis zur Stunde dem beseligenden Ahnen ferngehalten. Seit je war sie anders.

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