Zwischen Heinrich und Jeanniene. Wilhelm Kastberger

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Zwischen Heinrich und Jeanniene - Wilhelm Kastberger

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letztendlich den Geist der bühnenerfahrenen Gutsbesitzerin widerspiegeln.

      Sie hatte selbstverständlich im In- und Ausland genügend Freude an der Strippe. Unter anderem auch ein Ehepaar aus dem südlichsten Teil von Bulgarien. Die beiden waren anerkannte Landschafts- und Gartenarchitekten. Diese Drei gemeinsam gestalteten nun auf der etwas mehr als fünf Hektar großen Wiese dieses mehr als ansehnliche Kunstwerk eines in Zukunft zu nennenden Blütengartenmeeres.

      Um das Zaubermärchen für die Besucher des Blütengartenmeeres noch ein wenig realistischer erscheinen zu lassen, ließ man auch die Sicht auf das Schloss in die Architektur der neugeschaffenen, nicht mehr total flachen, sondern künstlich stückweit hügeligen Landschaft miteinfließen. Deutlich noch ein Stück weiter abgerückt von der nicht linear gezeichneten Armutsgrenze vom Dorf Selinkovac, sieht man rund zweihundert Meter vom besuchbaren Blütengartenmeer-Areal entfernt, in einer leichten natürlichen Senke, teilweise Umrisse von dem grauen schlossartigen Gebäude hervortreten. Rund um dieses Bauwerk stehen seit Menschengedenken riesengroße Laubbäume sowie eine schon brüchig gewordene, jedoch immer noch der Qualität entsprechend, mannshohe Festungsmauer. Die Bäume und die Mauer verdecken zum Teil die Sicht auf das Haus.

      In Wahrheit ist es ja kein richtiges Schloss. Es wird nur landläufig bei den Dorfbewohnern so genannt. Zu früheren Zeiten war es ein typisches Herrenhaus, besser noch ein Gutshaus, weil es neben der Landwirtschaft auch noch Stallungen für eine ansehnliche Pferdezucht gegeben hatte.

      Neunzehnhundertsechsundneunzig wurden von der jetzigen Gutsherrin sämtliche Pferde, bis auf zwei ihrer Lieblingsstuten, verkauft. Sie konzentrierte sich ab nun auf die Kerngeschäfte, um die Lebensfähigkeit des Gutshofes mit seiner umgebenden Atmosphäre zu erhalten.

      Dazu gehörte das Blütengartenmeer, das nach dreijähriger Vorlaufzeit, also ungefähr ab dem Jahr zweitausend, jede Menge an Besuchern aus dem Inn- und Ausland herbeilocken sollte. Viel lieber waren der Frau selbstverständlich die ausländischen Besucher, weil die zugegebenermaßen mehr Pulver in ihren Taschen mitführten. Und auf das kam es ja schlussendlich bei ihr an. Sie war süchtig nach Geld, geradezu manisch verrückt danach.

      Das gehört jetzt, in diesem Augenblick, wirklich in die Vergangenheit des letzten Jahrhunderts eingereiht. Man durfte, vor allem in Anwesenheit gewisser Personen, gar nicht mehr offiziell über Geld sprechen, außer bei dem Geplapper in der Spelunke, wo noch heute hinter vorgehaltener Hand darüber gemunkelt wird.

      Im Blütengartenmeer wurden auch Irrwege angelegt, die so ähnlich wie Labyrinthe gestaltet worden sind. Wenn man mal hineingeraten ist, wird man nur vielleicht eine Spur mehr an Selbstvertrauen benötigen, um wieder den Verstrickungen entfliehen zu können. Am besten man schreitet vorwärts geradeaus. Klüger wäre es aber manches Mal nach rückwärtszugehen. Das könnte wiederum womöglich mit erheblicher Mühe verbunden sein.

      Vermutlich gibt es auch andere, nämlich die oberirdischen Verbindungswege zwischen dem Blütengartenmeer, wie die Anlage offiziell auf der Internetwebseite www.bluetengartenmeer.com oder www.flowersgardensea.com beworben wird, und dem Schloss. Es muss sie ja geben, nur wurden diese Wege für die Besucher keineswegs freizugänglich gemacht. Man hatte den Eindruck, irgendwie scheint das alles noch aus der Dornröschenzeit zu sein.

      Also doch ein wenig vom Zaubermärchen!

      Vor allem bei den unterirdischen Gängen und Stollen, die gewiss nicht alle erhalten geblieben sind, da dürfte das Mystische aus der Sagen- und Märchenwelt noch tiefer im Verborgenen ruhen. Aber ein oder zwei solche unterirdischen Verbindungen wurden wieder instandgesetzt und begehbar gemacht. Man kann diese Stollen mit Fackeln oder Taschenlampen, ohne auf Überraschungen, wie zum Beispiel auf weißverschleierte Schlossgeister, stoßen zu müssen, durchgehen. An eine Elektrifizierung im Stollen wurde auch gedacht. Das heißt, das zweihundertfünfundvierzig Meter lange Stollensystem wird in absehbarer Zeit mit Stegleitungen und in regelmäßigen Abständen mit einfachen Glühbirnen, die aus den Restbeständen der Baumärkte stammen dürften, bestückt werden.

      Wie man sogar in Selinkovac und selbstverständlich auch im Schloss weiß, hatte jüngst eine neue EU-Verordnung die Beleuchtungswirtschaft aus dem Gleichgewicht geworfen und dabei die gute alte Glühbirne der Verdammnis zugeführt. Das kam für die dunklen Mächte der Finsternis wie gerufen.

      Die nicht immer friedlichen Dorfbewohner bekamen den Umbruch, der im Schloss stattgefunden hatte, leibhaftig mit. Es gab einige Land- und Stallarbeiter, für die es keine Verwendung mehr gab. Diese Leute waren nicht bereit, einfache Gartenarbeiten zu machen. So standen sie halt eines Tages ohne Arbeit da. Andere wiederum, die so flexibel gewesen waren, sich von der Mistgabel auf die Gartenschaufel umschulen zu lassen, für diese paar Jungs war die Umstellung niemals zu einem Problem geworden.

      Die gestrenge, wahrscheinlich auch in mancher Hinsicht ungerechte Gutsherrin Mariella Nadja Todorova, hatte im Trauerjahr, wie bereits erzählt, nicht nur die Stallungen leer geräumt und fast alle Pferde verkauft, sie hat auch einen Großteil der Ländereien an die Bauern zu günstigen Konditionen auf neunundneunzig Jahre verpachtet.

      Mariella Nadja Todorova war schier besessen von dem Gedanken, nämlich das Blütengartenmeer als einziges Vorzeigeprojekt der gesamten Region, auch vorantreiben zu wollen. Sie wollte unter allen Umständen auf dem riesigen Areal zwischen dem Dorf und dem eingefriedeten Schlosshof einen wunderschönen Blütengarten haben, der ebenso, wie sie selbst, einen internationalen Bekanntheitsgrad samt dazugehörender Bewunderung erreichen würde.

      Um dieses Projekt an den Startplatz führen zu können, erarbeitete sie gemeinsam mit dem Architektenehepaar einen logistisch ausgeklügelten Plan aus. Das war gar nicht so einfach. Doch das Ergebnis konnte sich sehen lassen. Man hätte theoretisch mit dem durchkomponierten Aktenbündel Erfolge auch auf einen kleineren Containerhafen am Schwarzen Meer verzeichnen können.

      Kurz und gut, man benötigte auf alle Fälle Fachpersonal, das heißt gutwillige Aufseher und ebensolche fleißige Hilfsarbeiter. Das war jedenfalls Grund genug, vor allem aber deshalb, um eine glaubwürdige Entschuldigung für die radikale Umschichtung der bestandenen Personalressourcen zu erwirken.

      Ende neunzehnhundertsechsundneunzig war es dann soweit. Die Vorbereitungsarbeiten für ein zu erwartendes Blütenmeer waren an und für sich abgeschlossen. Schwere Baumaschinen wurden auf Tiefladern aus den Städten herangekarrt, haben wochenlang herumgeackert und wurden danach wieder abtransportiert.

      Ungezählte Lastwagen mit oder ohne Anhänger sowie mehrere geschlossene Sattelzüge mit holländischen Beschriftungen brachten monatelang Blumen, Stauden, kleinere Bäume und Ziersträucher sowie auch Dekorationsmaterial auf die Baustelle.

      Die von der Pferdemist- zur Gartenschaufel umgeschulten Landarbeiter wurden von den zwei angestellten Berufsgärtnern soweit instruiert, dass sie einfache gestalterische Tätigkeiten ohne Weiteres alleine machen konnten. Insgesamt waren beim Aufbau über hundert Frauen und Männer beschäftigt. Darunter befanden sich auch die zwei Vorarbeiter Adam und Bohdan.

      Die Arbeiten gingen zufriedenstellend für die im Zwangsruhestand befindliche Opernsängerin und neuerdings Gutsfrau über die bisweilen noch schmucklose, aber erdverbundene Bühne.

      Unberührt blieb aber die uralte, breite und entsprechend hohe gemauerte Einfriedung, die das Schlossareal als Ganzes regelrecht umarmen und beschützen wollte. In der Vorzeit dürfte diese Mauer tatsächlich ein Schutz gegen Angriffe von Feinden gedient haben. Aber ganz soweit dürfte man mit derartigen Vermutungen auch im einundzwanzigsten Jahrhundert nicht danebenliegen.

      Wer im Gutshof wohnte und vor allem was jahraus und jahrein dort geschah, das wusste man bis vor Kurzem nicht so genau. Heute benötigt man gewiss kein Rätselheft mehr, um die Geschehnisse zu ergründen. Im Dorf kannte man die

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