Zwischen Heinrich und Jeanniene. Wilhelm Kastberger

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Zwischen Heinrich und Jeanniene - Wilhelm Kastberger

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Sie warf aber ihr gutes Geld nicht beim offenen Fenster auf die Straße. Sie war sparsam, streifte ihr Vermögen schmarotzender Weise von den anderen ein und war somit in der Lage, finanziell unabhängig zu sein. Mit Reichtum beladen, stolperte sie dann Hals über Kopf in den Ehestand hinein, was sie im Grunde eigentlich zuerst gar nicht wollte. Aber ihr gleichaltriger, langjähriger Freund und hin und wieder Lebensbegleiter, umwarb sie solange, bis sie letztlich bereit war, ihn am Samstag den 13. Mai 1995 mit einem vor dem Notar geschlossenen Ehevertrag zu heiraten.

      Ihr Neoehemann Dano Georgiev Aleksandov, wie man das heutzutage sagen würde, stammte aus einem längst vergangenen und jetzt völlig bedeutungslosen, schier verarmten bulgarischen Fürstengeschlecht. Er war zwar nicht gänzlich mittellos, nein das gerade nicht, aber reich im Vergleich zu seiner Frau, war er keinesfalls. Sie avancierte mit der Heirat sowie mit lautlosem Stolz von einer vielumjubelten Primadonna zu einer fürstlichen Schlossherrin. Das gab ihrem Ego einen gewaltigen Vorwärtsschub.

      Dano Georgiev Aleksandov besaß nämlich einen beachtlichen fürstlichen Erbgutshof, den er von seinem leider schon frühzeitig verstorbenen Onkel Nikolai übernommen hatte. Der gute Mann hatte nicht nur die Immobilie verkommen lassen, sondern er hatte auch das ganze Drumherum noch zu Lebzeiten ordentlich heruntergewirtschaftet. Der Gutshof in Selinkovac mit samt den Stallungen, den Pferden und anderen Tieren sowie jede Menge an herumstehenden Arbeitern, die nicht alle ihre ureigensten Aufgaben zu bewältigen wussten, all das war letztlich zu einer schweren Erblast für Dano Georgiev Aleksandov geworden.

      Nur die Köchin Boryana war ein seltenes Ungetüm und ein Urgestein obendrein, wenn man diese Ausdrucksform so wählen würde können. Sie regierte jahrzehntelang schon am Gutshof, wohlgemerkt nur in ihrem Bereich, aber das mit ihrer wohlgeformten energischen Handschrift. Ausnahmslos alle mussten sich ihr unterordnen, da gab es kein Pardon. Des Weiteren kannte sie sämtliche Schwächen und Gepflogenheiten des jetzigen Fürsten in- und auswendig. Sie war und ist trotz ihrer Vorzüge eine herzensgute Haut. Wenn man die Frau gut zu pflegen wusste, war sie auch manches Mal bereit, ihre wohlgehüteten Schokoladeverstecke zu öffnen. Als Wirtschafterin am Gutshof verstand sie es hervorragend, schon unter dem gestrengen Onkel Nikolai, einen Hochseilakt mit seinen Verbalallüren mit Bravour zu meistern.

      Der neue Herr im Schlossgutshof Dano Georgiev Aleksandov hatte stets die Angewohnheit früh morgens querfeldein auszureiten. Das tat er beinahe täglich. Aber seit seiner Verlobung mit Mariella, die anfangs März 1995 im Schloss gebührend gefeiert worden war, war er zunehmend bemüht, ein bisschen mehr Ordnung in sein Leben zuzulassen. Auch in seinem Betrieb, das heißt, nach der Verheiratung war es ja das gemeinsame Unternehmen, wollte er unbedingt Veränderungen herbeiführen. Das verlobte Paar schmiedete vorab schon die gewagtesten Pläne und die eine oder andere Idee ließ sich auch dann im Kleinen, versteht sich, bereits kurzfristig umsetzen.

      Der rote Faden, sprich der Wille nach maßvoller Veränderung, war strukturell zu mindestens bereits von den beiden ausgearbeitet worden. Diese eigenständigen Vorgaben wollten sie dann auch sukzessive umsetzen.

      Dano Georgiev Aleksandov wollte das Landgut mit den Stallungen und den zahlreichen kleineren und größeren Nebengebäuden mit seiner fürstlichen Ehefrau zukünftig wieder auf Vordermann bringen. Nach dem Ehevertrag waren ja beide, wie schon angemerkt, gleichberechtigte Eigentümer und das Erbrecht war gegenseitig auch so ausgelegt worden.

       Zwei

      Am Donnerstag den 25. Mai 1995 ging der fürstliche Dano Georgiev Aleksandov gegen sechs Uhr am Morgen zu den Stallungen und holte sich sein Lieblingspferd heraus, sattelte es und ritt, wie er es nahezu jeden Tag gemacht hatte, ins Land hinein. Üblicherweise kam er so gegen neun oder halb zehn Uhr wieder vom Ausritt auf den Schlossgutshof zurück. Diesmal nicht! Sein Pferd kam gegen sieben Uhr zehn zurück. Alleine!

      Es galoppierte schweißnass in den Hof, blieb vor Tränke stehen und trank vom frischen Brunnenwasser.

      Einer der Arbeiter bemerkte sofort das reiterlose Pferd. Er lief zum Schloss, betrat eilends mit seinen schmutzigen Schuhen die Küche und schlug aufgeregt, wie er war, Alarm. Die Köchin Boryana konnte es zuerst gar nicht fassen, dass der ungehobelte Stallarbeiter mit seinem dreckigen Gewand und seinen nach Pferdemist stickenden Händen und Schuhen sich ohne Weiteres in ihre Küche gewagt hatte. Doch die Meldung des Mannes erstickte im selben Moment das angesetzte Donnerwetter bei Boryana.

      Sie ließ den Mann stehen, wo er gerade wie festgenagelt stand und lief so gut es eben ging über die zwei oder drei Treppen hinauf in den ersten Stock. Boryana blieb für einen Moment stehen, atmete tief ein und aus, klopfte an die fast zwei Meter zwanzig hohe Tür, hinter der sich eine ehemals gut eingerichtete Bibliothek befand. Leider gab es zu dieser Zeit gerade noch zwölf etwas unhandliche Geschichtsbücher, die allesamt ungelesen und teilweise verstaubt in den schier leeren Regalen standen.

      Boryana wusste, wo sich die gnädige Frau am frühen Morgen bis zum Eintreffen ihres Gemahles aufzuhalten pflegt. Mit Grausen dachte die Köchin daran, wie man sich beispielsweise mit solchen, für sie unvorstellbaren Literaturschinken erholen kann. Aber warum sollte sich die Gnädigste erholen? Dass schien eine der zentralen Standartfragen in den letzten Wochen bei der Köchin geworden zu sein.

      Boryana konnte solche Bücher nicht lesen. Zumindest nicht solche in Schweinsleder gebundenen kiloschweren Exemplare. Angeblich waren deren Inhalte auf die mittelalterliche Periode, wo das Fürstengeschlecht rücksichtslos die Regentschaft nachkam, ausgerichtet. Dieses Thema hatte bei ihr ohnehin eine denkbar schlechte Meinung hinterlassen. Da waren ihr schon Liebesgeschichten und Heiratsgedichte wesentlich angenehmer. Ihre gesamte Bibliothek in ihrer Kammer umfasste zwei derartige Büchlein, die sie zwar schon fast auswendig konnte, aber darin immer wieder nachlesen musste.

      So stand halt Boryana vor der Tür zur Bibliothek. Sie klopfte an, machte die Tür einen Spaltbreit auf und sagte:

      „Guten Morgen.“

      Dann kollerten ihr Tränen über die Wange und wollte über die Treppe wieder in ihr Küchenreich abzischen. Doch die gnädige Frau war schneller. Sie holte ihre Köchin noch auf der ersten Stufe ein, ergriff ihren rechten Ärmel, sah ihr in die tränenden Augen und fragte sie, was den plötzlich mit ihr los sei.

      Boryana wiederholte weinerlich die Meldung, die sie gerade von dem noch im Flur stehenden Arbeiter bekommen hatte.

      Dano Georgiev Aleksandov wurde zwei Stunden später von seinen Stallarbeitern unter einem Baum mit einem Genickbruch aufgefunden. Drei Tage danach fand die Beisetzung am gutseigenen kleinen Friedhof statt. Immerhin war das eine der kürzesten Ehegemeinschaften, die je auf diesen Gutshof stattgefunden hatte.

      Die Zeit der Trauer ging schneller vorbei, als die Witwe je denken konnte. Sie war in diesem Jahr mit Arbeit völlig zugedeckt und auch manches Mal leicht überfordert. Sie musste hart kämpfen und war vorwiegend mit der Beseitigung von Müll sowie gleichzeitig mit den angedachten Projekten, die sie mit ihrem verunglückten Mann schon eingehend besprochen hatte, beschäftigt. Unter dem Begriff Müll sollte man nicht Mist oder Ähnliches verstehen, besser man würde es mit Ballastabwerfen umschreiben.

      Und da gab es doch jede Menge davon.

      Im Jahre neunzehnhundertsechsundneunzig wurde nämlich von seitens der Witwe mit viel Energie und einem kaum beschreibbaren Ehrgeiz begonnen, eine wunderschöne Blütengartenlandschaft zu errichten, von der ja bereits schon die Rede gewesen war. Der völlig herabgewirtschaftete, brachliegende Wiesenboden sollte wieder zu neuem Leben erweckt werden. Die Idee der Gutsherrin begann eigentlich mit einem Zaubermärchen.

      So unwahrscheinlich das auch klingen mag.

      Dieses Zaubermärchen beginnt zwar nicht mit – Es war einmal – oder anderen den Brüdern Grimm angelehnten Einführungen,

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