Zwischen Heinrich und Jeanniene. Wilhelm Kastberger

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Zwischen Heinrich und Jeanniene - Wilhelm Kastberger

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bewegt er sich auffallend buckelig und mit einer kaum messbaren Zeitlupengeschwindigkeit. Jede Schnecke würde das Rennen mit ihm in Monaco haushoch gewinnen.

      Dafür tritt er als Gegenleistung für seine Langsamkeit unrasiert, selbstverständlich auch ungewaschen vor seine lieben Gäste, die er beim Eintritt ins Lokal, beinahe schon unterwürfig, jedoch mit freundlichen Gesten und unverständlichen Lauten, zu überfallen drohte.

      Vermutlich haben auch seine fettigen, langzottigen Haare noch niemals einen Kamm gesehen, geschweige denn einen auf dem Kopf gespürt. Von einer Frisur kann überhaupt keine Rede sein. Wenn, dann ist diese Haarpracht ein aufgewühlter Urwald, wo sich wahrscheinlich der eine oder andere Zirkusdirektor über einen frischen Nachwuchs gefreut hätte. Aber das fällt neuerdings unter die EU-Naturschutzbestimmungen.

      Das Überdrüber bei dem guten Mann sind seine Zähne! Und nicht zu vergessen, seine Arbeitsschürze! Beide haben etwas Gemeinsames. Sie strahlten vermutlich irgendwann einmal in der Vorzeit mit Stolz ein strahlendes Weiß in ihre unmittelbare Umgebung.

      Prophylaktisch werden zur Entgiftung von dem guten Mann allen Gästen, die im Gastlokal Speisen bestellt haben, ein eigens hausgepatschter Schnaps, der unter dem bekannten Namen Rakija, auch bei uns in den Regalen von Supermärkten zu finden ist, verabreicht.

      Diese Kunst der Vorbeugung übt mit Sicherheit er selbst besonders fleißig, und das vermutlich mehrmals am Tag. So hinterlässt er bei allen die sich in seiner Nähe aufhalten, einen unverwechselbaren Mundgeruch, wobei die Duftnote von Knoblauch und Zwiebel bei Weitem überragt.

      Aber sonst ist das Lokal, wie schon ausführlich beschrieben wurde, alles soweit kristallklar sauber, bis auf die balkanischen Toiletten, aber über die kann sich jeder sein Bild selbst malen.

      Es wird auch noch von einer Spelunke die Rede sein. Das hat schon seine Richtigkeit. Es gibt bei dem Gasthaus nämlich nicht nur einen Haupteingang, durch den man unter anderem zum öffentlichen Gastlokal gelangt, es gibt auch einen Nebeneingang. Und der befindet sich auf der Hinterseite vom Haus. Man kann ihn leicht entdecken. Er ist sozusagen genauso wenig beschildert wie der vordere Haupteingang zum oberirdischen Lokal.

      Nur über die Öffnungszeiten wissen lediglich Eingeweihte sowie die treuersten Kunden, die man locker und leicht unter zehn beziffern könnte, Bescheid. Jeder X-Beliebige käme da gar nicht hinein und schon gar nicht die holde Weiblichkeit vom Dorf. Im strengsten Falle werden lediglich Damen mit Stöckelschuhen und knallroten Lippen, die überdies ein wenig Kulturelles zu bieten haben, ins Lokal eingeladen. Das ist grundsätzlich Voraussetzung und es geschieht nach Auffassung der Lokalführung nur deshalb, damit dadurch eine Abwechslung in die Trotzlosigkeit des Alltages hineingebracht werden kann.

      Das oberirdisch befindliche Gasthaus, aber auch die unter der Erde angesiedelte Spelunke hat selbstnatürlich keine ausgewiesenen Ruhetage. Das braucht’s auch nicht, weil wenn wer kommt, dann ist er halt da.

      So in etwa lautet das Prinzip der Höflichkeit im Dorf von Selinkovac.

      Nur ein kleiner Unterschied zwischen den beiden Lokalen oben und unten ist von Bedeutung. Die Spelunke ist eine europaweit bekannte und auch anerkannte Betriebsform, aber im Sinne der europäischen Einigkeit wird diese nirgends, auch nur mit einem Bindestrich beschrieben. Vielleicht ist gerade das ein Manko. Es gehört dringend, wie die Gurken- und Bananenerlässe seinerzeit, vom Parlament dort oben behandelt und aufgearbeitet. Aber wem bitteschön interessiert so ein Schmarrn nach der Wahl.

      Es ist halt so: Spelunke bleibt eben Spelunke und das steht schon dick unterstrichen im Wörterbuch.

      Um in diese Spelunke, um die es hier eigentlich geht, überhaupt absteigen zu können, muss man über eine baufällige Holzstiege ganz schön weit in die Unterwelt hinunterkraxeln. Eine typische Absteige halt. Wie das die Damen mit ihren Stöckelschuhen und ihren Miniröcken machen, bleibt das Rätsel der Stunde.

      Untertags passiert dort unten ohnehin gar nichts. Aber vom frühen Abend bis in die sehr frühen Morgenstunden treffen sich in der Spelunke allerhand kulturell seichte Zwielichtigkeiten.

      Gerade das ist wiederum bezeichnet für so eine verschmutzte, heruntergekommene, obendrein düster beleuchtete Räumlichkeit. Gerade einmal ein paar Kerzen erhellen den sonst stockfinsteren Raum. Aber eine Theke oder ein Tresen, wie man’s auch immer bezeichnen möchte, gibt es doch. Hinter dieser steht meistens der dreiundzwanzigjährige Romeo, der einzige Sohn vom Gastwirt. Das ist für diese Spelunke ganz gewiss ein Glücksfall. Er ist nämlich ein düstrer, aber gleichermaßen durchtriebener Typ, der seine Geschäfte offenbar wohl versteht.

      Fidan Kubrat Grantscharov so heißt er jedenfalls mit vollen Namen. Aber alle Bekannten und Freunde nennen ihn seit vielen Jahren Romeo. Warum weiß aber keiner. Er besuchte als Kind erfolgreich die Dorfschule und wurde danach von seinen Eltern in einem Internat in der Bezirksstadt untergebracht. Nach Beendigung der Pflichtschulzeit blieb er noch beinahe zwei Jahre und besuchte eine wirtschaftsorientiert geführte Fachschule.

      Dort wurde ihm in kleinen Schritten ein Bruchteil über das Wirtschaftsleben im Allgemeinen sowie Grundsätzliches über Betriebsführung beigebracht. Nach dem weniger erfolgreichen Abgang wurde ihm noch im selben Jahr, dann quasi als Studierter und aus der Bezirksstadt ausgeschulter, die finstere Lokalität von seinem Vater erbrechtlich auf eigene Rechnung übertragen.

      So steht oder sitzt er nun einige Nächte in Woche in dem finsteren Loch, erwartet seine Gäste und nimmt sie dann aus, wie eine frisch gefangene Forelle aus dem Karpfenteich.

      Der Slogan - beim Romeo gibt es alles und nichts – zog seine Kreise. Neben den ortsüblichen harten Getränken bietet er auch allerhand Spielmöglichkeiten für die größtenteils männlichen Besucher an. Alle paar Wochen karrt der junge Unternehmer, wie bereits schon angemerkt, weibliche Spielkameraden in diese alte verrottete Bude. Selbstverständlich werden derartige Auftritte streng geheim und nur mit Mundpropaganda an Stammgäste weitergegeben.

      Die beiden Vorarbeiter vom Blütengartenmeer Adam und Bohdan gehören selbstverständlich zu den Stammtischlern, obwohl gar keine Tische mehr in dieser Bruchbude drinnen stehen. Die sind allesamt bei den regelmäßig stattfindenden Prügeleien in die Brüche gegangen. Weder der Senior- noch der Juniorchef haben sich bemüßigt gefühlt, jemals um einen Ersatz zu bemühen.

      Warum auch? Prügeleien finden auch nach wie vor mit oder ohne die Tische statt. Im letzten halben Jahr fanden gewiss noch mehr Auseinandersetzungen statt, als in der Vergangenheit.

      Der Grund dafür ist relativ leicht erklärbar: Getränke müssen der Einfachheit halber am Fußboden abgestellt werden oder man behält sie in der Hand. Es ist finster da unten, zumindest nicht hell genug, um die herumstehenden Gläser zu sehen und schon ist es bei vorgerückter Stunde geschehen. Halbvolle Getränkegläser werden umgeworfen und gar zertreten, was den Ärger noch mehr an die Spitze treibt. Handgreiflichkeiten um den billigen Fusel sind halt dann die Folge.

      Niemand verständigt die Polizei. Auch wird selten ein Arzt benötigt. Rettung, ja bitte was heißt hier Rettung, die gibt es so und so nicht. Und das Motto – jeder helfe sich selbst, so gut, wie er kann – hat oberste Priorität.

      Im Dorf gibt es aber zwei Männer, die nicht in der Landwirtschaft tätig sind, sondern die in der Bezirksstadt als Polizisten für Recht und Ordnung zu sorgen haben. Im eigenen Dorf fühlen sie sich aber nicht zuständig, einen Streit zu schlichten oder ihn gar zu beenden.

      Ganz im Gegenteil, es war nicht nur einmal, wo die zwei Freunde der Gerechtigkeit bei so einem Handgemenge nicht auch selbst ordentlich mitgemischt hätten.

      Aber das ist eine völlig andere Geschichte.

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