Sag mal, Lara. Jasmin Schneider

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Sag mal, Lara - Jasmin Schneider

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verzog den Mund und gab den Weg frei. »Das werden wir sehen!«, gab er zurück und verschwand in der winzigen Toilette neben der Kühlkammer.

      Wie dieser Kanacke ihr doch auf den Zeiger ging! Jackie stand jetzt hinter der Frischtheke und beobachtete zwei Penner, die fast immer da waren, wenn sie morgens arbeitete. Wenn die beiden gingen, würde es noch keine halbe Stunde mehr dauern und der Laden wäre voll. Sie schaute nach hinten, keine Spur von Sadum, und griff nach dem Päckchen Zigaretten, das er immer neben der Kasse liegen ließ.

      »Scheiß Kanacke!«, murmelte sie, öffnete die Packung und suchte nach einem Feuerzeug, während sie sich die Zigarette zwischen die Lippen schob. Er bezahlte nicht schlecht und wenn sie ihn ein-, zweimal die Woche zuschauen ließ, wie sie sich umzog, legte er immer noch was drauf. Aber in letzter Zeit waren die Extrazuwendungen deutlich zurückgegangen. Jetzt legte er es darauf an, sie ins Bett zu kriegen oder wenigstens auf die kleine Couch in dem stickigen Kabuff, den er sein Büro nannte. Angst vor ihm hatte sie keine, was sollte er ihr schon großartig antun, das sie noch nicht kannte, aber was machte sie, wenn er nicht locker ließ und sie am Ende noch rausschmiss?

      Endlich hatte sie das Feuerzeug gefunden. Es lag neben dem Dönergrill und war fettverschmiert. Sie nahm es, zündete sich die Zigarette an und wischte sich die fettigen Finger an der Innenseite des Bistro Antalja Shirts ab. Sie sog den Rauch tief ein bis ihr ein wenig schwindlig wurde, dann blies sie ihn langsam aus und ließ ihren Blick abwesend auf einem der Penner ruhen.

      »Haste ooch eene für mich, Kleene?«

      »Nee!«, gab Jackie barsch zurück und hockte sich auf den Hocker, den Sadum sich hinter die Theke gestellt hatte. Auf ihm saß er, wenn er dämlich grinsend irgendwelchen Prenzeltussen vom Meer in seiner Heimat vorschwärmte.

      »Du bist zu spät«, hörte sie ihn plötzlich sagen. Nicht eben freundlich zog er ihr den Hocker unterm Hintern fort.

      Schimpfend sprang Jackie auf die Beine.

      Sadum packte ihr Handgelenk, drehte es zu sich und nahm ihr die Kippe aus der Hand. »Nicht hier drin!«, blökte er, warf die Kippe zu Boden und trat sie aus. »Wisch das auf und mach deine Arbeit jetzt!«. Er zeigte mit dem Daumen über seine Schulter in Richtung Küche. »Los!«

      Jackie wusste, dass es sich nicht auszahlte, ihm zu widersprechen, deshalb gehorchte sie und bückte sich trotzig nach der Kehrschaufel, die neben dem Mülleimer lag. Während sie die Asche und die halbe Kippe aufkehrte, die zu Sadums Füßen lag, bewegte sich er keinen Millimeter von der Stelle. Jackie spürte seine Augen in ihrem Nacken, und weil sie solche Männer und ihre Vorlieben kannte, ließ sie sich Zeit und schaute bevor sie sich erhob kindlich zu ihm auf, ihr Kinn in etwa auf der Höhe seiner Hosennaht. »Stimmt, sorry!«, sagte sie dabei leise und schob die Oberlippe nach vorn. »Tut mir echt leid!«

      Seinem Blick nach zu urteilen, genoss er die Situation, dennoch wandte er sich ab, um den Tisch bei den Pennern drüben zu säubern. »Kein Problem! Bleibst du länger!«, und zu den beiden gewandt: »So Freunde, es wird Zeit!«

      Jackie war inzwischen hochgekommen, die Kehrschaufel hielt sie noch immer in der Hand. »Aber das geht nicht!«, rief sie dem kleinen Türken hinterher.

      Sadum antwortete nicht, er ging mit den beiden hinaus und machte sich daran die Bänke auf dem Gehsteig in Position zu stellen. Auf einem hatte ein Passant einen leeren Coffee-to-Go Becher gestellt. Er nahm ihn und warf ihn in den Mülleimer mit dem Logo einer Eismarke, der neben dem Eingang zum Bistro stand.

      Noch immer, die Schaufel mit der Kippe in der Hand, stand Jackie im Türrahmen. »Das geht doch nicht!«, wiederholte sie gequält und versuchte kindlich auszusehen.

      Sadum sah sie nicht an. »Muss!«, war seine Antwort. Im Hineingehen deutete er auf dem Mülleimer bei der Tür, »Voll!«, und ließ Jackie stehen.

      »Arschloch!«, entfuhr es ihr und sie warf die Schaufel auf die Straße, »du Arschloch!«

      Natürlich hatte Lara Morgenstern sich nicht anmerken lassen, wie sehr Martin Borns Bemerkung sie verletzte. Seit dem Tod ihrer Großmutter vor fünfzehn Jahren, hatte sie tatsächlich Probleme Menschen kennenzulernen. Aber dass sie das nach außen signalisieren könnte, darüber hatte sie sich bisher noch keine Gedanken gemacht.

      Ihren Vortrag beendete sie im Anschluss an Martins Beleidigung ohne Duldung weiterer Zwischenfragen. Den Rest der Doppelstunde ließ sie den Kurs Werke Rembrandts skizzieren. Als kleine Rache verringerte sie kurz zuvor die Dauer der Einzelbilder auf dem Beamer von 10 auf lediglich 5 Sekunden pro Werk. So war es schwierig das Bild in seiner Gesamtheit wahrzunehmen. In der Folge hatte wie gewünscht der Großteil der Teilnehmer keines der sechs Gemälde wirklich erfasst – bis auf Martin Born, der beim Hinausgehen konkrete Skizzen aller Werke achtlos auf ihr Pult warf.

      Jonas Baehr ging eigentlich ganz gern zur Schule. Jedenfalls fast jeden Tag. Heute aber nicht. Und deshalb war er froh, als es endlich dreizehnuhrdreißig war, und er sich beeilen konnte nach Hause zu kommen. Am liebsten wäre er gleich zu Lara gegangen, bei der fühlte er sich an solchen Tagen am wohlsten.

      Umso erfreuter war Jonas, als ihm zuhause niemand aufmachte. Seinen Schlüssel hatte er vor kurzem irgendwo verloren. Erzählt hatte er davon nur Lara, seine Mama durfte das auf gar keinen Fall wissen, sonst musste sie beim Amt anrufen und die gaben ihnen dann das Geld nicht. Lara hatte auch gesagt, er solle es ihr einfach nicht sagen, denn sie war überzeugt, sie würden den Schlüssel gemeinsam finden. Eigentlich konnte er nur bei Lara oder auf dem Weg von ihr zu ihm verloren gegangen sein. Letzte Woche hatten sie deshalb ein kleines Plakat gemalt, es ganz oft kopiert und in den Straßen rund herum aufgehängt.

      Zuerst hatte Jonas Angst, Jackie könnte eines der Plakate entdecken und dann käme alles raus, aber wie Lara es ihm schon vorausgesagt hatte, kümmerte sich Jackie gar nicht um Sachen, die an Lichtmasten hingen.

      Nachdem Jonas die breite Danziger Straße sicher überquert hatte, lief er die drei Blöcke bis vor zur Hufelandstraße an einem Stück. Er musste schließlich üben, damit er demnächst schneller als seine Mama war. Ganz außer Atem kam er bei der 38 an und machte sich so lang er konnte, um die Klingel zu erreichen. Die, auf der »Morgenstern« stand, war ganz besonders weit oben. Früher, wenn Lara nicht wusste, dass er kam, musste er häufig einen Passanten fragen, ob der für ihn klingeln würde. Inzwischen war er aber Gott sei Dank groß genug. Er drückte den Knopf dreimal kurz und einmal lang, damit Lara wusste, dass er es war und ihm öffnete.

      Es dauerte ein bisschen, aber dann hörte er wie Lara oben in ihrer Wohnung den weißen Hörer von ihrer Sprechanlage nahm und verwundert »Jonas?«, hinein fragte.

      »Jaja«, bestätigte er erfreut, »hier ist der Jonas!«

      Es summte und er stemmte sich mit aller Kraft gegen die Tür. Sie sprang auf, und er fegte wie ein kleiner Blitz durch den ersten und zweiten Hof. Vor dem dritten verlangsamte er seinen Schritt, weil hinter der großen schweren Eisentür, die das alte Fabrikgebäude von den Wohnblöcken davor trennte, manchmal ein Pförtner saß und ihn grimmig anschaute. Aber heute war das Häuschen leer. Er rannte daran vorbei und hinter das Gebäude, wo er die Treppen nahm so schnell er nur irgend konnte.

      Lara stand ganz oben und freute sich. Aber sie hatte heute natürlich noch die doofen Kleider an, die er nicht so gerne mochte. Mit ihnen und der strengen Frisur, an der man sich das Auge stoßen konnte, sah sie immer wie die böse Stiefmutter aus. Er lief ihr trotzdem in die Arme.

      »Ist deine Mami noch arbeiten?«, fragte sie, nachdem er Ranzen und Jacke im Atelier verstaut hatte.

      »Ja«, rief er gedehnt, drehte

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