Trilogie der reinen Unvernunft Bd. 2. Harald Hartmann

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Trilogie der reinen Unvernunft Bd. 2 - Harald Hartmann

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notierte auch sie in mein berühmtes Notizbuch.

      Die Ereignisse überschlugen sich wieder einmal förmlich. Wenn mir etwas so richtig Spaß machte, dann waren das sich überschlagende Ereignisse. Sie konnten sich, wenn es nach mir ging, gar nicht genug überschlagen. Hier war ich in meinem Element. Nicht umsonst war ich überall bekannt als „virtuoser Dirigent der großen Überschlagungen“, wie ich bewundernd von meinen Anhängern genannt wurde.

      13

      „Guten Tag, Herr Ministerpräsident“, sprach mich eine Stimme an.

      Bremsen quietschten. Neben oder, besser gesagt, halb unter mir und meinem mit Obst und Gemüse getarnten Fahrrad kam ein auffällig unverdächtiger Fahrradfahrer zum Stehen. Sein Fahrrad war vollkommen ungetarnt. Weil ich mehr darüber wissen wollte, sah ich mir den Fahrradfahrer genauer an. Er war ein Wellensittich. Es war Hansi.

      „Guten Tag, Hansi“, sagte ich väterlich wie ein Landesvater.

      Er saß auf einem sehr kleinen Fahrrad, ein Fahrrad für noch sehr kleine Wellensittiche und sang schamlose Ministerlieder. Ich hörte ihm eine Weile zu und wippte mit meinen Füßen im Takt.

      „Woher kennst du die schamlosen Ministerlieder?“ fragte ich ihn.

      „Von den Ministern“, sagte er.

      „Wo sind denn die Minister?“ forschte ich ihn aus.

      „In der Damentoilette und singen schamlose Ministerlieder“, antwortete er ohne zu zögern.

      „Das ist ja interessant“ lachte ich ein besonders harmloses Elfenlachen, um mir nichts anmerken zu lassen. Denn ich hatte sofort kapiert, was Sache war. Es sah aus, als wäre ich auf eine vielversprechende Spur gestoßen. Und das musste ich ja nicht jedem Hansi auf den Schnabel binden.

      „Sing nur weiter!“ ermunterte ich Hansi.

      Und er sang und sang und sang, und so erfuhr ich alles, was ich niemals hatte erfahren wollen. Danach schickte ich Hansi schnell wieder in seinen Käfig. Er brauchte Urlaub. Ich dagegen konnte mich nicht so verwöhnen lassen. Ich musste handeln. Nach einem anstrengenden Sommerurlaub mit Hansis Mutter im schönen Emmental, packte ich alles, was ich erfahren hatte, aber niemals hatte wissen wollen, in ein großes Paket, umhüllte es mit einer undurchdringlichen Schicht von gut durchgekautem, dünn ausgewalztem Kaugummi und brachte es in einen speziell dafür in Auftrag gegebenen Banktresor. Er war ganz tief unten im Keller. Eigentlich noch unter dem Keller. Sogar tiefer als die tiefste bekannte Latrine. Er war unter Latrinenniveau. Da konnte das gefährliche Paket bestimmt nicht raus und Schaden anrichten. Und wenn es doch einen Weg herausfinden würde, würde ich es mit endlosen, diplomatischen Zeremonien zum Tee in meine Staatskanzlei einladen, natürlich mit feinstem manturinischen Gebäck.

      Es war ein genialer Plan, gesponnen aus allerfeinster Theorie, der aus jeder nur denkbaren Praxis ein braves Lämmchen machen würde. Als ich auch noch feststellte, dass er von mir selbst war, rieb ich mir zufrieden meine geruchsneutralen Hände. Dann ging ich zu meinem Friseur und informierte ihn über alles, was im Paket drin war. Die Wirkung auf ihn war verheerend. Von Stund an schwieg er wie ein Grab. Er war übrigens der einzige Friseur der Welt, der diese schwierige Übung beherrschte. Er wurde von seinen staunenden Kollegen und auch Kolleginnen seitdem verehrt wie ein Heiliger.

      Ich war nun so weit und nahm Kurs auf die Damentoilette. Aber ich kam nicht rein, weil sie vollkommen überfüllt war. Ich konnte die Damen gut verstehen. Ich versprach, später noch einmal wieder zu kommen. Die Damen konnten mich auch gut verstehen. Und das, obwohl es drinnen ziemlich laut zuging. Natürlich hatte ich gelogen. Ich wollte gar nicht wieder kommen. Ich wollte warten, bis die Minister müde waren und von selbst wieder rauskamen.

      Vorsichtshalber ließ ich mir noch einen Vollbart wachsen, damit sie mich nicht gleich erkannten und wieder flüchteten, wenn sie den lärmigen Raum verließen. Alle Vorbereitungen waren abgeschlossen, alle Vorkehrungen getroffen für den entscheidenden Moment. Auch die vier starken Burschen mit der Sänfte standen bereit, breitbeinig und in ihren lustigen, luftigen Baströckchen als Meister der Exotik unverkennbar erkennbar. Nervös und in angespannter Erwartung des kommenden Ereignisses zogen sie an ihren Zigaretten, da erreichte mich ein Hilferuf. Für einen Ministerpräsidenten war so etwas natürlich immer ein gefundenes Fressen. Es war Hansis Mutter, die um Hilfe rief. Hansi war nicht nach Hause gekommen. Sein Käfig war leer, seine Körner von der Katze aufgefressen. Ich eilte zum Tatort. Zunächst begab ich mich mit Hansis Mutter in die Badewanne. Dort erklärte sie mir alles ganz genau. Nun wusste ich Bescheid. Der Fotograf machte noch schnell ein Foto von uns, steckte es in die Flaschenpost, und ab ging die Fahndung. Hilferufe erledigte ich immer sofort. Montags bis freitags von 28 -33 und sonst natürlich auch.

      Als ich wieder bei der Damentoilette ankam, waren die Damen weg und alle Minister auch. Sie hatten wohl die Gnade meiner Abwesenheit dazu genutzt, um zu verschwinden. Danach zu urteilen waren sie wirklich ganz ausgezeichnete Leute und wie geschaffen für meine Regierung. Noch lange stand ich da, starrte in den verlassenen Sanitärbereich und machte mir überflüssige Gedanken über alle möglichen unrealistischen, privaten Sachen.

      14

      Natürlich ging ich jetzt nicht ins Café zu der Kellnerin mit dem kurzen Rock. Das wäre einfach zu realistisch gewesen. Ich wusste, dass meinen Wählern die Einfachheit der Realität zu kompliziert war. Besser, ich nahm Rücksicht auf mich, dann brauchte ich auch hinterher keine kunstvollen Erklärungen abzugeben, die dann doch keiner glaubte. Mein Weg war ein anderer. Ich beschloss, die 105 Stufen des legendären Docktor Unikum zu erklimmen. Wenn ich sie erstiege, würde mein Blick so weit werden, dass ich ihn manchmal sogar aus dem Blick verlieren konnte. Dann war ich endlich angelangt an der Grenze zwischen irgendwo und nirgendwo, da wo ich widerstandslos auf jede noch so plumpe Verführung herein fallen durfte. Und das würde jeder dann auch leicht verstehen können, und ich würde verschmelzen mit meinen Anhängern und Gegnern zu einem harmonischen, symbiotischen Lebewesen, umhüllt von einer rosafarbenen Gleichheit mit einem Schmelzpunkt weit hinter den großen Bergen. Und wenn die Geiger dann nicht gerade Mittagspause hätten, würde sogar Geigenmusik erklingen. Ja, Politik war schon eine große Kunst. Mit schlechter Technik kam man da nicht weit. Viele sind bei solchen Versuchen schon abgestürzt und mussten dann für viel Geld was anderes machen. Die Verkomplizierung der Einfachheit mit Hilfe der Realität war nämlich gar nicht so einfach, und die Leistung eines schönen Affentheaters wurde im allgemeinen weit unterschätzt. Aber nun war ich ja da, und ich war ihrer beider Prophet.

      Was keiner ahnte, war, dass ich der bestaussehende Prophet von überall war, und außerdem das schärfste Prophetengehör jemals hatte. Das lag sowohl an der Zahl meiner Ohren als auch an ihrer besonderen beidseitigen Anordnung. So konnte mir nichts entgehen, nicht mal das Geringste. Aber so gering war das, was ich in diesem Augenblick hörte, nun auch wieder nicht. Es war eher laut, ein lautes Schmatzen. Ich wendete meinen Kopf diesem Geräusch zu. Neben mir stand das Okapi, auf dem ein Affe saß und eine Banane aß. Man lernte einfach nie aus.

      „Du darfst nicht Äpfel mit Birnen verwechseln“, redete der Affe mich an.

      „Genau“, meinte das Okapi.

      Sofort war ich der Meinung, dass jemand es bestochen hatte. Denn normalerweise hatte es eine andere Meinung, mehr in Richtung keine Meinung.

      „So ein haarsträubender Sinn!“ antwortete ich dem ununterbrochen weiter essenden Affendarsteller.

      Ich sah ihm tief in seine unglaublich riesigen Augen. Jetzt merkte ich erst, dass er eine Brille mit sehr starken Gläsern trug.

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