Trilogie der reinen Unvernunft Bd. 2. Harald Hartmann

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Trilogie der reinen Unvernunft Bd. 2 - Harald Hartmann страница 6

Автор:
Серия:
Издательство:
Trilogie der reinen Unvernunft Bd. 2 - Harald Hartmann

Скачать книгу

wie sie es sich vorstellten, konnten sie mich nicht aus der Verantwortung kaufen. Wenn alle Stricke rissen, und sie nicht genug Geld zusammen rasieren konnten, würde ich die Formel einfach gegen ihr Gejammer und zur Befriedigung der gierig danach lechzenden Verbraucher in den ungeschützten Umlauf bringen. Dafür genügte ein handelsübliches Männermagazin und eine stinknormale Frauenzeitschrift. Der Rest war Realität. Damit hatte ich dann aber nichts mehr zu tun. Von dieser Verantwortung war ich befreit.

      Mit dem Elan der zwei Herzen und des doppelten Darms machte ich mich frohen Mutes auf den Weg. Schon mein erster Schritt ließ alle Vögel verstummen. Ich blieb kurz stehen und fragte zur Sicherheit noch einmal, um welchen Weg es sich handelte, auf dem ich wandelte. Dafür begab ich mich geistesgegenwärtig in den scheintoten Zustand des erfahrenen Ministerpräsidenten. Bald schon wusste ich mehr. Ich wusste, dass ich mich von dieser Frage am besten fernhielt und von Fragen anderer Art besser auch. Ich war sehr froh damit. Ein solcher Zustand war natürlich auch für das Wahlvolk sehr empfehlenswert. Als Ministerpräsident sah ich es als meine Pflicht an, dafür die Weichen zu stellen, zum Wohle selbstverständlich, wie ich es bei der Vereidigung im Stadion geschworen hatte, weil das Möbelmuseum ja damals schon zu war.

      Keine Fragen, keine Antworten und dazu ein unbekannter Weg, das war mal wieder ganz nach meinem Geschmack. Ich pfiff ein altes, grausames Piratenlied durch meine geputzten Zähne. Nicht mal in der Hölle hätte ich es besser antreffen können. Doch dann erblickte ich auf meinem Weg ein verkohltes Stück Bauchspeck. Ich prüfte es nach allen Regeln eines eingespielten Streichquartetts. Es gehörte dem Riesenkalmar. Vermutlich hatte er hier eine Grillparty veranstaltet und sich so einiges aus den Rippen geschnitten. Ich zerbrach den verkohlten Bauchspeck, und er zerfiel in zwei gleichgroße Teile, mit den gleichen Winkeln, den gleichen Gewürzen, den gleichen Hormonen. Schlagartig wurde mir klar, dass das natürlich auf der Nordhalbkugel unmöglich war, und ich wusste sofort, wo ich mich befand und dass es eine Botschaft an mich war. Wenn mir der Riesenkalmar begegnete, würde ich ihn dazu befragen. So ersparte ich mir das lästige Rätselraten. Wichtig war jetzt, ihn zu finden. Aber das war leicht. Der Riesenkalmar, mein alter Freund und Widersacher, besaß nämlich kulinarische Fähigkeiten, die meinen Appetit auf ihn beflügelten und so einiges andere auch. Solche Leute wie er konnten sich meiner Verfolgung nicht entziehen. Ich wollte ihn unbedingt verpflichten als Mitglied meiner regierungsamtlichen Blaskapelle.

      „Ich bin unmusikalisch“, hörte ich eine Stimme.

      Es war der Riesenkalmar. Er hing vor mir an einem seidenen Faden. Er hatte wohl wieder einmal meine Gedanken gelesen. Illegal natürlich.

      „Das merkt keiner“, sagte ich, „weil du viel schöner als unmusikalisch bist.“

      Bei dieser Antwort griff er unwillkürlich nach seinem Gehirn und sah hinein.

      „Du hast recht“, sagte er nach kurzer Betrachtung und nickte, „das merkt wirklich keiner!“

      „Nicht mal die Musik“, antwortete ich, „und die muss sich nun tatsächlich ordentlich verbiegen, bis sie sich deiner Schönheit angepasst hat.“

      Ich hatte ihn damit wohl bis in seine Haarspitzen überzeugt, und er griff sich eine Trompete. Der Rest war laut. Damit hatte er auch mich überzeugt. Für das Wahlvolk war es ein schönes Bild. Zwei Überzeugte standen überzeugt nebeneinander. Natürlich kriegte er sofort das Ministerium für Blaskapellenfragen von mir. Es verfügte sogar über eine eingebaute Badewanne. Darin konnten wir dann samstags immer gemeinsam baden. Über alles weitere ließ ich das Wahlvolk natürlich im Dunkeln, sonst wären ja jegliche Spekulationen unmöglich gewesen. Dann hätte es garantiert wieder Zusammenrottungen gegeben vor dem Großen Grünen Fertighaus des Wahlvolkes und alle hätten gerufen:

      „Wir wollen spekulieren! Wir wollen spekulieren! Wir wollen spekulieren!“

      Aber so genau erzählte ich dem Wahlvolk das alles natürlich nicht. Ich trug meine Verantwortung als Ministerpräsident verborgener, als man es mir ansehen konnte. Und auch ich selbst hatte es zu meiner höchsten Zufriedenheit schwer, sie zu entdecken, wenn ich mich im Spiegel betrachtete. So, genau so, liebte ich meine Verantwortung am meisten.

      8

      Ich rief beim Möbelmuseum an. Es war noch geschlossen, und es würde auch geschlossen bleiben, weil der Engländer sich dort einquartiert hatte, wie mir der Anrufbeantworter widerspruchssicher mitteilte. Ich musste also umdisponieren wegen der Vereidigung meiner Regierungsmannschaft. Ich beschloss, sie vorerst gar nicht zu vereidigen, dann konnten die Minister auch gegen nichts verstoßen und ihre Freiheit so komplett für das Regieren in einem vorvereidigten Zustand verwenden, was den Reibungsverlust im unvereidigtem Amt praktisch auf Null reduzierte. Das war bisher in der Praxis noch niemals gelungen. So war nun ein altes, ungelöstes Problem auf kunstvolle, theoretische Art gelöst, und das mit der Leichtigkeit eines einohrigen Zapfhahns, der zufrieden auf seinem Mist krähte.

      Aber damit wollte ich mich auf keinen Fall zufrieden geben. Ich wollte den Reibungsverlust der Null auf jeden Fall noch deutlich unterbieten. Die damit gewonnene Energie reichte locker dazu aus, den Bedarf aller Kaffeeautomaten in allen Ministerien zu decken und so einen wichtigen Beitrag zu leisten. Das Energieproblem hatte ich damit also schon gleich am Anfang besiegt, natürlich auch dieses vorbildlich und unnachahmlich wie alles übrige auf rein theoretischer und umweltschonender Basis. Doch jetzt, beim nächsten Schritt des Fortschritts, ging es um die Praxis, und die lauerte bereits auf mich an der Bar mit ihrem scharfen Cocktailkleid. Es ging darum, diesen wichtigen Beitrag nun mit einem Leben zu erfüllen, das diesen Namen auch verdiente. Ohne Regierungspersonal waren nämlich auch die Kaffeeautomaten nutzlos und die schöne Energieersparnis wüsste dann auch nicht wohin mit sich und würde bestimmt unrasiert in der Gegend herum vagabundieren wie eine Gruppe Junggesellen im Frühling. Das war eine aufregende Aussicht. Die sich daraus ergebende Information war für mich mehr wert als tausend schöne Worte, und ich zog mich mit ihr zurück auf die schneebedeckten Gipfel Ostfrieslands. Nur hier konnte ich das Problem der Theorie – Praxis – Polarität lösen. In der unverdünnten Luft dort würde die aufregende Aussicht sich in reine Materie verwandeln, in ein neues, unbekanntes Element, an dem meine Wissenschaftler sich ihre Zahnimplantate ausbeißen konnten. Ich hatte eben für jeden einen schönen Knochen in der Tasche. Kein Wunder, dass ich für diese fürsorgliche Einstellung auch einen Ehrentitel bekam. Natürlich war ich viel zu bescheiden, um ihn selbst öffentlich zu verbreiten. Mit dieser Aufgabe wollte ich meine zukünftigen Minister betrauen.

      Bald schon kam es zu einer unvermeidlichen Geburt. Es war die Geburt einer Idee. Vielleicht waren die Kaffeeautomaten in den Ministerien ja gar nicht nutzlos. Vielleicht konnten sie ja einfach die Amtsgeschäfte der Minister übernehmen, solange die noch nicht da waren. Möglicherweise war das mit einigen, wenigen Handgriffen zu erledigen. Ich rief meinen Ornithologen an. Er hatte sicher nichts dazu zu sagen. Und er enttäuschte mich nicht. Er war ein guter Mann. Männer wie er waren ein Glücksfall. Sie waren überall zu finden. Überall Glück und Glück und noch mehr Glück. Das wollte ich auf Dauer keinem zumuten. Schon aus machttaktischen Gründen änderte ich die Welt und erhob den seltenen Glücksfall zur neuen Norm. Die Sache mit den Kaffeeautomaten hatte ich daraufhin im Licht dieser neuen Lage vertagt bis spät in die Nacht. Ich wollte das erst noch von meiner Kellnerin durchkalkulieren lassen. Wenn sie ihr O.K. gab, würde ich ernst machen.

      Die Kaffeeautomaten blieben derweil ruhig. Sie regte diese Aussicht ebenso wie jede andere Aussicht nicht im geringsten auf. Unbeeindruckt kochten sie weiter Kaffee, souverän und stoisch. Sie waren keine aufgeregten Hühner. Das war natürlich schade, denn jetzt konnte ich erkennen, dass sie die als Ersatz für die abwesenden Minister ungeeignet waren. Die Qualität ihres Handelns war einfach zu zielgerichtet und hätte die künftigen Minister dadurch nur unnötig einem zu hohen Leistungsdruck ausgesetzt, was aber schlecht für Herz und Kreislauf war und somit gesetzlich verboten. Ja, als Ministerpräsident hatte ich die Pflicht, an alles und

Скачать книгу