Trilogie der reinen Unvernunft Bd. 2. Harald Hartmann

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Trilogie der reinen Unvernunft Bd. 2 - Harald Hartmann

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dieses glückliche Paar von damals in der Sänfte denken, vertieft in ihrem kommunikativen Spiel von höchster Qualität. Doch genau in diesem Moment stellte sich mir eine Frage massig und breitbeinig in den Weg. Warum kamen mir solche Gedanken gerade jetzt, wo ich doch gar keine Zeit für irgendwelche Schwärmereien hatte? Vielleicht war es ja auch so, dass es gar nicht meine eigenen Gedanken waren. Vielleicht hatten meine ehemaligen Mitkonkurrenten im Wahlkampf sie mir in den Kopf gesetzt in der hinterhältigen Absicht, meine Vereidigung zu verhindern. Es waren gute Leute, ihnen war alles zuzutrauen. Für mich als Ministerpräsidenten bedeutete es ein großes Glück, aus einem so reichhaltigen Reservoir erstklassiger Talente schöpfen zu können, wenn es darum ging, die Ministerien mit Besetzungen zu erfüllen. Doch nun ging es einzig und allein um das Hier und Jetzt. Ein Wahlvolk konnte nämlich sehr ungemütlich werden, wenn es auf eine Zeremonie zu lange warten musste.

      Jetzt half mir nur noch die Zauberei. Ich beherrschte sie natürlich wie einen altertümlichen, klappbaren Holzliegestuhl, sonst hätte ich die vergangene Wahl niemals gewinnen können. Augenblicklich erschien ich mit Pauken und Posaunen und meinem beliebten, dreifach unverbindlichen Erfolgslächeln im Mittelkreis des Stadions. Die Verantwortlichen legten sofort ihren Trauerflor an. Ich war gut gelaunt. Ich sang mein schönstes Siegerlied. Als das Flutlicht eingeschaltet wurde, reichte man mir einen zusammen geknüllten Zettel. Es war die Stromrechnung. Sie erinnerte mich daran, dass ich nun alle vorher jemals gemachten Versprechungen sofort vergessen, löschen, ja komplett eliminieren musste. Feierlich schwor ich diesen heiligen Eid. Das Wahlvolk applaudierte. Dann gab es Freibier. Das Wahlvolk applaudierte wiederum. Das erstaunte mich als Profi selbstverständlich nicht. Es war eines dieser bereits erwähnten offenen Geheimnisse. Das Wahlvolk applaudierte immer, wenn es Freibier gab. Alles war gut gegangen, und ich war nun wieder ein ordentlich vereidigter Ministerpräsident.

      3

      Wenn es sich an dieser gerade erwähnten Stelle angehört hatte, als hätte ich nun mein Ziel erreicht, hätte ab jetzt frei gehabt und hätte aufatmen können, wie unter einem Vollkasko- Sauerstoffzelt, so täuschte dieser Eindruck sowohl die Öffentlichkeit als auch die Geheimheit. Jetzt ging es ja erst richtig los mit dem Regieren. Ich musste unbedingt meine gesamte Regierungsmannschaft über die neue Lage informieren. Ab sofort war nämlich Regierungsbeginn. Wie ich sie alle kannte, hatten sie bestimmt noch nichts von den sich überschlagenden Ereignissen mitbekommen, weil sie anderweitig beschäftigt waren. Leider wusste ich nicht wo. Es blieb mir nichts anderes übrig, als den Engländer einzuschalten und ihn zu beauftragen, das ganze Personal zu finden und her zu bringen. Tot oder lebendig. Er war der beste Spürhund weiter westlich.

      Während der sich nun daran machte, seine Mission zu erfüllen, blieb mir etwas Zeit, um ins Grübeln zu verfallen, einmal wegen meines Sommerurlaubs, und dann natürlich wegen der Regiererei. Da musste ich mir schnell irgendetwas Flottes ausdenken. Und das Ganze musste dann auch noch zu einer schönen Rede ans Wahlvolk aufgebacken werden. Zu tun gab es also mehr als genug. Ich brauchte dringend gute Leute. Ich brauchte ganz einfach einen zweiten Anzug auf der Ersatzbank.

      Als erste Maßnahme, um mich den vor mir liegenden Aufgaben nicht vorschnell zu nähern, nahm ich nicht nur ein ausgiebiges Fußbad, sondern steigerte den meditativen Schwierigkeitsgrad dieser Aktion, indem ich mir vornahm, nicht einmal an den uralten Guru und seine Gespielin zu denken. Es klappte ganz ausgezeichnet. Die ganze Zeit dachte ich nicht einmal daran, nein tausendmal oder nur ganz knapp darunter. Auch international wurde diesem Wert hohe Beachtung zuteil. Dadurch durfte ich mich aber auf keinen Fall von meinem Kurs abbringen lassen. Ich wusste, dass Regieren viel einfacher war, als es immer aussah. Meine erste Amtshandlung bestand nun darin, wieder sichtbar zu machen, dass ein Kreis eigentlich ein Quadrat war, manchmal sogar ein Quadrant, und dem Wahlvolk diese von interessierter Seite gerne verschwiegene Wahrheit mit schwierigen Fremdwörtern so genau zu erklären, dass es sie auf keinen Fall verstand.

      Das Ganze hörte sich schwierig an und war es auch. Denn keiner, auch kein Wahlvolk, gab gerne zu, falsch informiert gewesen zu sein. Ich musste ihm diese neue Realität des kreisrunden, quadratischen Quadranten also sehr vorsichtig, das heißt häppchenweise in seinen unrunden Kreislauf einträufeln, damit es sich nicht gleich schon erschreckte und weglief sondern erst danach, wenn die Häppchen drin waren. Am besten funktionierte das immer noch mit Märchen, die schafften Vertrauen.

      Es gab zwei Grundsätze, und beide waren wichtig, um mein Wahlvolk zu regieren. Ich hatte es ja zunächst mit gar keinem versucht, dann mit nur einem, aber das ging nicht. Dazu war das Wahlvolk einfach noch nicht weit genug. Um keinen Ärger zu kriegen, nahm ich also zwei Grundsätze und fasste sie zum besseren Verständnis in nur einer Doktrin zusammen. Was sich anhörte, wie eine Ersparnis um 50%, war tatsächlich eine Ersparnis um 50%, wie mir auch ein Gastronom nach robuster Bestellung gerne bestätigte. Für mich war das ein großes Glück. Denn nun musste ich der Doktrin nicht mehr einen so langen Namen geben, sondern konnte mir einen kürzeren ausdenken, einen um 50% kürzeren. Nach drei Übungseinheiten, in denen ich mir Tag und Nacht das Hirn blutig zerhackt hatte, was unerwartet schnell unappetitlich aussah, hatte ich den richtigen Namen gefunden und wunderte mich, dass ich nicht schon früher darauf gekommen war. Denn er war ganz einfach. Ich nannte die Doktrin kurz und bündig: „Doktrin der zwei Grundsätze, die beide wichtig sind, um das Wahlvolk zu regieren, weil es mit weniger Grundsätzen noch nicht auskommen kann.“

      Gleich beim Erscheinen dieser Doktrin war das Wahlvolk so erledigt, dass ich mir weitere Erläuterungen dazu ersparen konnte. Die dadurch gewonnene Zeit nutzte ich ökologisch unbedenklich so lange aus, bis endlich hinten etwas heraus kam. Es war eine weitere Doktrin. Eigentlich hätte ich sie nun einfach als „zweite Doktrin“ bezeichnen können, aber das war natürlich sehr unromantisch, und außerdem musste das Wahlvolk ja auch nicht alles so genau wissen, wie bereits näher erläutert. Nachher wurde es deswegen noch krank. Deshalb gab ich ihr den Namen: „Doktrin 1+1“. Das hörte sich gut an, so wie früher in der Grundschule beim Rechnen. Man vertraute mir wie einer Mutter. Dagegen gab es kein legales Mittel. Mit diesem alten Ministerpräsidententrick hatte ich es geschafft, die zweite Doktrin gekonnt zu verkleiden und unter falschen Vorstellungen durchzuwinken. Als ich danach noch das nun wehrlose Wahlvolk mit meiner dritten Doktrin konfrontierte, die ich, um es zu überfordern als „Dritte Doktrin“ bezeichnete, gab es auf und ging wieder arbeiten.

      4

      Ich war sehr stolz auf mich, denn ich beherrschte sie also noch, die alte Kunst des Regierens. So konnte ich mir die überteuerten, schamanischen Wochenendkurse zu ihrer Auffrischung sparen. Es hätte, was mich anging, somit gleich losgehen können mit der praktischen Regierungsarbeit, aber die Minister waren noch nicht da. Ich ließ mich mit dem Engländer verbinden. Er saß gerade bei meinem Friseur und ließ sich über den letzten Stand der Dinge informieren. Ich war zufrieden. Auf den Engländer konnte ich mich verlassen. Eines Tages, bevor ich ihn feuern würde, würde ich ihm noch den „Großen Spürhundorden im Schuhkarton“ leihen. So wie ich ihn kannte, würde er ihn aber niemals wieder zurück bringen. Er war mein bester Mann, doch das durfte ich nicht so laut sagen. Denn diese Information war top secret. Und damit war er ein ebenso überzeugendes As in meinem Ärmel wie die Sau es gewesen wäre, die aber leider dem Sarg den Vorzug vor meinem Ärmel gegeben hatte. Ich war mir sicher, dass die beiden sich dort nicht nur sehr gut verstanden hätten sondern auch ergänzt. Oder sogar noch mehr.

      Nach und nach trudelten alle, die sich für Minister oder Staatssekretäre hielten, in meinem Hobbykeller ein. Es waren lauter alte Freunde und Bekannte. Jeden Tag diese ganze Rasselbande mit ihren ungesunden, rotbackigen Gesichtern am Kabinettstisch mit offenen Augen schnarchen zu hören, das wäre eine schöne Sache gewesen, aber noch schöner wäre es natürlich für meine überstrapazierten Ohren gewesen, wenn sie alle weit weg auf dem Mond gesessen hätten. Ich entschied mich daher sofort für die noch schönere Sache und schickte sie alle auf den Mond zu meinem alten Freund MiM, der bekanntlich einst dahin ausgewandert war. (Vergleiche auch

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