Trilogie der reinen Unvernunft Bd. 2. Harald Hartmann

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Trilogie der reinen Unvernunft Bd. 2 - Harald Hartmann

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Lachen aus weiter Ferne erreichte mich. Ich spitzte meine abgerundeten Ohren. Es war das Lachen des doppelköpfigen Hamsters, meines alten Meisters, der mich beim Regieren beobachtet hatte. Er war also, genau wie ich, wieder unter den Lebenden, und ich überlegte, ob ich das ändern musste. Ich war schließlich der Regierende. Und da gab es nichts zu lachen. Für keinen. Und außerdem gab es für kaum etwas so viele Punkte beim Wahlvolk, wie wenn einer dem doppelköpfigen Hamster eins auswischte. Der Grund dafür lag in der schönen, unvergrauten, weiß gewaschenen Vorzeit, die dieser Nostalgiker unbedingt wieder einführen wollte. Er war einfach zu konservativ für das Wahlvolk, das am liebsten rudimentär dachte. Ich wusste das und nutzte dieses Wissen bedenkenlos aus, indem ich drohte, ihm das Ministerium für lockere Sitten zu übertragen. Augenblicklich erstarb das hämische Lachen des doppelköpfigen Hamsters und nicht nur das.

      9

      Mit meinem bis heute unerreichten, unsichtbaren Grinsen hinter den geschlossenen Lippen verließ ich das ostfriesische Gebirge und betete zu meinem ersten Schwiegervater, er möge meinem alten Meister, dem doppelköpfigen Hamster, einen seiner so liebevoll gezüchteten Fußpilze überlassen. Dann hätte der was Dauerhaftes, um das er sich jeden Tag kümmern konnte, und mich könnte er in Ruhe regieren lassen. Natürlich fehlten mir dazu immer noch die im Verborgenen hausenden Minister. Aber das Verborgene zu entborgen war bekanntlich eine Spezialität von mir. Ich war sogar berüchtigt dafür. Es war eine Leidenschaft, die mir das Blut in den Adern gefrieren ließ. Dieses gefrorene Blut verbarg ich aber geschickt vor den mich umlungernden Paparazzi mit Hilfe meiner undurchsichtigen Adern. Sie waren ein Geschenk der Zahnarztfrau.

      „Die undurchsichtigen Adern waren sicher sehr teuer“, hatte ich damals zu ihr gesagt.

      Sie aber hatte nur generös abgewinkt.

      „Das letzte Zahnfleisch hat keine Taschen“, hatte sie geantwortet.

      „Du weißt gar nicht, wie recht du hast“, hatte ich genickt.

      Realismus war immer schon ihre große Schwäche gewesen. Zum Beweis gewährte sie mir sogar noch mitleidlos einen tiefen Einblick in ihre verschiedenen Bankkonten. Sie waren alle sehr realistisch. In diesem Moment war ich ihr unendlich dankbar für die undurchsichtigen Adern. Ohne sie wäre ich den ganzen Nullen hinter den vor ihnen stehenden Nichtnullen hilflos ausgeliefert gewesen. Doch so konnte ich sie alle leicht in meiner Nase herum führen, ohne dass sie etwas Durchsichtiges entdecken konnten. Bei dieser cleveren Herumführung wendete ich eine bis jetzt noch nie erfolgreich gewesene Taktik an, weil das in höchstem Maße unverdächtig war. Dieses Mal würde ich der Taktik endlich zu dem Erfolg verhelfen, den ich brauchte.

      Dazu kaufte ich mir einen Teebeutel, neu und ungebraucht. Im Augenblick konnte ich mir einen solchen nämlich leisten, weil mein Gehalt gerade erst auf meinem Konto eingegangen war. Ich nutzte die Gunst der Stunde. Mit dem jungfräulichen Teebeutel über mein rechtes Ohr gehängt durchstreifte ich den freien Wald in tiefster Ekstase, bis ich das dürre, dünne Ästchen mit geschlossenen Augen fand, das ich gesucht hatte. Vorsichtig legte ich es mit seiner Mitte auf einen extrem wackeligen Beratervertrag. Dann hängte ich über das eine Ende des dürren, dünnen Ästchens den neuen und ungebrauchten Teebeutel und über das andere Ende den dicken, eisernen Schlüssel einer noch ungefundenen Tür. Warum in diesem Augenblick nicht alles zusammenbrach, wird ein ewiges Rätsel bleiben. Dem dürren, dünnen Ästchen war das völlig egal. Es drehte sich so lange wie eine Kompassnadel, bis es sich nicht mehr drehte auf diesem wackeligen Beratervertrag. Ich blickte den Teebeutel an. Er blickte mich an und nickte. Die Richtung, in die er nun zeigte, war die Richtung zum Verborgenen mit der ungefundenen Tür. Es war ein Ort mit dem Namen: Eben-Drumrum.

      Ich dachte nach, ob ich vielleicht noch so eben drumrum kommen konnte, aber der Ruf der Wildnis war stärker. In mir war der Gummibär erwacht. Er zerrte und zog nicht nur an meinen Extremitäten sondern auch so tüchtig an meinen verborgenen Intimitäten, dass sie bald so lang waren wie die erotisch im Fahrtwind wehenden Haare des Rollstuhlfahrers. Trotz meines in höchsten Tönen gesungenen Liedes vom guten Gummibären, damit er nicht so heftig zerrte, kannte der aber keine Kompromisse. Er machte so lange weiter mit seiner Behandlung, bis ich heiser wurde und meinen Gesang notgedrungen beendete. Da konnte ich endlich den vertrauten Straßenlärm wieder hören. Dankbar für seine Maßnahme biss ich ihm tief ins Bärengummi.

      Doch als Ministerpräsident durfte ich mich nicht nur auf meine Ohren verlassen. Man hatte mich ja auch wegen meiner adlerscharfen Augen gewählt, die ich aber aus ekstatischen Gründen immer noch geschlossen hielt. Ich entschied mich also nach ausgiebiger Analyse aller mir zur Verfügung stehenden Daten, die Lider dieser absoluten Premiumprodukte demnächst wieder aufzuschlagen, aber der Gummibär war schneller. Er öffnete meine blond gefärbten Augenlider mit einem modernen Augenöffner, ein weiterer großartiger Service von ihm, den ich uneingeschränkt weiter empfehlen konnte. Ich erkannte sofort, dass damit das Arbeitsfeld der Gummibären ins schier Bodenlose gewachsen war und die Kosten für ihre Weiterbildung gar nicht hoch genug geschätzt werden konnten. Trotzdem würde ich den Versuch einer solchen Kostenschätzung unternehmen mit Hilfe eines dieser noch flüchtigen Minister oder auch Staatssekretäre, sobald ich sie eingesammelt hatte. Heiße Eisen anpacken, so wie dieses, waren ein guter Test. Wer sich die Finger daran nicht verbrannte, gehörte einfach nicht in meine Regierungsmannschaft. Solche Leute gehörten in die Küche.

      „Die Augen sind geöffnet,“ sagte der Gummibär seine magische Formel, „meine Aufgabe ist damit erfüllt.“

      Vor mir und meinen wieder geöffneten Augen erhob sich ein Ortseingangsschild. Es war das stolzeste Ortseingangsschild, das ein menschliches Auge wohl je erblickt hatte.

      „Ebendrumrum, Ortsteil Eben“, las ich laut vor.

      „Ganz genau“, sagte der Gummibär.

      „Warum kommst du nicht mit?“ fragte ich ihn.

      „Ich habe noch einen Termin beim Zahnarzt“, log er mir vor.

      „Ich bei meiner Fußpflegerin“, sagte ich wahrheitsgemäß.

      Er war ein schlechter Lügner. Lange hatte ich nach einem solch schlechten Lügner gesucht. Er war ein Talent, wie man es nur ganz selten trifft. Ein Jahrhunderttalent. Der Gummibär war genau der Richtige für meine Regierungsmannschaft. Ich war sehr zufrieden, zeigte es ihm aber aus finanziellen Erwägungen nicht, sondern machte einen abschließenden Test und ließ mir seine Telefonnummer geben. Die war auch gelogen. Damit hatte er den härtesten nur möglichen Stresstest bravourös gemeistert.

      10

      Ich passierte das Ortsschild und betrat den Ortsteil Eben. Im gleichen Moment war ich wieder allein. Der Gummibär hatte es noch so eben nach Drumrum geschafft. Er war wirklich ein guter Mann und überdies ausgestattet mit der überragenden Technik eines modernen Maulwurfs. Ich holte mein berüchtigtes Notizbuch hervor und notierte. Er hatte es wirklich verdient, notiert zu werden. Ich setzte meinen schärfsten Kanarienvogel auf ihn an. Er durfte ihn auf keinen Fall aus den Augen verlieren. Eines Tages würde ich ihm nämlich ein Angebot unterbreiten, dass er am liebsten ablehnen würde. Aber davon sagte ich dem Kanarienvogel natürlich nichts. Scharfe Kanarienvögel waren oft knapp bei Kasse. Bei denen wusste man nie. Die kamen manchmal auf ganz komische Ideen. Außerdem hatten sie einfach keine Ahnung davon, wie man vertrocknete Zahnpasta am besten aus der Tube drückte. Mehr musste ich in diesem Fall wohl nicht sagen.

      Der Ortsteil Eben war zu meiner Überraschung völlig eben und kein bißchen hügelig, wie immer behauptet worden ist. Da steckte bestimmt jemand dahinter oder möglicherweise auch irgendjemand. Im Augenblick hatte ich aber keine Zeit, mich um die genauen Details

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