7 Monate Herbstgefühle. Anke-Larissa Ahlgrimm
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„Reg dich ab“, sagte dieser nämlich und steckte seine Hände demonstrativ in seine Kitteltaschen. „Ich habe auch meine Prioritäten.“
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„Er hat mich die ganze Schicht lang genervt. Es war schrecklich“, jammerte ich, als ich mich zu Lilacs Teller herüber beugte, um ihr zu helfen ihre Spaghetti klein zu schneiden. Sie hatte darauf bestanden am Kopfende des Tisches zu sitzen und zwar auf der Seite neben mir und Nala.
„Arme Rubie. Den ganzen Tag wurde sie von einem attraktiven Mann gejagt.“ Gespielt mitleidig schob Nala ihre Unterlippe vor und sah mich über den Rand ihrer Brille an.
„Das ist es ja nicht“, lachte ich und würde ich neben ihr sitzen, hätte ich sie längst sanft geschlagen. „Normalerweise freue ich mich doch über die Aufmerksamkeit von attraktiven Männern, aber Leo … er ist besonders.“
„Na das hört man doch gerne“, ertönte Havens Stimme neben mir und schlagartig wurde mir seine Anwesenheit wieder bewusst. Ich verzog mein Gesicht und beugte mich sofort zu Haven, um ihm einen Kuss auf die Wange zu geben.
„So meine ich das doch gar nicht, chouchou“, seufzte ich und lehnte meine Nase an seinen Wangenknochen. Lange dauerte es nicht, bis Haven wieder lächelte und ich schmunzelnd meine Lippen auf seine presste. „Leo ist eine Nervensäge, ein Kind. Was will ich mit ihm, wenn ich dich habe?“
„Gute Antwort, Rubie, gute Antwort“, sagte Havens Schwester, die gleich neben Nala saß und mich breit angrinste. Jada war wirklich zu ihrem Freund nach Boston gezogen, so wie Haven es vorausgesagt hatte. Ich merkte Haven an, wie sehr er Jada vermisste, schließlich hatten sie sich die letzten 25 Jahre fast durchgängig gesehen.
„Also, Jada. Du wohnst jetzt in Boston?“, fragte Nala neugierig und griff nach ihrem Glas. Ich war froh, dass Nala und Jada so gut miteinander auskamen. Sie waren sich verdammt ähnlich, weswegen ich schon eine Freundschaft vorhersah. „Wie ist es denn so da oben?“
„Fantastisch“, grinste Jada. „Ich weiß nicht, ob Rubie es dir erzählt hat, aber ich bin ja schon vor drei Wochen zu Adam gezogen. Ich bin immer noch dabei mich an die andere Stadt zu gewöhnen, aber so langsam kenne ich mich aus. Wenn ich sonst Adam besucht hatte, musste ich ja nie viel durch die Stadt, weswegen ich davor wirklich keinen Plan von irgendwas hatte. Und ich sage euch: Mit Adam zusammenzuleben ist so … einfach. Mir war nie bewusst, wie gut unsere Morgenroutinen zusammenpassen oder wie gut uns diese Zweisamkeit tut. Nichts gegen dich Haven, ich liebe dich und Lilac wirklich sehr, aber … Ich bin jetzt bald 28 Jahre alt, es wird Zeit, dass ich mich niederlasse. Und nicht in der Wohnung meines Bruders.“ Ich sah zu meinem Freund, welcher wissend lächelte. Wir beide hatten bereits ein Gespräch über dieses Thema gehabt, in welchem Haven erwähnt hatte, dass er dankbar war, für alle Jahre die Jada bei ihm geblieben war. Und ich war es auch. Jemand hatte ja auf Haven aufpassen und ihm, wenn notwendig, einen Klapps auf den Hinterkopf geben müssen.
„Ich freue mich für dich“, sagte der Lockenkopf ehrlich und beugte sich leicht über den Tisch, um Jadas Schulter zu streichen. Mit meinen Fingern tätschelte ich ebenfalls Havens Bein, um ihm zu zeigen, dass ich bei ihm war. Er sollte wissen, dass er nicht alleine war ohne Jada. Er hatte mich, er hatte Lilac und noch viele Freunde, die ich nicht mal alle kannte.
„Ich mich doch auch für dich.“ Jada deutete erst auf Haven und mich und dann warf sie noch Lilac einen langen Blick zu. Das Mädchen war vollkommen auf ihr Essen konzentriert. Man könnte meinen, sie bekam bei uns sonst nichts. „Ihr könnt euch endlich ein Zuhause erschaffen. So wie ihr es schon immer wolltet. Das habt ihr verdient.“
Ich spürte, wie mir die Hitze in die Wangen stieg und senkte verlegen den Blick. Die Worte schon immer hallten in meinem Kopf nach. Ja, vielleicht wollte ich schon immer mit Haven ein Leben führen. Allerdings hatte ich als Kind ganz andere Gründe dafür gehabt. Das ließ sich nicht mit heute vergleichen – eigentlich.
„Wo wir schon davon reden“, setzte Nala plötzlich an. In ihren Augen erkannte ich das freche Funkeln, dass sie schon in der Schule bekam, bevor sie irgendetwas vorschlug. Normalerweise hatte dieses irgendetwas uns in Schwierigkeiten gebracht, weswegen ich nun etwas skeptisch war. „Wann hattet ihr beide eigentlich das letzte Mal einen Abend zu zweit?“
Ich atmete erleichtert aus. Es war kein Diebstahl geplant und Nala wollte auch nicht auf das Empire State Building klettern. Vielleicht würde sie ja doch langsam erwachsen werden. Vielleicht aber auch nicht.
„Ich weiß nicht“, antwortete ich letztlich achselzuckend. „Aber ich glaube, wir haben das auch gar nicht so nötig.“ Ich sah fragend zu meinem Freund, welcher zustimmend nickte. Es stimmte schon das wir selten ein Date gehabt hatten, bei dem Lilac nicht dabei gewesen war. Allerdings mochte ich den kleinen Sonnenschein und ihre Anwesenheit störte mich nicht.
„Oh doch“, unterbrach Nala meinen Gedankengang. Ihr strenger Blick konnte wohl eine ganze Horde Kinder still kriegen. „Ihr beide braucht das. Wie wäre es, wenn ich Lilac nächste Woche von der Schule abhole und sie dann bei uns übernachtet?“
„Ich weiß nicht“, sagte Haven zögernd und wir sahen zu seiner Tochter, welche immer noch nur Augen für ihre Spaghetti zu haben schien. Dass man mittlerweile über sie sprach, schien ihr egal zu sein.
Nala stupste Lilac an die Schulter. „Wie fändest du das, Lilac? Eine Übernachtungsparty bei mir und meiner Mitbewohnerin?“
Lilac schien für einige Sekunden zu überlegen, bevor sie enthusiastisch nickte und meiner besten Freundin ein breites Lächeln schenkte. „Schauen wir auch Disney Filme?“
„So viele du willst.“
„Auch König der Löwen? Da heißt ein Löwe wie du.“ Schmunzelnd beobachtete ich, wie Lilacs blaue Augen noch größer wurden, als Nala daraufhin nickte. Plötzlich war ihr Essen gar nicht mehr so interessant und sie wandte sich an ihren Vater. „Darf ich, Daddy? Bitte?“
Lilac schob schmollend ihre Unterlippe vor und blinzelte Haven lieb an. Haven stieß ein tiefes Seufzen aus. Er wusste, er konnte nicht nein sagen.
IV
[5. September, 2016]
Mit einem leisen Klirren ließ ich meine Schlüssel in die grüne Keramikschale auf der Kommode im Flur fallen. Es war still in der Wohnung, was mich nicht sonderlich überraschte. Haven war noch auf Arbeit und Lilac verbrachte die Zeit nach der Schule bei ihrer Freundin, bis Haven sie abholte, weswegen ich noch ein bisschen Zeit für mich hatte. Es war gerade einmal später Nachmittag – ich hatte etwas früher gehen können –, deshalb entschied ich mich für eine Dusche. Manchmal duschte ich schon im Krankenhaus, allerdings waren die Duschen dort so klein und eng, dass selbst ich Klaustrophobie bekam.
Ich stellte also meine Tasche ab und begab mich ins Badezimmer. Ich schlüpfte aus meiner Kleidung, welche ich gleich in den Wäschekorb warf, legte mir ein Handtuch hin, schaltete die Dusche ein und stieg unter das prasselnde Wasser. Es dauerte einen Moment, bevor es die gewünschte Temperatur erreicht hatte, allerdings machte es mir nichts aus, auch mal unter dem kalten Wasser zu stehen. Während mir der Duft von meinem Aprikosen-Shampoo in die Nase stieg, summte ich leise ‚Jingle Bells‘ vor mich hin. Heute war kein zu stressiger