7 Monate Herbstgefühle. Anke-Larissa Ahlgrimm
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„Du hast noch eine halbe Stunde, Rubie“, sagte Debbie ruhig, nachdem sie auf ihre Armbanduhr gesehen hatte. „Kein Grund zur Panik. Iss noch schnell ein bisschen Suppe und dann gehst du duschen, okay?“ Ich nickte eilig, antwortete jedoch nicht mehr, da ich mir bereits meine Suppe in den Mund schaufelte. Es war mir egal, dass ich mir meine Zunge verbrannte. Ich stand unter Zeitdruck und war kurz davor durchzudrehen. Mein Unterbewusstsein redete mir Mut ein und ich versuchte verzweifelt, so ruhig wie möglich zu bleiben. Eine halbe Stunde war genug Zeit. Ich würde das schaffen.
Ein paar Minuten später war mein Teller halbwegs leer und auch Debbie hatte sich beeilt mit ihrem Salat, sodass sie mir jetzt zu den Duschen folgen konnte.
„Ich kann mich alleine duschen, Debs“, lachte ich und hielt sie davon ab mit in das kleine Bad zu gehen, das nur für Ärzte und Krankenschwester gedacht war. Die Rothaarige rollte lächelnd mit den Augen und setzte sich auf ein Sofa in dem Gemeinschaftsraum, der an das Bad angrenzte.
„Ich bin nur hier, falls es einen Notfall gibt.“ Schmunzelnd nickte ich ihr zu und schloss die Tür hinter mir. Eilig schaltete ich schon mal die Dusche an, damit das Wasser warm wurde und schlüpfte dann aus meiner Kleidung. Es waren gerade mal fünf Minuten vergangen, als Debbie wie verrückt gegen die Tür klopfte.
Es gab wirklich einen Notfall. Nur nicht im Badezimmer, sondern stattdessen in der Notaufnahme.
Merde.
∞
Mit geschlossenen Augen lehnte ich mich an die Wand des Aufzugs in unserem Wohnkomplex. Ich fühlte mich einfach nur ausgelaugt. Es kam mir vor, als ob mir jemand meine ganze Energie abgezapft hätte. Ich öffnete meine Augen, um mich im Spiegel, der eine Wand des Fahrstuhls ausmachte, zu betrachten. Mein blondes Haar war, nachdem ich mehr oder weniger aus der Dusche gerissen worden war, an der Luft getrocknet und in einem unordentlichen Zopf zusammengebunden. Hoffentlich würde ich morgen früh die Knoten aus den Strähnen kämmen können. Das blaue Kleid, das ich trug, sah nicht mehr so fabelhaft aus, wie sonst. Vielleicht lag das aber auch an meinem erschöpften Gesichtsausdruck.
Es war ein Öl-Laster in einen Schulbus gekracht und dann explodiert. Nicht nur die Kinder im Bus waren schwer verletzt worden, auch die umstehenden Autos hatten Schaden davon getragen. In der Notaufnahme war die Hölle los gewesen. Alle Patienten, die davor dort gewesen waren, mussten woanders hingebracht werden, damit wir mehr Platz hatten. Eigentlich hatte ich mit Rae und Debbie ausgemacht, dass ich zwei Stunden früher meine Schicht beendete, um nach Hause zu fahren. Daraus wurde nichts, stattdessen blieb ich sogar noch eine Stunde länger als meine Schicht gehen würde. Ich konnte einfach nicht gehen. Die Eltern der Kinder konnten nicht alle sofort kommen und die Kleinen hatten große Angst. Also blieb ich bei ihnen, versuchte ihnen die Schmerzen so gut es ging zu nehmen und lenkte sie ab. Viele fragten nach ihren Klassenkameraden, die es viel schlimmer erwischt hatte und die mehrere Operationen vor sich hatten. Die meiste Zeit wechselte ich das Thema. Ich wusste, dass einige Kinder ihr Leben verloren hatten und ich wollte nicht, dass sie das es von mir erfuhren.
In der Wohnung war es still, als ich die Tür aufschloss und eintrat. Die Lichter waren zwar an, jedoch konnte ich nicht hören, wo sich Haven wohlmöglich befand. Mit einem Seufzen schlüpfe ich aus meinen Schuhen. Ich wollte nicht daran denken, was gleich auf mich zukommen würde. Ich würde Haven beibringen müssen, dass ich ganz sicher nicht mehr mit ihm essen konnte. Ich wollte einfach nur noch unter die Bettdecke kriechen und schlafen.
„Haven?“, rief ich leise, sobald ich in die Küche trat. Der Anblick vom Küchentisch schmerzte in meiner Brust. Er war wunderschön gedeckt, mit roten Tischdecken, einer Blumenvase und Kerzen. Und darauf würde ich mehr oder weniger verzichten müssen.
„Hey Bee.“ Mein Blick wandte sich zu Haven, welcher gerade hinter mir auftauchte. Seine Locken standen ihm wild vom Kopf ab und seine Augen sahen unwahrscheinlich müde aus.
„Tut mir leid, dass es so spät geworden ist“, sagte ich leise und stellte mich auf die Zehenspitzen, um Haven zu umarmen. „Ich hab dir eine Nachricht geschrieben, aber –“
Haven verzog sein Gesicht und küsste meine Stirn. „Ich hab nicht drauf geschaut, Entschuldigung.“ Für einen Moment blieben wir in unserer Umarmung stehen und sahen uns nachdenklich an. Vermutlich war dies der Zeitpunkt, wo ich ihm sagte, dass ich hundemüde war.
„Haven, ich schaff das heute nicht mehr.“
„Ich bin echt fertig, Bee.“
Haven und ich hatten gleichzeitig angefangen zu reden und ich konnte mir daraufhin ein Lächeln nicht verkneifen. Ich deutete ihm mit einer Handgeste an, dass er zuerst reden durfte.
„Mein Tag war einfach nur stressig. Erst hat mich mein Boss durch die Stadt gejagt, nur damit wir einen Kunden nicht verlieren und dann hat Lilacs Schule angerufen, weil sie sich übergeben hat. Also hab ich sie abgeholt und nach Hause gebracht. Als ich sie dann aber später zu Nala bringen wollte, hat sie sich gewehrt. Sie hat geschrien und geweint und mich angefleht, dass ich bei ihr bleibe.“ Bei der Erinnerung stieß Haven ein Seufzen aus und fuhr sich über das Gesicht. „Aber wir haben uns ja so über diesen Abend gefreut und ich wusste, dass sie bei Nala gut aufgehoben ist. Kaum war Lilac also bei deiner Freundin, hat mein Boss wieder angerufen und … um ehrlich zu sein, habe ich noch nicht mal was gekocht, sondern nur den Tisch gedeckt.“ Ein kleines Lächeln umspielte Havens Lippen und ich musste über seine letzten Worte lachen. Das sah meinem Freund irgendwie ähnlich.
„Wir hatten einen Notfall im Krankenhaus. Viel zu viele Verletzte“, erklärte ich knapp und schenkte Haven ein aufgezwungenes Lächeln. „Aber du weißt, dass es nicht schlimm gewesen wäre, wenn wir den Abend mit Lilac verbracht hätten.“ Nickend küsste Haven meine Lippen und führte mich dann ein paar Schritte weiter in die Küche.
„Möchtest du irgendetwas essen? Ich könnte uns schnell ein Sandwich machen“, schlug Haven vor, doch ich schüttelte lächelnd meinen Kopf. Ich hatte während der Zugfahrt bereits einen billigen Obstsalat vom Bahnhof gegessen, damit ich nicht vom Fleisch fiel.
„Eigentlich möchte ich mich nur noch aufs Ohr hauen. Oder würde dir das etwas ausmachen?“
„Schlafen klingt fantastisch“, grinste Haven und nahm meine Hand in seine, um mich ins Schlafzimmer zu ziehen. In diesem Moment war mir auch egal, dass ich mich eigentlich abschminken sollte – auch wenn ich das am nächsten Morgen bereuen würde. „Jetzt hast du dieses schöne Kleid ganz umsonst getragen.“
Lachend schob ich die Träger von meinen Schultern und zwinkerte meinem Freund zu. „Du hast mich doch trotzdem darin gesehen.“ Wir schlüpften beide aus unserer Kleidung und ich zog mir dann ein altes Shirt zum Schlafen über. Kaum hatte ich mich auf der Matratze niedergelassen, ließ die Erschöpfung nach. Ich war endlich angekommen. Als ich dann auch noch in Havens Armen lag und wir unsere Beine unter der Decke verknoteten, machte es mir gar nichts mehr aus, dass wir kein schickes Abendessen hatten. Wir hatten das hier.
„Je t’aime, Bee“, flüsterte Haven in mein Haar und entlockte mir ein breites Lächeln. Immer wieder aufs Neue kamen Glücksgefühle auf, wenn er diese Worte sagte. Er hatte es sich angewöhnt sie auf Französisch zu sagen. Er tat es nicht immer, aber wenn, dann machte es mich umso glücklicher.
„Ich liebe dich“, erwiderte ich und malte mit meinen Fingern Kreise auf seine Brust. Haven summte leise und küsste meine Stirn. Ich wünschte, wir könnten diesen Moment einfrieren und für immer in ihm leben.
„Sag mal, hast du nur ein Bein rasiert?“ fragte Haven