DER KELTISCHE FLUCH. Christoph Hochberger

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DER KELTISCHE FLUCH - Christoph Hochberger

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Er sah sich einen Augenblick lang verwundert um, ganz so, als wüsste er nicht, wo er sich befand, dann sah er auf die Opfergegenstände nieder, die vor ihm lagen. Sofort legte sich starre Konzentration auf seine Züge und vertrieb die Leere, die noch eben sein Gesicht beherrscht hatte. Er nahm den Schädel des Hirsches an beiden Geweihenden auf und hob ihn vor sein Gesicht. Er starrte in die toten Augen des Tieres und begann leise vor sich hinzusummen.

      Toromic lief ein ehrfürchtiger Schauer über den Rücken. Wieder einmal sah er in Tarcic nicht mehr seinen Bruder, sondern nur noch den Seher des Clans - einen Mann, der Verbindung mit den Göttern aufzunehmen verstand, einen heiligen Mann.

      Tarcic hatte sich inzwischen in Trance gesteigert. Sein Körper war schweißüberströmt, und während er, kopfnickend und einen monotonen Singsang intonierend, den Schädel des Tieres vor sich auf- und abschwenkte, zitterte sein Oberkörper so stark, dass es aussah, als leide er unter schlimmen Schmerzen. Dann ließ er den Schädel mit einer Hand los und hob mit der freigewordenen das blutige Herz des Tieres vom Boden auf. Er schwenkte die beiden Beschwörungsgegenstände hin und her, während sein Gesang anschwoll.

      Plötzlich blieb er stehen, verharrte still und hielt den Kopf gesenkt, als würde er angestrengt lauschen. Schließlich legte er Schädel und Herz nebeneinander auf den Boden und nahm den Opferdolch auf. Mit einer raschen Bewegung setzte er einen tiefen Schnitt an seinem linken Unterarm und rieb sich Gesicht, Hals und Brust mit dem eigenen Blut ein, dann beugte er sich zu dem Tierschädel hinab und ließ sein Blut, mit ausgestrecktem Arm, auf diesen heruntertropfen.

      Die Menge raunte ehrfürchtig.

      Der Seher nahm das Herz des Hirsches, schnitt es auf und rieb sich mit dem geronnenen Blut des Tieres ein. Die Verbindung mit der Anderswelt und Cernunnos, dem Hirschgeweih bewehrten Gott der Wälder, musste nun vollkommen sein.

      Tarcic begann laut singend zu tanzen, wobei er seinen Körper auf- und ab wiegte. Schweiß troff von seinem Schädel und verband sich mit dem Blut des Tieres, was seinen besudelten Leib im Schein des Feuers wie einen Dämon aussehen ließ. Für die Clanangehörigen wurde er zu einer magischen Gestalt.

      Einige der Anwesenden waren ebenfalls in Trance gefallen, summten mit und wiegten sich zum Takt seiner stampfenden Füße. Andere schlugen im Rhythmus seines Gesanges auf ihre Waffen oder auf kleine, lederüberzogene Festtrommeln. Der ganze Clan war in heilige Erregung versetzt. Ob Krieger, Weib oder Sklave, alle fühlten sich ihren Göttern nahe. Boudina fühlte sich wie in einem Traum. Alles um sie herum war unwirklich.

      Der Tanz des Vates war nun nicht mehr weit von Raserei entfernt. Tarcic vollführte wilde Sprünge, rannte umher und stieß laute Schreie aus, bis sich auch die übrigen Clanangehörigen mitreißen ließen. Die Krieger sprangen auf, brachen in Gebrüll aus und schlossen sich seinem Tanz an.

      Selbst Toromic und die Edlen gaben nun ihre Zurückhaltung auf: auch sie schwangen ihre Waffen, brüllten, sangen und tanzten mit den übrigen Clanangehörigen.

      Das Versammlungshaus wurde zu einem brodelnden Kessel, der jeden Moment überzulaufen drohte. Ohrenbetäubender Lärm schallte in die Nacht hinaus.

      Tarcic hatte den Höhepunkt erreicht. Er vollführte noch eine letzte Drehung und warf dann die Runen, welche er in den letzten Augenblicken des Tanzes aus dem Beutel geholt hatte, vor sich auf den Boden. Keuchend stand er da und starrte auf das Ergebnis seines ersten Wurfes - dann brach er in die Knie.

      Die Clanangehörigen waren, wie auf Befehl, still geworden.

      Eben noch hatten sie sich gefühlt, als verkörperten sie die Wut ihrer Götter, waren der Welt entrückt gewesen und hatten nichts als völlige Freiheit empfunden, doch nun setzten sie sich schweißüberströmt und schwer keuchend nieder, um den Höhepunkt der Zeremonie nicht zu stören.

      Tarcic besah sich die Lage der Knochenstücke eingehend. Er brummte unwillig, nahm die Runen abermals auf und warf sie ein zweites Mal. Wieder starrte er eine Weile konzentriert auf sie hinab. Als er sie unter Kopfschütteln ein drittes Mal vom Boden aufhob, ging ein angespanntes Raunen durch den Saal. So oft sollten die Runen nicht geworfen werden, das wussten alle. Wenn der heilige Mann sie mehr als zweimal werfen musste, ohne genaue Erkenntnis über zukünftige oder vergangene Ereignisse zu erlangen, so war das ein schlechtes Zeichen.

      Tomoric war unruhig. Er hatte während der Extase des Tanzes seine Nervosität vergessen, doch nun befiel sie ihn abermals. Auch Borix und Turumir fühlten es und versuchten die Aufmerksamkeit ihres Häuptlings zu erlangen, doch Toromic gab ihnen Zeichen, still zu sein. Er war zu sehr mit dem Geschehen beschäftigt, das sich vor seinen Augen abspielte.

      Tarcic warf die Runen ein drittes Mal.

      Während atemlose Stille eintrat - eine Stille, in der man glaubte, die Stimmen der Geister durch das große Rund des Versammlungshauses wispern zu hören - beugte er sich vor und studierte die Lage der Knochenstücke von neuem.

      Plötzlich erstarrte er. Seine Augen weiteten sich in ungläubigem Schrecken, und der Opferdolch entfiel seiner kraftlos gewordenen Hand. Ein heiseres Röcheln entrang sich seiner Kehle.

      Es klang, als würge ihm jemand gewaltsam die Luft ab. Wankend und mit weit aufgerissenen Augen drehte sich Tarcic zur Menge um und schüttelte wieder und wieder den Kopf, als könne er nicht glauben, was er gesehen hatte. Dann brach er zusammen.

      Toromic sprang auf und brüllte seine Männer an, seinem Bruder zu helfen. Wildes Durcheinander setzte ein: Die Frauen klagten, die Kinder schrien, und die Edlen und Krieger brüllten durcheinander.

      „Borix, Turumir, helft mir“, rief Toromic, während er auf Tarcic zulief. „Cassatr, Beluc, holt Felle, damit wir ihn weich lagern können!“

      Als er Tarcic erreichte, sah Toromic mit Schrecken, dass dessen Augen ins Leere starrten. Speichel lief aus den Mundwinkeln des Sehers. Schreckliche Angst befiel den Häuptling der Selgovater. Was ging hier vor?

      „Was ist zu tun, mein Ri?“ fragte Turumir. „Er liegt da wie ein Opferlamm.“

      Toromic war kreidebleich. „Schickt die Weiber und Kinder fort, und auch die Unfreien und Sklaven“, sagte er, während er auf Tarcic niederstarrte. In seinem Kopf arbeitete es fieberhaft.

      „Mein Ri?“

      Toromic blickte auf. Seine Männer standen um ihn herum und sahen ihn erwartungsvoll an.

      „Was sollen wir tun?“ fragte Turumir noch einmal.

      Toromic schluckte. Er musste sich zusammenreißen. Wenn er jetzt Schwäche zeigte, dann hatten die Götter ihren Willen erreicht, indem sie ihn zwangen, vor lauter Furcht sein Geheimnis vor den Männern preiszugeben. Nein, solange seine Tat nicht bekannt war, würde er versuchen, den Schein aufrechtzuerhalten.

      „Bringt ihn zu seiner Hütte, ich werde inzwischen zu den Kriegern sprechen“, antwortete er mit brüchiger Stimme. Während sich seine Männer daran machten, den Befehl auszuführen, betrachtete er noch einmal das Gesicht seines Bruders: Sein Geist musste weit fort sein, so leer war Tarcics Blick. Er würde in der nächsten Zeit nicht reden können. Toromic zitterte innerlich. Er musste zu Shana, sich Rat holen.

      Cassatr und Beluc kamen mit den geforderten Fellen herbei. Sie wickelten Tarcic darin ein, dann hoben sie, unterstützt von Turumir und weiteren Kriegern, den Ohnmächtigen an und trugen ihn, von Toromics Gefolge umringt, aus dem Versammlungshaus.

      Nachdem die Gruppe verschwunden war, wandte sich Toromic der verbliebenen Kriegerschaft zu. Obwohl es sich keiner der Männer anmerken lassen

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