Zwielicht 11. Michael Schmidt

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Zwielicht 11 - Michael Schmidt

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      Ich wünsche viele wohlige Schauer bei der Lektüre und freue mich auf ein Wiedertreffen im Herbst, wenn Zwielicht 12 auf der Agenda steht.

      Mit dunklen Grüßen

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       Geschichten

      „Und das ist tatsächlich eine Erstpressung?“

      „Das sagte ich doch.“

      „Und Sie wollen wirklich nicht mehr als hundert Euro dafür?“

      „Hundert Euro und sie gehört Ihnen.“

      „Ich kann das gar nicht glauben“, sagte Simon und suchte in Gedanken den Haken an der Sache. Das Inserat war zu verlockend gewesen und das anschließende Telefonat mit dem Verkäufer kurz und unkompliziert verlaufen. Jetzt saß er in Heinrich Kinds stickigem Wohnzimmer, wenn man den chaotischen, mit vollgestopften Bücherregalen zugestellten Raum als solches bezeichnen wollte.

      Die Schallplatte lag vor ihm auf dem unordentlichen Tisch, auf dem sich Gläser, Teller, Zeitungen und Bücher gegenseitig den Platz streitig machten. Gehüllt in eine schlichte schwarze Papphülle ohne jegliches Cover sollte sich darin ein wahrer Schatz verbergen. Das war zu schön um wahr zu sein. Irgendetwas daran war nicht ganz koscher. Bei dem Preis. Wer verkaufte denn bitte eine Erstpressung von Led Zeppelins viertem Album aus dem Jahre 1971 für einen schlappen Hunderter? Garantiert handelte es sich um Betrug.

      Der alte Herr im Sessel gegenüber allerdings machte einen sehr ernsthaften, wenn auch merkwürdigen Eindruck. Die ergrauten Haare standen dem seltsamen Kauz zu allen Seiten des Kopfs ab, das Gesicht hatte schon seit längerem keinen Rasierer mehr gesehen und die Füße steckten in altmodischen, abgewetzten Pantoffeln. Dazu trug er einen schmuddeligen Frotteebademantel über einem Unterhemd, das seine besten Zeiten schon lange hinter sich hatte. Der Mann roch seltsam. Vielleicht ging das aber von der Wohnung aus, die schon längere Zeit nicht mehr gelüftet worden war. Doch all das konnte täuschen. Vielleicht war Heinrich Kind sich des Wertes seines Besitzes einfach nicht bewusst, dachte Simon, doch irgendwie erschien ihm das unwahrscheinlich. Der stechende Blick des Alten durchbohrte ihn und Simon fühlte sich unbehaglich.

      „Ich muss ehrlich sagen, dass ich bei Ihrer Anzeige stutzig geworden bin. So ein geringer Preis für eine Erstpressung ist äußerst ungewöhnlich.“ Simon vermied bewusst das Wort „verdächtig“. Einen Plattenspieler, das war ihm schon kurz nach Betreten der Wohnung aufgefallen, konnte er nirgends entdecken. Eigentlich deutete gar nichts darauf hin, dass er es hier mit einem Musikliebhaber zu tun hatte.

      „Ist sie denn überhaupt abspielbar?“

      Der Alte beugte sich vor und sah Simon angriffslustig an.

      „Und ob sie das ist, junger Mann. Und ob sie das ist“, antwortete er mit krächzender Stimme und schob ein schauriges Lachen hinterher, das in einen trockenen Hustenanfall mündete.

      Kratz mir bloß nicht hier ab, dachte Simon, der seine Entscheidung, auf das Inserat zu antworten, mit jeder Sekunde in der engen Wohnung mehr und mehr bereute. Der Hustenanfall klang ab und der Alte nahm einen kräftigen Schluck Rotwein aus einem schäbigen Glas. Es war erst halb Zwölf am Vormittag und die Flasche schon zur Hälfte geleert.

      „Okay“, gab Simon unsicher von sich. Die Sekunden dehnten sich. „Darf ich mir die Platte mal anschauen?“, fragte er schließlich.

      „Nur zu“, sagte der Mann, während er sein Glas auffüllte. Hinter ihm in einer Ecke tickte laut eine alte Standuhr, wie Simon sie aus alten Horrorfilmen der Hammer-Studios kannte.

      Er holte aus seiner Jackentasche ein paar einfache weiße Stoffhandschuhe hervor und streifte sie über. Der Alte beobachtete ihn argwöhnisch. „Das ist nur eine Vorsichtsmaßnahme“, sagte Simon. „Damit ich das gute Stück nicht beschmutze oder beschädige.“

      „Das ist mir klar“, antwortete der Mann ohne seinen Gast aus den Augen zu lassen.

      Was für ein Freak, dachte Simon und nahm das Album vom Tisch. Der Karton wies einige abgenutzte Stoßkanten, oberflächliche Kratzer und Lagerungsspuren auf, aber sonst war er tadellos. Es überraschte Simon, wie schwer die Schallplatte in seinen Händen wog.

      „Ist das 180-Gramm-Vinyl?“

      „Was weiß ich“, gab der Alte barsch zurück.

      Idiot, schimpfte sich Simon selbst. Warum halte ich nicht einfach meinen Mund?

      Simon kippte die Hülle leicht ab und ließ die dünne, ungefütterte Innenhülle mit einer geübten Bewegung in seine rechte Hand rutschen. Sie musste einst weiß gewesen sein, doch nun von einer ungesund gelblichen Farbe und fühlte sich wie Pergament an. Die einzige typografische Gestaltung zeigte in Scharlachrot die berühmten vier Symbole, die dem legendären Album auch den Namen „Four Symbols“ oder „Zoso“ eingebracht hatten. Sie waren in einer Reihe angeordnet und jedes der vier Symbole stand für eines der Bandmitglieder. Links das von Jimmy Page selbst entworfene und ihm zugeordnete alchimistische Symbol-Wort Zoso, dann die drei in einem Kreis eingefangenen Ovale, die für Bassist John Paul Jones standen, gefolgt von den drei ineinander greifenden Ringen, die Schlagzeuger John Bonham repräsentierten und am Ende der Reihe die in einem Kreis eingefasste stilisierte Feder für Robert Plant.

      Simon hörte das laute Ticken der Standuhr. Er blickte zu dem Alten auf, der ihn noch immer mit weit aufgerissenen Augen beobachtete. Schließlich ließ Simon die tiefschwarze Vinylscheibe vorsichtig aus der Innenhülle gleiten und nahm sie ehrfürchtig in die behandschuhten Finger. Er hielt die Platte in das spärliche Tageslicht, das sich mühsam seinen Weg durch den halb geschlossenen Vorhang des einzigen Fensters im Raum bahnte. Das Vinyl war blitzeblank. Kein Kratzer, keine Vertiefung, keine Unebenheit, kein Staub. Gekonnt ließ er die Platte zwischen seinen Handflächen eine Umdrehung um die eigene Achse machen, aber auch die B-Seite zeigte sich makellos.

      „Sieht gut aus“, sagte er anerkennend. „Sehr gut sogar.“

      Auf dem runden Etikett in der Plattenmitte waren lediglich die Buchstaben ‚A’ und ‚B’ für die Markierung der jeweiligen Seite, sowie eine kleinere Ausgabe der vier Symbole zu sehen. Keine Plattenfirma, kein Copyright, keine Jahresangabe, keine Hinweise auf Ort und Zeit der Pressung. Zu Simons Überraschung enthielt das Label jedoch eine handschriftliche Nummerierung. Sie lautete „02/4“.

      „Vier?“, fragte er und schaute zu dem schrägen Kauz im Sessel gegenüber. „Es wurden doch mehr als vier Pressungen gemacht. Das verstehe ich nicht.“

      „Oh“, grinste der Alte. „Das ist eine besondere Pressung, das sagte ich bereits.“

      Simon überlegte. Selbst wenn es keine Erstpressung sein sollte, so war er sich dennoch sicher, dass er hier ein ganz besonderes Sammlerstück vor sich hatte und dass dieses jedenfalls einen gewissen Wert besaß. Und wenn die Nummerierung korrekt und nicht gefälscht war, gab es hiervon nur vier Stück. Weltweit. Die Sache wurde spannend.

      „Okay, Herr Kind, ich bin interessiert. Aber die Neugier lässt mir keine Ruhe. Warum wollen Sie diese Rarität verkaufen? Noch dazu zu diesem Preis?“

      „Ich will sie nicht mehr“, herrschte ihn der Alte mit unerwarteter Vehemenz

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