Zwielicht 11. Michael Schmidt

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Zwielicht 11 - Michael Schmidt

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Loch Ness eingezogen war. Aleister Crowley und seine okkulten Theorien faszinierten ihn. Ich war damals, das kann man getrost sagen, ein anerkannter Kenner dieser Materie und hatte mich bereits zuvor intensiv mit Crowleys Schriften befasst. Wussten Sie, dass er auch Bergsteiger war und beim Erstbesteigungsversuch des K2 dabei? Seine Bergsteigerkarriere endete allerdings auf sehr unrühmliche Weise.“

      „Ich weiß, angeblich hat er Bergkameraden im Stich gelassen, es gab Tote.“

      „Ja, so sagt man. Irgendwie endete alles bei Crowley auf recht unrühmliche Weise. Jedenfalls hatte mich Jimmy schon kurz nach Erwerb des Anwesens kontaktiert, ob ich ihm bei der Aufarbeitung und Auswertung von Crowleys Arbeiten nicht behilflich sein könnte. Zu diesem Zeitpunkt hatte Jimmy schon eine beachtliche Sammlung an Memorabilia zusammengetragen und ich war erstaunt, ja beeindruckt ob seines Wissens über Okkultismus. Bis dahin hatte ich ihn lediglich für einen Rockmusiker gehalten. Ich dachte mir: Ein Sommer mit Jimmy Page, das hieße Drogen, Alkohol, Frauen, interessante Leute und ausufernde Partys. Was hatte ich schon zu verlieren? All das gab es, aber wir befassten uns ernsthaft mit Crowleys Wirken. Vieles davon war dummes Zeug, aber nicht alles. Oh nein, nicht alles.“

      Der Alte schaute eine Weile aus dem Fenster, dann fuhr er fort.

      „Und dieses Anwesen. Boleskine House. Es war Mitte des achtzehnten Jahrhunderts errichtet worden und diente ursprünglich als Jagdsitz. Sein Erbauer, Colonel Archibald Campbell Fraser, war zwar kein Satanist oder dergleichen, aber er war nicht weniger narzisstisch veranlagt als Crowley. Die Familie Fraser hatte das Gebäude über die Jahre immer wieder umgebaut und erweitert, bis es am Ende ganz verwinkelt und unübersichtlich war. Einige Anwohner im Dorf behaupteten, der Ort sei bereits vor Errichtung des Anwesens verflucht gewesen. Eine örtliche Legende besagt, an der Stelle habe viele Jahre zuvor eine Kirche gestanden. Während eines Gottesdienstes brach ein Feuer aus und die Türen ließen sich nicht mehr öffnen. Für die versammelte Kirchengemeinde wurde das Gotteshaus zur Todesfalle. Sie konnten nicht raus und alle Gläubigen kamen in den Flammen um. Und ich schwöre Ihnen, Junge, in einer der langen, stillen Winternächte, die ich dort verbrachte, habe ich im Kellergewölbe die Schreie dieser armen Seelen gehört.“

      Der Alte war leichenblass. Die Standuhr tickte erbarmungslos laut, der ganze Raum schien in ihrem Rhythmus zu pulsieren. Simon schwitzte.

      „Als Jimmy es erworben hatte“, fuhr Kind fort, „befand sich Boleskine House schon in keinem guten Zustand. Dennoch hatte er sich dazu entschlossen, das Anwesen unverändert zu lassen und er ließ so gut wie keine Arbeiten daran verrichten. Er wollte den alten, düsteren Geist des Gemäuers und seine Geheimnisse bewahren. Es übte eine seltsame Anziehungskraft auf ihn aus und auch ich konnte es spüren. Je länger ich mich dort aufhielt, desto mehr ergriff es Besitz von mir. Oft streifte ich alleine durch die verwinkelten Flure und Zimmer, die düsteren Keller und den verwilderten, zugewucherten Garten. Der verfluchte Keller.“

      Heinrich Kind nahm einen Schluck Wein.

      „Dort unten hielten wir zu zweit stundenlange Sitzungen ab, bis wir in Crowleys Schriften auf ein altes Blutritual stießen, mit dem es, laut Crowley, gelingen sollte, den Herrn der Finsternis anzurufen. Das taten wir dann. Das Ritual war schmerzhaft und erschöpfend, aber Jimmy bestand darauf. Aus seinem Blut erschufen wir letztlich eine mächtige schwarzmagische Essenz, die Jimmy in einer Phiole aufbewahrte.“

      Simon starrte den Alten an.

      „Sie verarschen mich?“

      „Glauben Sie?“

      „Was geschah mit der Essenz?“

      „Ich hatte zunächst keine Ahnung, aber einige Tage später offenbarte mir Jimmy, dass er sie beim Produktionsprozess einer kleinen Anzahl von Schallplatten verwenden wollte, um auf diese den Geist des Meisters zu bannen. In einem kleinen Presswerk bei Glasgow ließ Jimmy dann die Platten herstellen. Es waren am Ende vier Stück. Eine davon halten Sie jetzt in den Händen.“

      „Das ist einfach nicht wahr“, sagte Simon mit ruhiger Stimme und betonte dabei jede einzelne Silbe.

      Der Alte überging die Bemerkung. „Es hat ihn ein Vermögen gekostet, aber das war ihm egal.“

      „Sie erfinden das. Die Geschichte ist so dämlich, dass sie schon fast wieder gut ist. Alleine dafür müssten Sie eigentlich mehr als nur hundert Euro verlangen.“

      Doch diese als Scherz beabsichtigte Äußerung kam Simon nur halbherzig über die Lippen. Ob es am schummrigen Licht oder dem Rotwein lag, konnte er nicht mit Sicherheit sagen, aber innerlich wankte er. Konnte das wahr sein? Weiß der Teufel, was die in den Siebzigern alles in diesem abgelegenen Keller getrieben hatten. Vielleicht erlebte der Alte gerade einen schweren Flashback, der auf jahrelangem LSD-Konsum beruhte. Es musste Logiklöcher in der Story geben.

      „Was ist mit den anderen drei Platten passiert?“, hakte Simon nach.

      „Jimmy hat sie an verschiedenen Stellen des Anwesens einmauern lassen.“

      „Er hat was?“

      „Jimmy hat den Geist des Meisters in Boleskine House verankert und es in ein Zentrum der dunklen Mächte verwandelt. Er hat den Ort mit dunkler Energie aufgeladen. Wie eine Batterie, verstehen Sie? Ein Ort, an dem man Satan selbst herbeirufen konnte, eine Standleitung in die Hölle.“

      Heinrich Kind beugte sich weit in seinem Sessel vor, bohrte die klauenartigen Finger in die Armlehnen, sein Gesicht nur Zentimeter von Simons entfernt. „Verstehen Sie?“

      „Was geschah dann?“, fragte Simon nach einigen Sekunden, die sich wie Kaugummi zogen.

      Der Alte sackte in seinen Sessel zurück und spähte durch den schmalen Vorhangspalt nach draußen. Im warmen Nachmittagslicht tanzten die Staubpartikel. Das Ticken der Standuhr hallte lauter als je zuvor. Unerbittlich schwang das Pendel hin und her und Simon musste unwillkürlich an Die Maske des Roten Todes von Edgar Allan Poe denken. Heinrich Kind war eine gealterte Version von Prinz Prospero, der durch die bizarren Flure und Hallen seiner verzerrten Erinnerung wanderte. Der Tod würde ihn hier hinter seinen eigenen Mauern doch noch ereilen. Aber erst, wenn er vollständig den Verstand verloren hätte. Er schien auf dem besten Wege zu sein.

      „Herr Kind? Was geschah dann? Sie sagten, Sie hätten alles verloren.“

      „Sie sind alle gestorben. Einer nach dem anderen“, antwortete der Mann ohne seinen Blick vom Fenster abzuwenden.

      „Was meinen Sie?“

      Der Alte blickte ihn wieder an.

      „Ende Dezember 1970 kehrte ich Boleskine House den Rücken. Weder wollte ich den Jahreswechsel dort verbringen noch Jimmys Geburtstag im Januar abwarten. Auf meine Bitte hin entließ er mich aus seinen Diensten und gab mir eine der vier Platten. Diese hier“, sagte er und zeigte auf die Vinylscheibe, die Simon mit sicheren Griffen wieder in den Pappschuber eingelegt hatte.

      „Natürlich wollte ich wissen, ob der Crowley-Zauber funktioniert hat, den wir in dieses rabenschwarze Stück Vinyl gebannt hatten. Wenige Tage nach meiner Rückkehr habe ich die Platte dann eines Abends abgespielt und ich ließ ‚Stairway to Heaven’ an der besagten Stelle rückwärts ablaufen.“ Kind machte eine Pause. „Ich werde diesen Moment niemals vergessen. Nie werde ich die Stimme aus meinem Kopf kriegen, die aus den Lautsprechern erklang. Es war, als sei jemand aus den Lautsprecherboxen heraus und in mein Zimmer getreten, ganz nah an mich heran.“ Schweißperlen standen auf der Stirn des Alten und er zitterte. „Dann vernahm ich die Botschaft des

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