Zwielicht 11. Michael Schmidt

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Zwielicht 11 - Michael Schmidt

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ein Name? Was uns Rose heißt - wie es auch hieße - würde lieblich duften“, kam die lallende Antwort. Nun reichte es dem Bücherboten endgültig. Er tippte gerade die Notrufnummer ein, da fing der Kauz plötzlich an zu husten und zu würgen. Im Schwall pladderte eine Lache Erbrochenes vor Fabius Füße. Der sprang entsetzt mit einem Aufschrei zur Seite. „Das ist ja widerlich, Mann!“ Der Obdachlose dagegen stand mit einem Mal stocksteif da, wurde ganz bleich um die Nase und starrte Fabius mit weit aufgerissenen Augen an. Nach einer Weile entspannte sich die Körperhaltung des Mannes, so, als fiele eine Last von seinen Schultern. Er atmete einmal tief ein und aus und wandte das Gesicht dem jungen Flieder zu.

      „Endlich …, jetzt ist es vorbei. Hast du mal ne Kippe für mich, Junge?“

      Kopfschüttelnd steckte Fabius sein Smartphone ein, nachdem er sich vergewissert hatte, dass von der Sauerei nichts auf seine Hose oder die Schuhe geraten war.

      „Was – um Zeus Willen – ist mit Ihnen eigentlich los?“, fuhr er sein Gegenüber an, der sich den Mund mit dem Ärmel abwischte.

      „Das sind noch die Nachwirkungen des Dopes von der alten Hexe da drüben.“ Er zeigte zum Haus von Frau Molte hinter dem Gitterzaun des Parks. „Ich hab gestern Nacht in ihrem Gartenhaus gepennt und von ihrem selbst gebrannten Kräuterschnaps getrunken.“ Der Penner kicherte amüsiert, als er daran zurückdachte. „Mannomann …, das ging aber ab wie Schmitz Katze! So einen Horrortrip hab ich noch nie erlebt!“

      „Dope? Kräuterschnaps?“, fragte Fabius verwirrt. „Moment mal, wir reden hier doch von Frau Molte, einer einsamen Dame, die Liebesromane liest.“

      „Ist mir egal, was die Alte liest“, grölte der Obdachlose. „Aber ihr Stoff ist einmalig. Zwischendurch packt mich der Flash und ich fühle mich wie ein brünstiger Liebhaber auf der Pirsch nach seiner Liebsten!“ Mit dreckigem Lachen klopfte er sich auf die ebensolchen Schenkel. Nachdenklich nahm Fabius sein Rad auf, winkte dem seltsamen Kerl noch einmal kurz zu und machte sich auf den restlichen Weg bis zu Frau Moltes Haus.

      Inzwischen war es dunkel geworden. Im Licht der Straßenlaterne lehnte er sein Fahrrad an den Jägerzaun vor dem etwas heruntergekommenen Fachwerkhaus. Er nahm die Plastiktüte mit seiner Buchlieferung aus dem Gepäckträger und ging zur Haustür. Er klingelte mehrmals, doch niemand öffnete ihm, obwohl ein uralter Ford-Taunus unter dem Carport stand.

      Fabius ging ums Haus herum und gelangte auf ein langgezogenes Gartengrundstück. Tatsächlich sah er etwa sechzig Meter weiter ein Gartenhaus, das mehr einem kleinen, vergammelten Schuppen aus vermoderten Holzbrettern entsprach und in dem Licht brannte. Da er keine Lust verspürte, am nächsten Tag noch einmal hierher zu fahren, lief er kurzentschlossen weiter und betrat nach flüchtigem Anklopfen das Gartenhaus. Er sah sofort, dass niemand da war. Fabius wollte schon enttäuscht hinausgehen, als sein Blick auf sorgfältig aufgereihte Einmachgläser in einer offenen Regalwand fiel, die er sich neugierig anschaute. Auf den Etiketten las er zunächst erwartungsgemäß Aufschriften wie: Pflaumenmus, Kirsch- oder Holundermarmelade. Doch auf dem obersten Brett standen mit Männernamen etikettierte Fläschchen. Bruce Weller stand dort, oder Henry Russel, oder Peter Unger … Peter Unger! Ja … Das war er! Die Erkenntnis traf ihn wie ein Blitz. Wie hatte er das nur vergessen können? So hieß der Protagonist und Liebhaber aus Sündige Leidenschaft, dem verfilmten Bestseller. Noch vor vier Wochen stand der Roman in der Spiegel-Bestsellerliste und führte die Kino-Charts an, doch von einem Tag zum anderen schien er in Vergessenheit geraten zu sein. Ganz merkwürdig … Und Henry Russel? Hmm … dämmerte ihm da was? Sein Großvater hatte doch eben im Laden einen Titel erwähnt … In der Schwüle einer Liebesnacht … Genau! Noch vor drei Monaten der skandalträchtigste Erotik-Thriller der letzten Jahre. Henry Russel hieß der standfeste Dauerbeglücker der Damenwelt, nach dem sich pubertierende Teenies und unbefriedigte Vorstadt-Mutties gleichermaßen in ihren Träumen verzehrten, bis – von Jetzt auf Gleich – das Vergessen einsetzte und niemand mehr von dem Buch redete. Irgendetwas stimmte da nicht. Fabius nahm eines der Glasfläschchen in die Hand und hielt es gegen das Licht der nackten Glühbirne. Die Flüssigkeit darin war vollkommen klar wie Wasser. Als Fabius einen Schritt zurücktrat, stieß sein Fuß an einen Gegenstand, der mit leisem Klacken gegen einen Fuß der Regalwand rollte. Er bückte sich und sah, dass es sich um ein weiteres, allerdings leeres Fläschchen handelte. Es musste dasjenige gewesen sein, von dem der Obdachlose getrunken hatte. Auf dem Etikett stand geschrieben: Romeo Montague

      Fabius hielt inne, als er von draußen im Garten eine Art Zischen und Blubbern vernahm. Ein winziges verstaubtes und durch Spinnweben verklebtes Fensterchen erlaubte ihm einen Ausblick. Unter einer von Rosen umwachsenen Pergola hantierte eine etwa 60-jährige, eindeutig zu fette Frau mit mausgrauen, schulterlangen Haaren an einem Tisch mit merkwürdigen Gerätschaften, die an ein mittelalterliches Alchemie-Labor erinnerten. Aus verschiedenen Erlenmeyerkolben und Reagenzgläsern mixte sie Flüssigkeiten von verschiedenster Farbe zusammen und goss das Ergebnis in einen mit kochendem Wasser gefüllten, bronzenen Topf, der über einem offenen Feuer hing.

      Dann nahm sie ein Buch vom Labortisch, um … noch einmal die Rezeptur ihres Gebräus zu kontrollieren, dachte Fabius . Doch weit gefehlt! Sie warf das Buch ebenfalls in den Topf und rührte anschließend sorgfältig mit einer Schöpfkelle darin herum. Nach ein paar Minuten nahm sie etwas von dem heißen Gebräu und goss es in eine gläserne Retorte, unter der die gelbe Flamme eines Bunsenbrenners brannte. Fabius hatte genug gesehen. Die alte Hexe hatte nicht alle Tassen im Schrank. Aber als er sich umdrehte, um möglichst unauffällig zu verschwinden, knallte sein Ellbogen gegen die wacklige Regalwand. Ihm entfuhr ein unwillkürlicher Schmerzensschrei. Aus dem Augenwinkel sah er, wie eines der Fläschchen vom obersten Brett herunterkippte. Im letzten Augenblick konnte er es auffangen, bevor es auf dem Boden zerschellte.

      „Wer ist da?“, rief eine Stimme aus dem Garten. „Mist!“, fluchte Fabius und ließ das Fläschchen in seine Jackentasche gleiten. Frau Molte hatte ihn entdeckt. Kurz darauf riss eine massige Gestalt die Tür des Gartenhauses auf. Mit der schweren Schöpfkelle in der Hand stand sie im Türrahmen und verstellte ihm jede Fluchtmöglichkeit.

      „Was haben Sie hier zu suchen?“, zischte Frau Molte. „Hier gibt’s nichts zu holen!“

      Fabius bemerkte, wie seine Knie anfingen zu zittern.

      „Ähh … Ich bin Fabius Flieder. Mein Großvater ist Inhaber der Buchhandlung Leseratte. Ich bringe Ihnen Ihren neuen Roman.“ Mit zitternden Händen hielt er der Frau die Plastiktüte entgegen.

      Frau Molte musterte ihn eine Weile mit misstrauisch zusammengekniffenen Augen von Kopf bis Fuß. Schließlich ließ sie langsam die Kelle sinken und riss Fabius die Tüte aus der Hand. Sie zog das Buch heraus und las genüsslich schmunzelnd den Titel vor: „Rendezvous bei Sonnenuntergang … von Bianca Myers …“ Ihre Augen strahlten vor Verzückung. „Oh Roderick, mein Roderick …“, schwärmte sie mit einem Zungenschnalzen. „Bald bist du mein und gehörst nur mir!“

      Fabius lief ein kalter Schauer über den Rücken. Irgendwie erinnerte ihn die Szene an einen gewissen Gollum aus dem Herrn der Ringe. Er hatte nur noch das Bedürfnis, hier schnellstmöglich zu verschwinden. „Kann ich … kann ich nun gehen?“, fragte er mit leiser, heiserer Stimme. Frau Molte, die den Roman fest an ihren üppig ausladenden Busen gepresst hielt, schien aus einer Art Trance zu erwachen. Ihr wütender Blick schien Fabius Stirn durchbohren zu wollen.

      „Selbstverständlich!“, fauchte sie und gab die Tür frei. „Verschwinden Sie endlich von meinem Grundstück. Ich hab zu arbeiten.“ Fabius zögerte einen Moment, da ihn die Enge des Gartenhauses dazu zwang, sich dicht an Frau Moltes Leibesfülle vorbeizudrängen. Dann gab er sich einen Ruck und stolperte vor lauter Hast beinahe aus der Tür ins Freie. Erleichtert sog er die kühle, frische Abendluft in seine Lungenflügel und lief durch den Garten Richtung Straße. „Einen schönen Abend

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