Zwielicht 11. Michael Schmidt

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Zwielicht 11 - Michael Schmidt

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lockte die Freaks an die Telefonleitungen und die Zuhörer an die Empfangsgeräte, während die Klicks in den sozialen Netzwerken weiter nach oben anzogen und vom Mob geliked, geteilt und kommentiert wurden.

      Habt ihr einen Lehrer damals in der Schule sexuell befriedigt, um euren Notenspiegel aufzubessern? An wen denkt ihr wirklich, wenn ihr mit euren Partnern schlaft? Hattet ihr schon mal Geschlechtsverkehr mit Tieren? Steht ihr auf Natursekt?

      Aber auch okkulte Themen wie paranormale Erscheinungen oder Verschwörungstheorien wurden bei McMillan abgeklappert. Gläserrücken und schwarze Hexenmagie. Wann soll die Welt das nächste Mal untergehen? Steckt die CIA hinter den Anschlägen auf das World Trade Center? Wer zieht hinter den Kulissen die Fäden? Und wer muss am Ende die Bühne für immer verlassen? Gibt es einen Gott? Und wenn ja, muss es dann nicht auch einen Teufel geben?

      Der Gegenstand des heutigen Abends lautete schlicht: Das Böse. McMillan hatte es zuvor wie folgt angekündigt:

      Ich möchte mit Leuten sprechen, denen das Böse schon einmal begegnet ist. Wir alle wissen, das Böse kann einem begegnen in Form eines Menschen; eines Menschen, der einem viel Leid angetan hat. Sei es körperliche Gewalt oder psychologische Stigmatisierung. Hat euer Daddy euch verprügelt oder in den Keller gesperrt? Das Böse kann einem aber auch begegnen in einer übernatürlichen Form. Reden wir hier von Dämonen oder Satan selbst? Glaubt ihr an böse Geister? Ist euch der Leibhaftige schon mal begegnet? Darüber möchte ich gerne mit euch sprechen, also ruft an.

      Und die Leute riefen an. Gerade hatte er eine betagte Frau in der Leitung, die ihm von ihrer unheimlichen Begegnung mit dem Bösen erzählte.

      „Okay, also wie darf ich das deuten? Sie sind also wirklich einem … Gespenst begegnet?“, fragte McMillan die Dame, deren Unsicherheit man zunehmend heraushörte.

      „Ich kann nur schildern, was ich gesehen habe. Die weiße Gestalt einer alten Frau – älter als ich – die nachts vor meinem Bett stand. Sie sprach kein Wort, kein einziges. Aber sie starrte mich an …“

      „Ein kleiner Break, Charlotte“, unterbrach der Moderator sie. „Wir haben jetzt nach Mitternacht. Rufst du gerade aus deinem Schlafzimmer an?“

      „Nein, nein, das Telefon ist im Wohnzimmer“, beteuerte sie.

      „Guck doch mal ins Schlafzimmer, ob du die Gestalt mit den roten Augen wieder siehst“, sagte McMillan.

      „Nun, das ist es ja. Ich traue mich nicht mehr ins Schlafzimmer. Die Gestalt erschien mir nur dort, … selbst meine Katze macht einen Bogen darum. Ich schlafe seitdem auf meiner kleinen Couch.“

      „Wieso ziehst du dann nicht einfach aus? Mich würden da keine zehn Pferde mehr halten!“

      „Will ich ja, aber ich kann mir keinen Umzug leisten bei meiner knappen Rente. Ich beziehe ja schon zusätzlich Stütze. Ich weiß nicht mehr, was ich tun soll. Ich stehe Todesängste aus!“

      „Hast du schon mal einen Exorzisten gerufen?“, fragte McMillan abschätzig.

      „Wie bitte?“

      „Das denk’ ich mir auch. Tja, Charlotte, ich an deiner Stelle würde schnell die Pillen absetzen, die du gerade eingeworfen hast. Vielleicht verschwinden die Gestalten dann ja von ganz alleine. Danke, dass du angerufen hast und süße Träume. Grüß deine unerwünschte Untermieterin von mir. Bye-bye.“

      Die Frau versuchte noch etwas zu erwidern, aber ein Klick von McMillan auf den Button seines Armaturenbretts und die Dame verschwand, als hätte es sie nie gegeben. McMillan holte kurz Luft und sprach in sein Mikrofon, welches an einem silbernen Stativ von der Decke herabhing. Wenn die Feder mächtiger war als das Schwert, wie stand es dann mit dem Mikrofon?

      „Ja, das war die gute Charlotte, die einen Geist in ihrem Schlafzimmer vermutet. Was haben die Untoten in unseren Gemächern zu suchen? Ist es ihnen nicht mehr kuschelig genug in der Hölle? Falls ihr auch eine unheimliche Begegnung mit dem Bösen überlebt habt – sei es der Spuk in eurem Kleiderschrank oder einfach nur der Hund, der mal wieder prophylaktisch eure Hausaufgaben gefressen hat – dann ruft an, die Leitungen sind frei und ich habe ein Ohr für euch. Wir machen sofort weiter nach einer kurzen Pause. Bis gleich.“

      Noch während er sprach, wanderte seine Hand mit der Maus über den Desktop seines Rechners, wo er nahtlos auf die Trackliste überleitete und daraufhin den Moderationsregler langsam herunter drehte. Zwei Songs wurden gespielt: The Blues Are Brewin’ von Billie Holiday und Thunder Road von Robert Mitchum. Um so eine späte Uhrzeit spulte man immer Oldies ab, weil die Tantiemen dafür günstig zu beziehen waren und man es sich nicht leisten wollte, teure Hits aus den Charts zur Geisterstunde einzukaufen. Wer so lange aufblieb, um McMillan zu hören, tat dies schließlich nicht wegen der Musik. Neben den Songs quetschten sich ein paar Werbespots über den üblichen Schrott in den Block. Milde Kaffeebohnen, die das Temperament Südamerikas einfingen. Die 2mach1-Rabattaktion beim örtlichen Elektronik-Großhändler. Neue Anzahlungsmodalitäten beim Autoverkäufer. Schlagen Sie jetzt zu, bevor es zu spät ist! Als Zugabe die Ansage für das Freeze-Festival am Wochenende, wo der Sender zwei Tickets in der ersten Reihe verloste.

      McMillan zog unbekümmert die Kopfhörer ab und begab sich zur Regie, die hinter einer isolierten Glasscheibe im Nebenzimmer lauerte. Um diese Uhrzeit standen ihm nur Thomas Lee und stets ein armer Praktikant zur Seite, den man zur Nachtschicht verdonnert hatte, ohne ihm einen Penny dafür zu zahlen. Keine Ahnung, wie der Knabe hieß. McMillan gab sich nie Mühe, die Namen der Hospitanten zu merken, da sie genauso schnell verschwanden, wie sie gekommen waren. Immerhin gaben die meisten einen Ausstand mit Kuchen und ließen so wenigstens etwas Brauchbares zurück. Thomas Lee dagegen war ein gängiger Kollege und für die Aufnahmeleitung sowie den technischen Support zuständig. Er sorgte für den reibungslosen Ablauf der Sendung und arbeitete nebenher auch als Rechercheur und Realisator. Lee filterte die Anrufer mithilfe des Praktikanten aus, um nur die interessanten Fälle zum Moderator vorzulassen. Dies geschah stets durch Vorgespräche, in denen die Anrufer ihr Anliegen erläutern konnten, wobei Lee auch die akustische Qualität der Verbindung ins Auswahlkriterium einfließen ließ. Daher hatte er zwischen den Pausen nur wenig Zeit, sich mit McMillan zu unterhalten. Auch jetzt führte er gerade eines jener Vertiefungsgespräche mit einem potenziellen Kandidaten. Wie abgesprochen hatte der Praktikant den Tee für McMillan bereits gekocht. Ohne eine Geste des Dankes griff der Moderator nach der heißen Tasse. In dem Augenblick setzte Lee den Anrufer kurz in die Schleife und wandte sich an McMillan.

      „Henry, das war gut grad eben, aber du hättest die alte Lady ruhig noch ein bisschen zappeln lassen können“, dozierte er.

      „Ach, wie oft hatten wir das schon? Geister und Geistererscheinungen. Diese Typen sind doch reif fürs Irrenhaus“, monierte der Moderator. „Zugegeben, zuerst war es ja noch lustig, aber als sie dann mit dem Kram anfing, dass sie nicht weiß, wohin mit sich und dass sie niemanden hätte … mickrige Rente und Sozialdramen, interessiert doch keinen Pferdeschwanz. Was hätte ich ihr sagen sollen? Dass am Ende alles wieder gut wird, wenn sie diesen und jenen Kräutertrank braut?“

      „Vielleicht hab’ ich hier etwas, das dir besser gefällt, Ringo“, erklärte Lee und deutete auf sein Mischpult. „Da ist ‘ne Tussi, die nicht behauptet mit dem Bösen konfrontiert worden zu sein, sondern selbst das Böse zu personifizieren.“ Anders als von seinem Aufnahmeleiter erwartet, hing McMillans süffisantes Lächeln nur noch an einem Faden, der vor dem Zerreißen stand. Seine Augäpfel verdrehten sich.

      „Good Lord, so ‘ne Satansbraut? Wahrscheinlich Gothic-Look, Emo-Gewäsch und das Pentagramm noch dazu, was?“ spottete er.

      „Das

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