Zwielicht 11. Michael Schmidt

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Zwielicht 11 - Michael Schmidt

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Bemerkung zu machen. Wahrscheinlich war der Stimmeneffekt im Studio einfach nur in die eigentliche Tonspur eingeschleift worden. Daher der intensive Klang. Nur Technik, kein Teufelswerk. Led Zeppelin waren nicht die Ersten und nicht die Letzten, die sich dieses Kniffs bedient hatten. Doch diesmal war Simon so klug, seine Weisheiten für sich zu behalten.

      „Plötzlich war es vorbei. Ich spielte den Song noch einmal an und ließ ihn ganz normal bis zum Ende durchlaufen. Nichts geschah. Am nächsten Morgen war Henry tot. Henry war mein Beagle. Während meines Aufenthalts in Schottland hatte ich ihn meiner Schwester überlassen, die sich um ihn kümmern sollte. Er lag einfach tot vor meinem Bett.“

      „Das kann doch Zufall gewesen sein.“

      „Ja, das dachte ich zunächst auch. Eine Woche später ist meine Mutter gestorben. Einen Monat darauf mein Vater. Beide an einem Hirnschlag. Halten Sie das auch für Zufall?“

      „Naja“, setzte Simon an. Doch bevor er weitersprechen konnte, fuhr Kind fort.

      „Ein halbes Jahr später ist meine Schwester gestorben. In einem Badesee ertrunken. Sie war eine gute Schwimmerin. Taucher mussten sie aus dem See holen, sie hatte sich in Schlingpflanzen verheddert.“

      „Ein tragischer Unfall?“

      „So sah es aus. Aber ich wusste es besser, ich sah die Spuren an ihrem Knöchel. Die Polizei sagte, es handele sich um die Druckstellen der Schlingpflanzen. Doch in meinen Augen waren es unverkennbar die Male von Fingern. Etwas hatte sie gepackt und in die Tiefe gezogen.“

      Simon sah nun keinen geifernden Verrückten mehr vor sich, sondern einen gebrochenen Mann, dem das Leben übel mitgespielt hatte. Und es gab nichts, was er zum Trost hätte sagen können.

      „Hören Sie, Herr Kind, das tut mir alles furchtbar leid. Ich bin eigentlich nur gekommen, um vielleicht diese alte Schallplatte zu kaufen. Vielleicht interpretieren sie zu viel in die Sache hinein. Ich will nicht taktlos erscheinen, sie haben viel durchgemacht und einige herbe Schicksalsschläge hinnehmen müssen. Vielleicht ist es wirklich besser, wenn Sie sich von dieser Schallplatte trennen und die Sache abschließen. Ich bin auch gerne bereit, etwas mehr zu zahlen.“

      Der Alte hob den Blick und schaute Simon fest in die Augen. „Sie haben nicht verstanden, mein junger Freund. Das alles hängt doch gerade mit dieser verfluchten Schallplatte zusammen.“

      „Warum haben Sie sich nicht früher von ihr getrennt oder sie einfach zerstört?“

      „Glauben Sie, das hätte ich nicht versucht? Es hat nicht funktioniert. Damals nicht und heute nicht. Ich konnte nicht, verstehen Sie? Ich konnte nicht. Die Platte ließ es nicht zu.“

      „Was meinen Sie damit, die Platte ließ es nicht zu?“

      „Ich habe sie an die Wand geworfen, ich habe sie mit dem Hammer zertrümmert, ich bin mit dem Auto darüber gefahren, ich habe sie ins Feuer geworfen. Was auch immer ich tat: am nächsten Morgen lag die Platte neben meinem Bett auf dem Boden. In eben jener Hülle, die da auf Ihrem Schoß liegt. Sehr spät habe ich erkannt, dass nur ein Handel mich erlösen wird. Der Teufel liebt Geschäfte.“

      Er sagte das ganz ernsthaft und völlig ironiefrei.

      „Was für ein Handel?“

      „Ich muss einen neuen Besitzer finden, mich loskaufen.“ Der Alte starrte ihn an. „Verstehen Sie?“

      „Ich soll jetzt an Ihre Stelle treten? Damit mich dasselbe Unglück ereilt?“ Simon konnte es nicht fassen. „Das haben Sie sich ja fein ausgedacht. Für wie dämlich halten Sie mich eigentlich? Mal vorausgesetzt, ich nehme Ihnen diesen ganzen Hokuspokus überhaupt ab.“

      „Aber Ihnen wird nichts geschehen, junger Mann. Sie haben es selbst in der Hand.“

      „Ihnen ist alles Unglück der Welt widerfahren, aber mir wird nichts geschehen?“, fragte Simon.

      „So ist es. Sie können die Platte so oft hören, wie Sie wollen, es wird nichts passieren. Sie müssen nur der Versuchung widerstehen, sie auch nur ein einziges Mal rückwärts abzuspielen. Das ist alles.“

      Das machte alles überhaupt keinen Sinn, aber Simon war es langsam leid und er hatte schon deutlich mehr Zeit hier verplempert als ihm lieb war. Er wollte die Sache beenden. Der Raum war überhitzt, die Luft zum Schneiden dick, das Ticken der Standuhr mittlerweile unerträglich und ein pulsierender Kopfschmerz hatte sich hinter seiner Stirn eingenistet. Er musste hier raus.

      „Okay“, sagte er schließlich, „ich glaube, das schaffe ich. Hundert Euro?“ Simon zog seinen Geldbeutel aus der Hosentasche, nahm einen grünen Schein heraus und legte ihn auf den zugemüllten Wohnzimmertisch.

      „Hundert Euro“, antwortete der Alte. „Aber sagen Sie nicht, ich hätte Sie nicht gewarnt.“

      Simon erhob sich, nahm die Schallplatte unter den Arm und streckte dem Mann im Sessel die rechte Hand entgegen.

      „Werde ich nicht.“

      Heinrich Kind schüttelte die ihm gereichte Hand, ohne sich aus dem Sessel zu erheben. „Dann werden wir uns in dieser Welt nicht mehr sehen. Alles Gute, junger Freund.“

      „Ihnen auch, Herr Kind.“

      Simon wandte sich zur Tür, drehte sich dann aber noch einmal um. „Eine Sache noch: Sie wissen, dass Boleskine House letztes Jahr zu großen Teilen niedergebrannt ist?“

      Der Alte blickte ihm in die Augen.

      „Seit fünfundvierzig Jahren bin nicht mehr dort gewesen. Aber letzten Winter bin ich noch einmal zurückgekehrt. Es musste ein Ende haben. Ich habe dafür gesorgt, dass die anderen drei teuflischen Artefakte ein für alle Mal vernichtet werden und mit dem Haus untergehen. Da sie nie in meinem persönlichen Eigentum standen, war ihre Zerstörung unproblematisch.“

      Das war nun der Höhepunkt der Unglaubwürdigkeit. „Sie haben Boleskine House abgefackelt?“

      Der alte Mann starrte wieder aus dem Fenster, so als ob er auf etwas warten würde. Oder auf jemanden.

      „Ich hätte es viel früher tun sollen“, sagte er mehr zu sich selbst, ohne Simon eines weiteren Blickes zu würdigen. Simon wartete eine Weile, ob der Alte noch etwas sagen würde, doch der blieb stumm. Simon nickte und ging. Die Standuhr schlug Zwölf, als er die Tür hinter sich zuzog.

      Er trat ins Freie trat und atmete tief durch. Was für ein irrer Vormittag und was für ein merkwürdiger, trauriger alter Mann. Den Erwerb dieser Schallplatte würde Simon nicht mehr vergessen, so viel stand fest. Es wäre eine Geschichte, die er seinen Enkeln noch erzählen konnte.

      Es folgte ein feuchtfröhlicher Abend mit seinen Freunden und er erzählte ihnen jedes Detail seiner Geschichte. Leicht angetrunken und gut gelaunt kam Simon nach Hause. Um den Abend feierlich abzuschließen, streifte er die Schuhe ab und legte seine Neuerwerbung auf den Plattenteller. Behutsam setzte er die Nadel auf die Rille des letzten Tracks der B-Seite und regelte die Lautstärke hoch. Das weltberühmte Intro von ‚Stairway to Heaven’ erklang kristallklar und voluminös aus seinen B&W-Boxen.

      Aus einer Schublade nahm er die gelbe Dose mit Fischfutter heraus und ging zum Aquarium.

      „Keine Angst, ich vergesse euch nicht“, sagte

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