Schtraworski. John Otis

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Schtraworski - John Otis

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      „Was liegt heute an?“ fragt er. Ich geb ihm irgendein Buch. Scheißegal. Hab sowieso nichts gelernt, wozu auch?

      „Seite 30“, sag ich noch. Er fragt mich Sachen, ich spuck ein paar Kornflakes auf den Tisch.

      „Was soll das denn?“ Fragt mein Vater, „hast keine Ahnung, hm?“ Er schmeißt mir das Buch in die Fresse. Grummelt irgendwas. Vielleicht sollte ich ihn noch abstechen, bevor ich gehe. Und wahrscheinlich hätte er gar nichts dagegen.

      Ich frier mir den Arsch ab. Auf dem Weg zur Schule. Der Schnee kriecht mir in die Schuhe. Ungeschickt slide ich auf den Eisplatten der Pfützen. Wie ich falle lacht irgendjemand. Kälte. Bestimmt kein ungnädiger Tod. Bald spürt man den Winter schon nicht mehr und dann schläft man friedlich ein. Auf Knien halte ich meine geballten Fäuste in den kalten Schnee. Komm stiller Tod, hol mich. Ich halte es nicht mehr aus. An meinen Händen platzt die Haut auf.

      In der Schule bin ich zu spät. Herr Geyer sagt nichts. Er schaut mich bloß komisch an. Ich setz mich auf mein Einzelplatz, drück die Hände gegen die Heizung, schmier das Blut weg. Meine Finger brutzeln. Ich glaube, ich rieche verbranntes Fleisch. Mir kommts fast hoch. Ich bin müde. Es ist besser zu schlafen. In der Pause wach ich auf dem Boden auf. Jemand hat mich von meinem Stuhl runter geschmissen, der Inhalt meines Rucksacks wird gerade aus dem Fenster geleert. Ja, das reicht. Draußen: auf wiedersehen Schulhof, auf wiedersehen hässliches Kind, auf wiedersehen ihr Schwanzlutscher! Ich lass die Schule hinter mir, schlender durch die Gassen der schneeverwehten Hölle und ich könnte nicht glücklicher sein. Fanfaren in meinem Kopf. Auf wiedersehen! Was ein dramatisches Ende!

      Zu hause stopf ich die Krönung meiner Knotenkunst in den Rucksack. Der Galgen passt da jetzt auch perfekt rein. Ist ja schließlich leer, das Teil. Galgen zu binden ist tatsächlich eine Kunst. Ich habe das lange im Internet recherchiert. Bestimmt hab ichs über 100 mal versucht. Der Strick muss auch ganz lang sein, damit man das Genick bricht und gleich krepiert. Ewig rumzappeln will ich echt nicht.

      Ich stapf in den Wald. Am Rand: der Baum meiner Wahl. Sieht dünn aus, trägt mich aber auf jeden Fall. Den Galgen schmeiß ich in den Schnee und knie mich auf den Rucksack. Beten kann nicht schaden, was solls?

      „Gott, falls es dich gibt... Mein Leben... sehr lustig, wirklich sehr lustig, du Arsch! Nein, ich schweife ab... bring mich in den Himmel, sonst werde ich es in der Hölle zu einiger Macht bringen! Und Wischnu, mach aus meinem reinkarnierten Geist keine Kotstulle, bitte. Ach, was soll die Scheiße eigentlich, Nicklas? Los gehts!! Dawai Dawai!“ Ich krachsel hoch, wickel das Ende des Galgens ein paar mal um den dicksten Ast. Ganz schön anstrengend, so ein Selbstmord! Leider hab ich nicht recherchiert, wie man das fest macht. Zehn einfache Knoten sollten reichen.

      „Was machstn du da?“ Fragt jemand von unten. Ich guck aus den Augenwinkeln runter. Sogar kurz vor meinem Tod kann ich niemandem ins Gesicht sehen. Aber keine Ahnung, wo die Person da unten hinschaut. Die Person ist nämlich schwarz und da sieht man aus den Augenwinkeln nicht mal, ob sie mir das Gesicht oder den Hinterkopf zuwendet.

      „Was glaubst du denn?“ Frag ich zurück, blick ungefähr in die Richtung. Da steht ein junger Mann, wohl so alt wie ich.

      „Boook bock bock bock“, sagt er, äfft ein Huhn nach.

      „Fick dich!“ Sag ich, reiß ein paar kleine Ästchen ab und schmeiß sie nach ihm, er weicht aus und grinst.

      „Feigling!“ Sagt er.

      „Egal, wenn du mich jetzt entschuldigen würdest“, ich wedle geschäftig mit dem Galgen rum, „die Dinge erledigen sich ja nicht von selbst, nicht wahr?“ Ich schmeiß noch ein paar Ästchen nach ihm und imitiere dabei die feierliche Handbewegung die unser Pfarrer bei Beerdigungen immer macht, wenn er die Leichen mit seiner Klobürste mit Weihwasser besprenkelt.

      „Komm da runter oder ich komm da rauf!“ Sagt er.

      „Bevor du oben bist, bin ich schon wieder unten!“

      Er rüttelt an dem Baum. Scheiße, hat der eine Kraft. Es klappt, ich kann mich kaum noch halten, der Strick fällt mir aus der Hand.

      „Nimm mir nicht die Freiheit zu sterben, das ist das einzige was ich mir im Leben jemals herausgenommen hab...“, sag ich.

      Er greift den Strick, zieht dran, der Baum krümmt sich, er lässt los. Und wie ein Geschoss fall ich drei Meter tief. Zum Glück ist da ein Dornenstrauch, der meinen Fall bremst. Irgendwas hat mir in die Eier getreten. Ich glaube das war in der Luft, die Faust Gottes. Ein paar Kratzer, sonst fehlt mir nichts. Nur noch mein Essen, das liegt jetzt neben mir im Schnee. Ekliger Nachgeschmack, er gibt mir einen Kaugummi.

      „Airwaves“, sagt er, zeigt mir die Packung, „damit bleibste frisch!“ Ich weiß nicht, warum er grinst oder warum ich mich nicht einfach am nächsten Tag umgebracht habe. Vielleicht einfach nur, weil er das nicht wollte. Weil er der einzige Mensch auf der ganzen Welt war, der mich davon abhielt, während alle anderen mich wahrscheinlich angefeuert hätten. Oder wollte ich es selber nicht? Tausendmal hatte ich es mir vorgestellt, wie die Lichter ausgehen und ich mich auflöse. Ich fand nichts Unheimliches, daran, eher etwas Befreiendes. Vielleicht lags auch daran, dass, wenn man sein Leben lang von allen wie Dreck behandelt wird und dann einer mal nett ist, es sich anfühlt, als kriege man nen verfickten Nobelpreis mit Torte, wo ne Stipperin rausspringt und dir einen bläst. Jedenfalls lebe ich noch, warum eigentlich nicht? Kann ja morgen immer noch nen Rückwärtssalto mit dreifach Schraube in den Schulhofbeton machen und ich explodier wien Keks und jeder kann sichn Batzen Nicklas Stäufer als Erinnerung mitnehmen.

      „Ich bin Sammy“, sagt er.

      „Nicklas... Und was jetzt?“

      „Wie wärs mit Suppe?“

      „Suppe??“

      „Ja, was ist deine Lieblingssuppe?“

      „Suppe mit äh...“, die Frage kam mir absurd vor, „äh, mit Fleisch drinnen?“

      „Ja, die mag ich auch“, er reibt sich den Bauch, „wollen wir?“ Fragt er.

      Ich pack mein Zeug, den Rucksack, guck zum Galgen hoch.

      „Na na“, sagt Sammy, „den brauchst du jetzt nicht mehr.“ Er hat diese merkwürdig unerschütterliche Zuversicht, als ob er etwas wusste, das ich niemals verstehen würde.

      „Sollten wir ihn nicht abnehmen?“ Frag ich.

      Er dreht sich um, klettert etwas umständlich hoch und hantiert an den Knoten. Nach einigem Fluchen löst sich das Seil und fällt zu Boden. ich schmeiß das Teil in den Rucksack. Wir gehen ein Stück. Es ist nicht weit, er wohnt gleich in der anliegenden Siedlung.

      Herd an, die Suppe blubbert, wir schweigen. Seltsam dekoriert, hier. Rustikal und irgendwie riechts nach Scheiße. Aber ich glaub, hier ist ein Bauernhof in der Nähe.

      „Wir sind neu zugezogen“, sagt Sammy, „ja, ich weiß, es riecht nach Scheiße...“, mit ner Riesenkelle schöpft er die Suppe. Wir löffeln. Ich hol meine besten Manieren hervor, wie ich das immer mach, führ den Löffel zum Mund und nicht umgekehrt, die linke Faust aufm Tisch.

      Er wird hier auf die Schule gehen, auf die gleiche, wie ich. Hatte heut nur kein Bock, da ist er zu hause geblieben. Ich kann ihm kaum in die Augen schauen, meine Hände zittern ein bisschen. Wie ich gehn will, zieht er den Galgen aus meim Rucksack und schmeißt ihn aufn Tisch.

      „Kann

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