Die Erbschaft. Elisa Scheer
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„Aber ein geringerer Betrag“, erklärte ich.
„Ja, wollen Sie dann einen Dauerauftrag über den neuen Betrag einrichten?“
„Nein, will ich nicht. Das war die absolute Restzahlung. Jetzt gucken Sie nicht so, sollte der Empfänger sich beschweren, tut er das bei mir.“
„Und das traut er sich nie“, fügte Cora finster hinzu. Ich schenkte dem Schalterbeamten noch ein strahlendes Lächeln, obwohl mir eher nach Heulen zumute war, und wir schwebten wieder hinaus. Äh, jetzt musste ich bei JobTime zu Kreuze kriechen! Ich schilderte mein Problem so neutral wie möglich, und die Mitarbeiterin, Frau Daffek (laut Ansteckschildchen), seufzte kummervoll. „Kein Zeugnis? Das ist schlecht. Wissen Sie, Buchhaltung ist ein Vertrauensposten, da möchte ein Arbeitgeber auch bei einer Zeitkraft doch wissen, wie sie vorher gearbeitet hat.“
„Das Zeugnis kriege ich schon noch. Aber ich habe jetzt vier Jahre für meinen Lebensgefährten gearbeitet, und gestern hat er Schluss gemacht. Wenn er kapiert hat, dass er mich nicht privat abservieren und gleichzeitig erwarten kann, dass ich weiterhin sein Vorzimmer in Ordnung halte, wird er mit dem Zeugnis schon rüberkommen.“
„Und mit dem Hinweis auf die große Liebe hat er am Gehalt gespart, stimmt´s?“
„Woher wissen Sie das?“, fragte ich verblüfft.
„Ach, die Kerle sind doch alle gleich. Glauben Sie, ich habe immer hier gearbeitet?“
Ich lachte verächtlich. „Lange kommen die mit so etwas nicht mehr durch.“
„Noch scheint es aber zu funktionieren“, murmelte sie, den Blick auf ihren Bildschirm gerichtet. „Bei Buchhaltung hab ich eh nur eine Anfrage, gerade reingekommen. Das Steuerbüro Lichting sucht eine versierte - “
Sie brach ab, weil Cora und ich hysterisch kicherten. „Ach, ist er das?“
Wir nickten und wischten uns die Augen. „Soll ich hingehen?“
„Der kapiert den Witz nie! Er wird höchstens sagen, schön, dass du vernünftig geworden bist.“
„Stimmt. Nein, da gehe ich nicht hin.“
„Würden Sie auch Ablage und so was machen? Ich weiß, dafür sind Sie überqualifiziert, aber ohne Zeugnis...“
„Klar, mache ich. Wo und wann?“
„Ab dem zweiten April, bei Gerheim, dem Kosmetikgroßhandel, über denen ist die Ablage zusammengebrochen. Sie rechnen mit vier Wochen Aufräumarbeiten. Netto etwa zehn Euro die Stunde, also neun für Sie und einen für uns, wie immer. In Ordnung?“
„Wo ist das?“
„In Selling, Kölner Straße 43. Finden Sie das?“
„Logisch.“
Ich unterschrieb einen Zeitarbeitsvertrag, notierte mir die Daten und was ich an Vorkenntnissen mitbringen sollte – offenbar reichte es, wenn ich des Alphabets mächtig und nicht farbenblind war – und war mit diesem Vormittag zunächst sehr zufrieden.
Cora und ich klatschten draußen unsere Hände gegeneinander. „Das sind doch immerhin siebzig Euro am Tag, gar nicht so übel!“, fand Cora. „Und wenn du was Festes hast, kannst du dir eine Wohnung suchen, solange bleibst du bei mir. Ich finde es lustig, eine Mitbewohnerin zu haben, das ist wie im Studium. Und für neue Klamotten hast du damit auch genug Geld, komm, wir gehen ins Horizont hinter der Uni, da gibt es alles, was du brauchst!“
Ich folgte ihr brav. „Gehst du denn in Jeans und T-Shirt zur Arbeit?“
„Klar, in den meisten Betrieben wird das nicht so eng gesehen. Schau, du kannst ja auch deine Seidenblusen mit Jeans kombinieren, und deine Kostüme musst du schließlich nicht wegschmeißen, aber täglich in diesem unbequemen Kram... Was hat ein solches Kostüm eigentlich gekostet?“
„Um die dreihundert Euro herum. Diese Bluse war schon etwa mit hundertzwanzig dabei.“
„Wahnsinn!“, staunte Cora, „für den Preis der Bluse kleiden wir dich dort komplett ein. Oder wolltest du Designerjeans?“
„Christian hat welche, für Freizeitevents“, antwortete ich nachdenklich. „Ach, und wieso du nicht?“
„Bei diesen Events war ich meistens nicht dabei. Und wenn, dann als Assistentin, Köfferchen tragend und mitschreibend, dann war ein Kostüm gar nicht so daneben. Freizeit heißt für Christian, künftige Mandanten zu treffen, da bringt man doch seine Freundin nicht mit. Und außerdem schätzt er es nicht, wenn Frauen Hosen tragen. Das dunkle Leinenkleid war für lässigere Anlässe reserviert.“
„Leinen! Hast du dich nicht tot gebügelt?“
„Nein. Ich weiß, wie man Leinen richtig bügelt, Christian hat genug leinene Tischwäsche.“ Die Hausfrau aus den fünfziger Jahren! Wahrscheinlich konnte ich mir einen Job in der Bügeleisenwerbung schnappen oder beim Extreme Ironing mitmachen, darüber hatte ich heute Morgen einen spöttischen Radiobericht gehört. Wie das mit dem Bügeln unter Wasser funktionieren sollte, hatte ich allerdings nicht kapiert. „Wenn du eine Wohnung und einen festen Job hast, brauchst du als nächstes ein Auto“, wechselte Cora das Thema.
„Au ja! Das hätte ich schrecklich gerne wieder. Christian findet ja, zwei Autos in der Stadt sind Unsinn, aber seins durfte ich fast nie benutzen.“
„Du hast diesen Monsterhaushalt ohne Auto versorgt? Was für ein Arschloch!“
„Scheiße, ja!“ Ich blieb stehen. So viel wie in den letzten fünfzehn Stunden hatte ich seit Jahren nicht mehr geflucht (Das große Buch der feinen Lebensart). „Gestern erst! Ich schleppe den Mineralwasserkasten zu Fuß nach Hause, weil ich denke, dass er den Wagen braucht, um bei einem potentiellen Mandanten Eindruck zu schinden, und dabei fährt er damit bloß zu seiner Edeltussi, um mit ihr zu vögeln!“
„So hast du aber bei Christian auch nicht geredet, oder?“
„Nein“, gab ich zu, „aber ich bin so was von stinksauer!“
„Wäre ich auch. Wollen wir ihm was antun?“
„Was denn? Der feine Herr ist doch unangreifbar!“
„Sag das nicht... Er ist doch sehr von seinem guten Ruf in Finanzkreisen abhängig, oder? Über Freddy könnten wir da durchaus Gerüchte streuen. Freddy macht das, wenn wir ihn überzeugen.“
„Nein, das ist mies!“
„Klar, deshalb passt es doch so gut zu deinem feinen Herrn.“
„Das machen wir nicht“, lehnte ich energisch ab. „Schade, ich wollte immer schon mal richtig rattenmäßig jemanden fertigmachen“, seufzte Cora. „Ich könnte mich auch in seine Webseite schmuggeln und da ein bisschen was verändern... Oder ihm einen Virus schicken.“ Nun musste ich doch lachen. „Okay, aber erst, wenn er kein Zeugnis rausrückt oder auf meiner Lohnsteuerkarte sitzen bleibt. Vorher nicht!“
„Wir könnten auch der stilvollen Tussi ein bisschen Ärger machen“, bot Cora begeistert an, „da gibt es sicher schöne