Die Erbschaft. Elisa Scheer
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Читать онлайн книгу Die Erbschaft - Elisa Scheer страница 16
Coras Finger entführten einen schönen großen Chip. „Ich weiß was! Aber das ist nicht mehr ganz jugendfrei.“
„Lass hören“, verlangte Hannah begierig. „Na gut. Warum können Frauen keine Größen schätzen?“
„Warum?“, wollte ich wissen. Cora hielt ihren Zeigefinger hoch. „Weil man ihnen immer einredet, das seien zwanzig Zentimeter!“
Verstand ich nicht. Hannah guckte einen Moment verblüfft, dann prustete sie hilflos in ihr Bier. „Der ist super!“, verkündete sie, sobald sie wieder sprechen konnte. Ich schaute immer noch ratlos drein, bis Cora mein Gesicht sah. „Sarah, denk nach! Wo wären Männer immer gerne besser bestückt, als sie es von Natur aus sind?“
Ach so! Ja, wirklich lustig, vor allem nach drei Bier und einem Prosecco.
Hannah und Cora sammelten noch ein bisschen weiter, während ich mich auf mein nächstes Bier konzentrierte und dazu die Chips aufaß. Viele waren es nicht, und meinen Zustand konnten sie auch nicht mehr retten, ich hatte ganz nett einen sitzen.
Gegen elf warf Cora mir einen schrägen Blick zu. „Sarah, du musst ins Bett, du bist besoffen.“
„Bin ich nicht“, protestierte ich schwächlich. Betrunkene Frauen, das hasste Christian wie die Pest. Der Gedanke brachte mich dazu, noch ein Bier zu bestellen, aber Birgit kam ohne Bier an unseren Tisch.
„Sarah, ich glaube, du hast genug. Du wirst dich morgen grässlich fühlen, geh lieber heim.“
Alle wussten mal wieder alles besser, aber na gut, ich war wirklich müde. Mühsam erhob ich mich. Geradestehen konnte ich noch, und ich kam auch ohne Hilfe in meinen Mantel, aber die anderen hatten Recht – für heute war es genug. „Danke, war ein lustiger Abend“, nuschelte ich zu Hannah und zahlte meine Zeche. Cora nahm meinen Arm und dirigierte mich zur Tür hinaus, während ich Hannah und Birgit noch zuwinkte.
Die kalte Nachtluft traf mich wie ein Schlag, und plötzlich wurde mir schwindlig. „Ist dir schlecht?“, fragte Cora besorgt. „Nein, ich hab nur einen Sauerstoffrausch. Geht gleich wieder. Tut mir Leid, dass ich mich so betrunken habe, du wärst sicher gerne noch länger geblieben, nicht?“
„Macht nichts, wir gehen noch öfter hierher. Hauptsache, du hast dich amüsiert. Hast du doch?“
„Ja“, gab ich zu. „Hannah ist nett. Und euer Spiel ist witzig. Darf ich weiter mitsammeln?“
„Musst du sogar! Wir wollen mindestens so bekannt werden wie die Weicheiliste.“
„Kenn ich nicht“, murmelte ich träge und setzte langsam einen Fuß vor den anderen. Cora schnaufte. „Sag mal, an der Seite deines Christian hast du wohl sämtliche Trends verpasst, was?“
„Wahrscheinlich. Christian liebt das zeitlos Schöne. Und das Internet wird nur beruflich benutzt, um steuerrechtliche Grundsatzurteile abzurufen. Zu Hause hatte er gar keinen Anschluss. Nur ich, für den Laptop, falls er mal schnell Informationen brauchte.“
„Ach, dein Laptop war also auch nur für das Büro da?“
„Klar, aber ich hab ihn selbst bezahlt, also hab ich ihn auch mitgenommen. Da hab ich lange gespart. Und fast meine ganzen Rücklagen verheizt. Das war vor zwei Jahren. Aber er wird sicher Angst haben, dass ich Firmensoftware drauf hab. Ach, er ist so ein Schwein… aber die Rechnung ist in meinem Ordner, ätsch!“
„Dieser Christian ist wirklich unglaublich. Ich denke, wir tun ihm doch noch was an!“
„Nein. Nur wenn er anfängt!“
Cora brummte und schloss die Haustür auf. Immerhin schaffte ich die Treppen in guter Haltung und plumpste danach eher ungraziös ins Bett, gerade, dass ich es noch schaffte, mich auszuziehen und mir flüchtig Gesicht und Zähne zu säubern.
Am nächsten Morgen ging es mir wirklich nicht besonders gut, und ich nahm Coras Orangensaft-mit-Aspirin dankbar entgegen, als ich im Nachthemd in die Küche geschlurft kam. „Schnapsdrossel“, neckte sie mich.
„Sprich nicht so laut“, murrte ich, „aber immerhin habe ich prima geschlafen und weder von Christian noch von seiner Edeltussi geträumt.“
„Na, dann war´s das doch wert. Trink das aus, dusch dich schön lange und zieh dich an, wir wollen doch Wäsche kaufen gehen!“
„O Gott, eine Umkleidekabine ertrage ich heute nicht!“, stöhnte ich, und Cora lachte etwas hämisch.
Nach der Dusche ging es mir aber schon deutlich besser, und nach einem spärlichen Frühstück und mehreren Bechern Kaffee konnte ich dem Gedanken an Seide und Spitze schon eher ins Auge sehen. In der engen Umkleidekabine im Silk&Velvet brach mir zwar mehrfach der Schweiß aus, aber ich probierte brav jeden BH, den Cora mir durch den Vorhang reichte. In dem trüben Licht sah ich wieder mal aus wie zwanzig Jahre älter, und ich bereute jeden Schluck Bier von gestern. O Gott, ich sollte lieber nicht an das Bier denken! Ich guckte schließlich nur noch, ob die BHs saßen und wich jedem Blick in mein bleiches, verquollenes Gesicht aus. Als ich vier wirklich schöne Garnituren gefunden hatte – und pro Stück (ein BH und drei Slips) etwa fünfundvierzig Euro, das war auch nicht so teuer, fand ich, jedenfalls billiger als der hautfarbene Omalook, den Christian anständig gefunden hatte – war ich mit den Nerven am Ende.
„Hoffentlich treffe ich nicht Christian irgendwo“, murmelte ich an der Kasse, „ich sehe heute wirklich aus wie ausgespien. Nachher denkt er noch, ich hab Liebeskummer.“
„Hast du doch auch“, antwortete Cora und verstaute die Wäsche in der Tüte, die die Kassiererin uns lustlos zugeschoben hatte. „Ja, aber eigentlich bin ich eher wütend.“
„Und verkatert. Das gibt sich wieder. Etwas Make-up könnte dir aber nicht schaden, komm, wir schauen ins Kaufhaus!“
Ich folgte Cora brav und wählte ein leichtes Make-up, Wimperntusche und grünlich-bräunlichen Lidschatten aus, außerdem ein Shampoo, das den Haaren extra Glanz verleihen sollte. Neben der Kosmetikabteilung waren die Sonderangebotstische; während Cora noch bei den Parfums herumsuchte, wandte ich mich den Stapeln von Sweatshirts und Polohemden zu und wurde fündig – ein schönes Sweatshirt in blassem Türkis und zwei Polos in Gelb und Apricot. Hoffentlich überlebten die die Waschmaschine, aber sie machten einen ganz soliden Eindruck. Bunte Söckchen im Zehnerpack nahm ich auch gleich noch mit – unter Jeans brauchte ich ja nun wirklich keine edlen Strumpfhosen. Geriet ist jetzt langsam in einen Kaufrausch? Waren das Frustkäufe? Wahrscheinlich, aber der Trostfaktor war wirklich ziemlich hoch, fand ich und gönnte mir auch noch eine preiswerte und ziemlich peppige Umhängetasche.
An der Tür traf ich Cora wieder, die mich angrinste. „Komm, wir gehen Salat essen, dann siehst du gleich wieder fit aus. Oder geht Christian manchmal ins Salads & More?“
„Nein, ich glaube nicht, dass er das kennt. Mit Mandanten geht er gerne ins Médoc oder ins Charlie´s, ansonsten isst er lieber zu Hause. Da muss er kein Trinkgeld geben“, fügte ich boshaft hinzu. Cora lachte vergnügt. „Deine Lebensgeister erwachen ja wieder! Ich glaube, langsam schätzt du ihn richtig ein. Komm, ich lad dich ein!“
Wir schaufelten