Die Erbschaft. Elisa Scheer
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Sobald Gurke und Creme genügend gewirkt hatten, stopfte ich meine getragene Wäsche (vorschriftsmäßig mit Netz) in die Maschine. „Nie wieder Oberhemden bügeln und leinene Tischdecken“, seufzte ich glücklich, als ich die Maschine eingeschaltet hatte, und trug den Wäscheständer ins Gästezimmer.
„Vergiss dein Leinenkleid nicht“, rief Cora mir zu. „Ja, aber das ist nur für mich, und wenn ich es nicht bügeln will, dann kann ich´s auch lassen. Ziehe ich eben was anderes an!“ Ich saß auf meinem Bett und schnitt die Preisschilder von den neuen Garnituren. Natürlich sollte man sie vor dem ersten Tragen waschen, aber das konnte ich nicht – so schön und neu waren sie eben nur vor der ersten Wäsche! Da nahm ich lieber Appreturrückstände in Kauf.
Der Schrank sah jetzt schon richtig gut aus, so, als hätte ich genug anzuziehen, um eine Arbeitswoche zu überstehen. Und lauter Klamotten, in denen Christian mich nicht wieder erkennen würde! Warum war ich auf einen solchen Idioten fünf Jahre lang hereingefallen? Und warum hatte ich mich von ihm so ausnehmen lassen?
Ich legte mich aufs Bett, sobald ich die neue Wäsche im Schrank verstaut und die nassen Klamotten aufgehängt hatte, und dachte nach. Hatte er mich ausgenommen? War das alles aus seiner Sicht nicht ganz normal gewesen? Wir hatten zusammen gelebt, zusammen gearbeitet – in einem ästhetischen Ambiente, wie er sich sein Leben eben vorstellte – und dann hatte er sich in eine andere verliebt. Was hätte er machen sollen? Darauf verzichten? Bei mir bleiben, obwohl er mich nicht mehr liebte? Hätte ich das getan? Wohl kaum... Welche Reaktion hätte ich erwartet, wenn ich ihm eine derartige Eröffnung gemacht hatte? Dass er wortlos seine Sachen gepackt hätte und verschwunden wäre? Oder hätte er mich fragen sollen, wie mir das Ganze vorstellte? Hätte er um mich kämpfen sollen? Ich wusste es selbst nicht, ich wusste nur, dass ich nicht anders hatte handeln können – ein bisschen Stolz musste ich schließlich noch zeigen dürfen. Hätte ich um eine Abfindung feilschen sollen? Mich benehmen wie eine Ehefrau, von der man sich scheiden lassen will? Hätte ich schon vor vier oder fünf Jahren auf einer Heirat bestehen sollen, um im Falle einer Trennung finanzielle Ansprüche zu haben? Aber Christian hatte mir nie angeboten, mich zu heiraten. Und diese Charlotte wollte er nun heiraten. Warum? Da gab es verschiedene Möglichkeiten, überlegte ich, die Arme im Nacken verschränkt und an die Decke starrend:
a) Er liebte sie so rasend, dass er sie durch die Heirat für sich sichern wollte. Gefiel mir nicht.
b) Er kriegte sie nicht ohne Heirat.
Blödsinn, wie war sie denn dann schwanger geworden?
c) Sie war eine gute Partie.
Vielleicht hatte sie Geld - und ganz sicher hatte sie gute Beziehungen. Wenn die ganze noble Verwandtschaft sich bei ihm die Steuererklärung machen ließ, hatte Christian so ziemlich ausgesorgt. Im Vergleich zu ihr war ich der totale Nobody.
d) Sie wollte ohne etwas Schriftliches nicht mit ihm zusammen arbeiten und er brauchte sie.
Gut, das hatte was – immerhin war sie genau wie Christian selbst fertige Betriebswirtin und nicht nur eine ordinäre Studienabbrecherin wie ich. Ja, das erschien mir überzeugend.
Alle Gründe hatten etwas Deprimierendes, wenn auch Punkt b) albern war. Aber eins war klar – sie hatte etwas, was ich nicht hatte, entweder ein faszinierenderes Wesen, einen eindrucksvolleren Background (na, das war nicht weiter schwierig!) oder die bessere Ausbildung. Dagegen konnte ich nicht an, und nachgerade fragte ich mich, ob ich das überhaupt noch wollte.
Hatte es denn Sinn, sich pausenlos abzurackern, um fremden Ansprüchen zu genügen, wenn man jederzeit von der Konkurrenz mühelos überholt werden konnte? Sogar wenn ich diese stilvolle Charlotte aus dem Feld geschlagen hätte, eines Tages wäre eine elegante Komtesse mit Prädikatsexamen oder die Tochter eines Staatsministers mit eigener Brokerkarriere und Millionenvermögen aufgetaucht und Christian hätte mich ohnehin abserviert.
Ich sollte mich in meine Nische zurückziehen, beschloss ich, Einzimmerappartement mit IKEA-Möbeln, Jeans und Sweatshirts, einfache Bürojobs, ab und zu ein Weibertratsch im Ratlos und ein friedliches Privatleben. Kein Mann im Bett war zwar ein bisschen fad, aber dafür wurde ich auch nicht angeblafft, wenn die Bettbezüge bloß aus billiger Baumwolle waren oder der Frühstückstee aus Beuteln aufgegossen wurde. Vielleicht sollte ich mir einen Vibrator zulegen, der meckerte wenigstens nicht rum, dass ich keinen Stil hatte.
Sehr fesselnd lag meine Zukunft aber nicht vor mir – ich hatte vergessen, dass die IKEA-Regale wahrscheinlich nicht nur mit Weiberrromanen (typische Frustlektüre), sondern auch mit irgendwelchem geerbten Tinnef vollgestopft sein würden. Ich sollte mich wohl unmittelbar nach dem Rechtsanwaltsbesuch erkundigen, wo der nächste Flohmarkt stattfand!
Fast das ganze Wochenende verbrachte ich mit solchen trüben Gedanken. Ab und zu versuchte Cora mich hochzuscheuchen, aber das Wetter war zum Kotzen, meine Gedanken waren kaum besser, und ich sah wirklich keinen Grund, aufzustehen und mich anzuziehen: Ich duschte am Sonntag nur flüchtig und schlurfte dann den halben Tag im Morgenmantel herum, zappte ein bisschen durch die Programme und lag dann wieder appetitlos auf dem Gästebett herum. Cora gab irgendwann auf, weil ohnehin ihr Freddy erschien und ihre Aufmerksamkeit erforderte.
Ich versuchte, das Gekicher und Geseufze aus dem Schlafzimmer zu überhören und dachte wieder darüber nach, was ich bei Christian falsch gemacht haben könnte. Hätte ich mich weiterbilden sollen? Kultivierter sein sollen? Vielleicht Kurse machen, die mir ein umfassendes Wissen über Kunst und Musik vermittelten, so dass ich auf Vernissagen hätte kenntnisreich auftreten können, als Dame von Welt sozusagen... Hätte ich mir Background verschaffen sollen? Sicher taten das viele im Jetset, peppten ihren Namen ein bisschen auf, gaben dezent mit prominenten Bekannten an, achteten auf elitäre Adressen, logen, wenn es um die Nobelinternate ging, die sie angeblich besucht hatten... Ich hatte vor Jahren mal ein Buch gelesen, das einem nicht ganz ernst gemeinte Tipps zur Imageverbesserung gab. O wie oben hatte es geheißen – oder so ähnlich. Hinreißend lustig und boshaft, aber vielleicht nicht hundertprozentig zur Nachahmung zu empfehlen...
Das wäre natürlich das Allerkomischste – wenn sich die vornehme Charlotte als ehrgeizige Aufsteigerin entpuppte, die eigentlich aus der Hochhaussiedlung Mönchenpark oder vom Kreuz West stammte! Dann würde ich wirklich sehr gerne Christians Gesicht sehen... Am besten vergaß ich ihn und zeigte ihm langfristig, dass ich sehr gut auch alleine zurechtkam, und vor allem, dass ich alleine ganz anders lebte und alle seine erzieherischen Maßnahmen (Das große Buch der feinen Lebensart) völlig umsonst gewesen waren. Oder würde er, falls wir uns jemals wieder trafen, nur denken Schade, wieder völlig abgesunken? Was ging es mich eigentlich an, was Christian von mir dachte? Dass ich ihm langfristig nicht gut genug gewesen war, wusste ich ja schließlich!
Andererseits, die Macht der Liebe... Ach, an der Stelle war ich doch schon mal gewesen, Schluss jetzt!
Am Sonntagabend raffte ich mich mühsam auf und bügelte meine Wäsche, denn für den Anwaltsbesuch wollte ich mich doch etwas geschäftsmäßiger anziehen; ich dachte an das graue Tweedkostüm, graue Pumps und die blassgelbe Seidenbluse, die noch verknittert auf dem Wäschegestell hing. Aber darunter nicht hautfarbenes strammes Lycra (anscheinend hatte Christian mich doch für zu dick gehalten, wenn er mir dauernd derartige Panzer empfohlen hatte), sondern ebenfalls zartgelber Satin mit schmalen weißen Spitzenkanten.