Die Erbschaft. Elisa Scheer

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Die Erbschaft - Elisa Scheer

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      Nervös war ich trotzdem, als ich am Montag um kurz vor zehn, aufgebrezelt wie zu einem Meeting und die lässig gestylte Cora neben mir, in der Avenariusgasse läutete. Wahrscheinlich würde ich irgendwelche Möchtegernkunst erben und musste im Gegenzug hundert Jahre lang ein Hundegrab pflegen – oder es handelte sich wirklich um einen Irrtum! Leute wie Cora gingen in solchen Fällen ihre Verwandtschaft durch und kamen schließlich auf die durchgeknallte Großtante Erna, die seit dreißig Jahren in einem Stift in Schleswig-Holstein lebte und ihnen nun ein Meißner Service vermacht hatte, weil sie sie als einzige nicht mit Besuchen im Heim genervt hatten – oder so ähnlich.

      Hatten meine Großeltern eigentlich Geschwister gehabt? Ich versuchte mich zu erinnern, was Mutti erzählt hatte. Oma war ein Einzelkind gewesen, mit der Cousine, die nun Irmas Großmutter war, als einziger etwa gleichaltriger Verwandter. Und Großvater? Geboren 1924, er war noch im Krieg gewesen, in der Normandie und am Rhein. Doch, er hatte einen Bruder gehabt, ein Jahr älter, hatte Mutti erzählt; der war ebenfalls unmittelbar nach dem Notabitur 1942 eingezogen worden und in Stalingrad gefallen. Mehr Familie gab es einfach nicht, und dass mein unbekannter Erzeuger Mutti im Auge behalten hatte – ohne sich jemals zu melden! – nur um mir später ein Vermögen zu hinterlassen, das gehörte doch wohl eher in den Bereich Fernsehschicksal der Woche.

      Der Summer ertönte und wir drückten die schwere Tür auf. Eine Marmortreppe führte in den ersten Stock. Bevor die Kanzleitür dort geöffnet wurde, sah ich noch, dass die Treppen in die oberen Stockwerke weniger elegant gestylt waren – mit ordinärem, leicht verflecktem Teppichboden ging es weiter.

      „Frau Ulitz? Bitte kommen Sie herein.“ Die Anwaltsgehilfin war ziemlich genauso zurechtgemacht wie ich, offenbar gab es tatsächlich eine Uniform für dienstbare weibliche Geister in Büros mit Publikumsverkehr.

      „Wenn Sie noch einen Moment warten würden... Darf ich Ihnen Kaffee bringen?“

      Ich schüttelte den Kopf, Cora nahm an. Das Vorzimmer sah so ähnlich aus wie in Christians Büro – renovierter Altbau, aber moderne Möbel, Fax, Computerterminals, Aktenordner. Ein Telefon läutete.

      Ich war noch nie bei einem Anwalt gewesen und hatte mir solche Kanzleien mehr so vorgestellt wie in englischen Spielfilmen oder Romanen von Agatha Christie – holzgetäfelt, auf den Regalen Kästen mit vornehmen Aufschriften, Sir Marmaduke Fossingham, Esqu. oder so ähnlich, Bürovorsteher und Anwalt in korrektem Tweed (hatte ich deshalb heute das Tweedkostüm angezogen?), die Sekretärin mit gewelltem Bubikopf wie in den Zwanzigern. Ich schüttelte noch einmal den Kopf, um diese albernen Bilder zu vertreiben. Warum sollte eine hiesige und heutige Kanzlei auch aussehen wie im Templebezirk anno 1924? Damals war mein Großvater noch ein harmloser Säugling und nicht der totale Rabenvater.

      „Kommen Sie bitte mit?“ Die Sekretärin führte uns in ein Zimmer, das genauso aussah wie ihr eigenes – Aktenordner, Möbel vom Büromöbeldiscount, schlecht gestrichene Bogenfenster (garantiert im Winter nicht richtig dicht). Christian hatte damals darauf bestanden, sein Büro mit Designerstücken einzurichten, als vertrauensbildende Maßnahme. Den Vorraum natürlich nicht!

      Hier schien eine weniger strenge Hierarchie zu herrschen, und der Mann, der sich hinter dem Schreibtisch erhob und uns beiden die Hand schüttelte, sah ziemlich zerzaust aus. Der Anzug saß schief und war zerknittert (zweitklassiges Tuch, hätte Christian jetzt abfällig notiert), die Krawatte (Polyester, das sah auch ich sofort) war gelockert und die Brille vor den freundlichen Augen war nicht vom angesagten Optiker, sondern eher von der Krankenkasse. Der Mann war mir sofort sympathisch. „Frau Ulitz? Schön, dass Sie so bald kommen konnten. Sicher sind Sie schon recht neugierig?“

      „Das kann man wohl sagen“, stimmte ich zu. „Wenn man bedenkt, dass ich überhaupt keine Familie habe, kann ich ja nur gespannt sein, wann sich herausstellen wird, dass es sich hier um einen Irrtum handelt.“

      Er zwinkerte und fuhr sich durchs Haar, bis die spärlichen grauen Reste noch wilder abstanden als vorher. „Ich glaube nicht, dass hier ein Irrtum vorliegt. Sie sind doch Sarah Ulitz, geboren am 7.10.1971, wohnhaft Philippinengasse 26?“

      „Ja, bloß die Adresse stimmt nicht mehr.“

      „Ach ja? Würden Sie mir Ihre derzeitige Anschrift angeben?“

      „Sie wohnt jetzt bei mir“, schaltete Cora sich ein und gab Namen und Adresse an.

      „Sicher nur vorübergehend“, murmelte er beim Schreiben. „So lange sie möchte!“, gab Cora scharf zurück.

      Er sah auf und zwinkerte wieder. „Natürlich!“ Hatte er eigentlich einen Tick? Dieses dauernde Zwinkern war etwas irritierend, fand ich. „Nun, es geht um das Testament Ihres Großvaters, Frau Ulitz.“

      „Das kann doch gar nicht sein, der muss doch schon ewig tot sein!“, antwortete ich verblüfft. „Und warum sollte er der Familienschande irgendwas hinterlassen?“

      „Familienschande?“ Der Anwalt schlitzte feierlich einen versiegelten Umschlag auf. „Er hat meine Mutter rausgeschmissen, als ich unterwegs war. Dann wird er mir jetzt gerade irgendwelchen Krempel vererben. Na, vielleicht exakt einen Euro, um mich von der Straße fernzuhalten. Sicher hat er gedacht, wie die Mutter, so die Tochter.“ Mein Ton klang mir selbst bitter in den Ohren. Der Anwalt räusperte sich. „Wir werden sehen. Ich würde Ihnen trotzdem gerne das Testament vorlesen. Ihr Großvater ist übrigens erst vor zwei Wochen verstorben, Herzinfarkt.“

      „Tun Sie, was Sie nicht lassen können“, murrte ich, „aber wenn er Unverschämtheiten über Mutti reingeschrieben hat, dann gehe ich sofort!“

      „Das bleibt Ihnen unbenommen“, allmählich klang er leicht gereizt, „aber ich mache hier auch nur meine Arbeit.“

      „Entschuldigung, ich höre zu“, murmelte ich und nahm mir vor, ruhig zu bleiben. Was sollte schon passieren?

      Er entfaltete einen großen Bogen.

       „Dies ist das Testament und der letzte Wille des Hermann Joseph Ulitz, geboren am 15. 05.1924. Im Vollbesitz meiner geistigen Kräfte vermache mich mein komplettes Vermögen, bestehend aus der Wohnung Sophienstraße 12 samt Inventar und meinen Konten und Wertpapierdepots, meiner Enkelin Sarah Ulitz, geboren am 07.10.1971.“

      Cora neben mir keuchte überrascht, ich war zu gar keiner Reaktion mehr fähig. Das war doch wohl ein Hörfehler gewesen! Der Anwalt warf uns einen prüfenden Blick zu und las weiter.

      „Begründung: Eigentlich hätte meine Tochter Annemarie Ulitz Nutznießerin des Testaments sein sollen. Ich habe sie damals sehr hart behandelt, als ich ihr jede Unterstützung verweigerte. Trotzdem hat sie es geschafft, ihr Kind anständig großzuziehen, was Respekt verdient. Da sie nicht mehr lebt, kann ich nur meiner Enkelin zeigen, dass ich heute in einer vergleichbaren Situation anders handeln würde – und nicht nur, weil sich die Moralvorstellungen seit 1971 grundlegend gewandelt haben.

       Ich bitte meine Enkelin, die Erbschaft nicht aus übertriebenem Stolz abzulehnen, sondern mir die Möglichkeit zu geben, etwas wieder gut zu machen, was mich schon lange belastet.

       31.12.1998 Hermann Joseph Ulitz.“

      „Die Unterschrift wurde in meiner Gegenwart eigenhändig geleistet, somit ist das Testament rechtsgültig“, stellte der Anwalt noch fest und faltete den Bogen zusammen. Ich saß ganz benommen da und starrte vor mich hin. Cora sah den Anwalt an und sagte nur „Wahnsinn!“ Er lachte kurz. „Frau Ulitz, nehmen Sie die Erbschaft an?“

      Ich

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