Die Erbschaft. Elisa Scheer
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„Mach ich, das hast du dir echt verdient. Ich glaube, alleine hätte ich mich gar nicht hierher getraut. Und was ich fragen soll, hätte ich auch nicht gewusst. Woher kennst du dich da so gut aus?“
„Tu ich gar nicht. Aber nachdem Freddy ja Anwalt ist, schnappt man ab und zu etwas auf. Und bei MediaService gibt´s auch ab und zu juristische Probleme. Was hat er gesagt? Sophienstraße 12? Prima Lage, das ist doch gleich beim Salads & More, nicht? Wenn wir das am Samstag schon gewusst hätten!“
Sie zerrte mich durch die Straßen; ich glaubte, Cora freute sich fast mehr als ich, denn ich konnte das immer noch nicht so ganz glauben. Ich hatte eine Wohnung geerbt? Eine riesige Wohnung? Voller Kram? Das mit dem restlichen Vermögen leuchtete mir nicht so ganz ein, aber wenn es für die anfallenden Kosten reichte, sollte es mir Recht sein. Die Sache mit dem Untermieter war vielleicht ganz praktisch, seine Miete reichte möglicherweise für einen Teil der Nebenkosten, dann kam mich die Wohnung gar nicht so teuer. Dann könnte ich mich ohne allzu große Existenzsorgen mit JobTime-Aufträgen durchs Leben schlagen...
„Hier, das muss es sein!“
Das Haus sah gut aus, grau gestrichen, die klassizistischen Verzierungen in dunklerem Grau, Weiß und sattem Gelb abgesetzt. Im ersten Stock gab es sogar kleine Säulchen zwischen den Fenstern; im Erdgeschoss befanden sich ein Café und ein Schreibwarenladen, dazwischen lag die Hofeinfahrt, mit einem schmiedeeisernen Tor zur Straße hin abgeschlossen, aber das Tür stand offen, also schlichen wir hinein. Links in der Einfahrt befand sich eine mächtige Tür, die offenbar ins Vordergebäude führte. Wir ließen sie unbeachtet und eilten weiter, bis wir die Rückfront betrachten konnten. Schlichter gestaltet – wie nicht anders zu erwarten – mit recht großen, säulenverzierten Balkonen und gut in Schuss. Der Hof war hübsch angelegt, mit Kopfsteinpflaster, einem kleinen Brunnen in der Mitte und zwei schmiedeeisernen Bänken. Auf einer saß eine alte Dame und döste.
Wir zogen uns schnell wieder zurück, bevor sie noch die Augen öffnete und uns ins Gebet nahm, was wir hier wollten. Lieber studierten wir draußen die Klingeltafel! Offenbar gehörte meinem Großvater die rechte Wohnung im ersten Stock – nicht übel. Beletage, sozusagen! Und einen Aufzug gab es auch, er führte direkt in die Hofeinfahrt und war, wie mir ein rascher Blick zeigte, nur mit einem Hausschlüssel zu benutzen. Sehr praktisch.
Eigentlich passte das alles nicht zusammen – das Haus war höchstens vor zehn Jahren renoviert worden, aber man hatte an den riesigen Wohnungen offenbar nichts geändert. Hätten sich Zwei- bis Dreizimmerwohnungen nicht viel besser verkauft? Cora schüttelte den Kopf, als wir vor unseren Salattellern saßen, und spießte eine Crevette in Knoblauchdillsauce auf. „Nicht, wenn die Wohnungen schon vorher in Privateigentum waren. Wie lange hat dein Großvater denn hier schon gewohnt?“
„Weiß ich nicht. Aber wenn ich es mir recht überlege, hat Mutti erzählt, dass sie hier in der Gegend aufgewachsen ist. Vielleicht haben sie immer schon hier gewohnt?“
„Ich find´s eher komisch, dass deine Großeltern, wenn sie schon gut bei Kasse waren, nie über ein eigenes Haus nachgedacht haben. Das ist doch meistens das erste, was junge Familien tun, sobald das Geld zu reichen scheint. Meine Eltern haben jedenfalls sofort nach meiner Geburt beschlossen, dass ihre Vierzimmerwohnung nicht mehr ausreicht, nicht mit drei kleinen Kindern, und sich ein Reihenhaus in Zolling gekauft. Ich glaube, sie zahlen immer noch ab, obwohl keiner von uns mehr dort wohnt.“ Coras ältere Geschwister wohnten nicht einmal mehr in Bayern; ihre Schwester lebte in Düsseldorf und ihr Bruder war in irgendeinem Bundesministerium beschäftigt und hatte sich demzufolge in Berlin niedergelassen.
„Sind deine Eltern jetzt nicht ziemlich einsam?“
„Ach, gar nicht. Papa bastelt ununterbrochen am Garten herum, und Mama ist sehr aktiv in der dortigen Kirche. Bastelgruppe, Altenpflege, Bazare, all so was, sie ist immerzu voll im Stress. Wenn ich vorbeikomme, zanken sich meine Eltern bloß, ob ich zuerst Mama mit drei Blechen Streuselkuchen ins Pfarrhaus fahren oder Papa helfen soll, die Hecke in Form zu schneiden. Sie fragen flüchtig, wie es mir geht, und texten mich dann total zu, Setzlinge, Turbopower-Rasenmäher, Häkelkreis, ob ich beim nächsten Bazar nicht helfen will. Eigentlich sind sie putzig, aber sie finden, dass wir drei nun alleine zurechtkommen sollten, und damit haben sie ja auch völlig Recht.“
Ich gab ein zustimmendes Geräusch von mir, rührte in meinen Salaten herum und zerbröselte mein Parmesanbaguette. „Hast du schon wieder keinen Hunger? Oder hast du Angst, dass die neuen Jeans kneifen könnten?“
Ich musste lachen. „Die kneifen doch ohnehin, so eng, wie die sind. Nein, ich hab wirklich keinen besonderen Appetit, tut mir Leid. Weißt du, das ist alles ein bisschen viel. Am Donnerstag um die Zeit wusste ich noch ganz genau, wie mein Leben aussehen würde, dann verliere ich mit einem Schlag Freund, Wohnung und Job – und jetzt hab ich eine neue Wohnung, die ich noch gar nicht kenne, einen neuen Job, über den ich auch noch nichts weiß. Ich denke immer noch, ich wache auf und alles war bloß ein wüster Traum.“
„Verstehe ich. Soll ich dich noch mal kneifen? Mach ich gern“, bot Cora mit vollem Mund an.
„Kann ich mir denken, du hast mir vorhin schon einen blauen Fleck verpasst. Nein, ich brauche einfach noch ein bisschen Zeit, um das alles zu verarbeiten.“
„Nimm dir so viel Zeit, wie du brauchst. Vor Dienstag nach Ostern wird sich ohnehin nicht viel tun, und dann guckst du dir deinen Arbeitsplatz und diese Superwohnung an. Du gewöhnst dich schon dran.“
Ich schob eine Spargelspitze auf dem Teller hin und her. „Findest du es richtig, dass ich die Erbschaft angenommen habe? Ich meine, hätte ich nicht wegen Mutti ablehnen sollen?“
„Spinnst du?“ Cora hätte fast die Gabel fallen gelassen. „Was hätte das gebracht? Der Alte würde deshalb auch nicht im Grab rotieren, du hättest das ganze höchstens dem Staat in den Rachen geworfen! Und deine Mutter wäre doch froh, wenn du wenigstens wieder gut wohnen und leben kannst, oder?“
„Vielleicht. Ich denke nur, ich habe nicht viel Stolz gezeigt, oder?“
„Als du Knall auf Fall bei Christian raus bist, hast du genug Stolz gezeigt, das reicht jetzt für die nächsten zehn Jahre. Und der hat doch wenigstens dumm geschaut! Wenn du dich an deinem Opa rächen willst, dann kannst du immer noch alles verscherbeln, so dass nichts von ihm bleibt, und dir mit dem ganzen Geld einen schönen Lenz machen. Das wäre doch eine gelungene Rache!“
„Ja, mag sein...“ Ich rührte weiter auf meinem Teller herum. „Ich kann mir das alles einfach noch nicht vorstellen.“
„Das kommt schon noch. Und ich glaube, dieser Antrack hilft dir auch, wenn du eine Frage hast. Zeig doch mal die ganzen Dokumente, die du unterschrieben hast!“
Ich fischte sie aus der Tasche und reichte sie ihr. „Nachher kaufen wir einen richtig peppigen Ordner dafür, im Uni-Lädle, da gibt´s immer noch die schönsten. Irgendein Muster, das dem guten Christian das Frühstück wieder hochtreiben würde.“
Ich musste lachen. „Ja, gut. Du darfst ihn aussuchen.“
Sie überflog Blatt für Blatt und gab sie mir zurück. „Nichts Arges, du hast nicht unterschrieben, dass er Mordssummen für seinen juristischen Beistand kriegt oder dass du auf irgendwas verzichtest. Wirklich nur das, was er gesagt hat. Ich glaube, der ist in Ordnung.“
„Denke ich auch. Ich meine, wenn er krumme Touren reiten würde, müsste er in dem Alter doch eine schickere Kanzlei haben, oder?“
„Stimmt.