Die Legenden des Karl Kirchhoff. Helmut H. Schulz

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Die Legenden des Karl Kirchhoff - Helmut H. Schulz

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      Der Vater steht wartend da, er antwortet nicht.

      „Sie haben ja hier eine Badewanne aufgestellt gehabt", sagt Onkel Hannemann unfreundlich. „Da sieht man ja noch jetzt den Rand auf den Dielen, das ist verboten. Ist denn unter dem Fenster der Schwamm drin? Sie sind verpflichtet gewesen, mir das zu melden."

      Der Vater sagt noch immer nichts. Karl blickt fassungslos auf Onkel Hannemann, der doch sonst immer so freundlich war.

      „So“, sagt Onkel Hannemann, „so nehme ich Ihnen die Wohnung nicht ab. In dem Mietvertrag steht, die Wohnung ist in sauberem und gutem Zustand zu übergeben. Für den Schwamm mach ich Sie haftbar, Herr Kirchhoff.“

      Karl beobachtet gespannt die Auseinandersetzung. zwischen Onkel Hannemann und dem Vater.

      „Ich hab große Lust, Ihre Möbel hierzubehalten“, sagt Onkel Hannemann.

      Jetzt platzt der Vater, zornig redet er auf 0nkel Hannemann ein, erklärt ihm, dass sein Gestänker jetzt gar nichts mehr ändert, und dass sie ausziehen, wie es ihnen passt.

      „Da irren Sie sich aber gewaltig“, sagt Onkel Hannemann, „ihr müsst eure Mietverträge lesen, Leute, nicht bloß unterschreiben. Da steht auch drin, ich kann Ihre Klamotten einbehalten bis zur Tilgung eurer Schulden, aber det will ick nich. Wir können ja die Sache in Ruhe beilegen.- Geben Sie fuffzig Mark und die Geschichte ist erledigt. Den Rest jeb ick.“

      Das ist Onkel Hannemann: Er will fünfzig Mark, den Rest gibt er, angeblich um den Schaden reparieren zu lassen. Aber sogar Karl weiß, dass Onkel Hannemann die Wohnung so wieder vermieten und dann nie mehr heraufkommen wird, bis der Betreffende wieder auszieht. Onkel Hannemann will nur die fünfzig Mark, er ist ein Gauner, seine Freundlichkeit ist nichts wert, er kam die ganzen acht Jahre nicht hinauf in die Kochstube, immer wenn die Mutter einen Übelstand meldete, zuckte er die Achseln. Bei der Mietzahlung kamen die Mieter zu ihm in die Wohnung und beklagten sich, er zählte ruhig die Geldscheine ab, nickend, Besserung versprechend. Manchmal erließ er einem „alleinstehenden“ Mädchen, wie Mutter sagte, oder Nutten, nach Onkel Hannemann, eine Restschuld, augenzwinkernd. Nein, Onkel Hannemann war kein Freund, der wollte nichts Gutes für Sie, er wollte fünfzig Mark, und der Mietvertrag, den sie dummerweise nicht gelesen hatten, dieser Mietvertrag gab ihm das Recht auf die fünfzig Mark.

      „Nun passen Sie mal gut auf, Herr Hannemann'", sagt der Vater, „wir geben ihnen nun die Schlüssel, der Wagen wird abfahren, und Renate wird schnell mal zur Wache gehen, einen Schutzmann holen, der feststellt, ob die Schäden, die Sie gefunden haben, eine Beschlagnahme der Sachen rechtfertigt. Übrigens bekommen Sie von mir keinen Pfennig. Wir haben Ihnen mehr als einmal gesagt, dass der Schwamm im Haus ist, nicht nur wir, alle Mieter. Wenn Sie Ihr Haus verkommen lassen, dann ist das Ihre Sache.“

      Der Vater weiß immer Rat, nie ist er verlegen. Onkel Hannemann ist ein Aas, keine Freundschaft mehr mit solchen Wirten! Der Vater legt die Schlüssel auf das Fensterbrett, der sprachlose Onkel Hannemann sieht zu, wie sein Mieter die Familie aus der Wohnung schickt und selber geht. Da läuft er ihnen nach, er läuft bis ins Treppenhaus, er brüllt ihnen hinterher, Türen gehen auf, es entsteht ein Streit von Wohnung zu Wohnung, Onkel Hannemann wird wüst beschimpft, einer nennt ihn eine Mistamsel. Diesen kernigen Ausdruck nimmt Karl mit aus der Inselstraße.

      Der Wagen kann nun endlich losfahren. Karl sitzt vorn in der Führerkabine, er kann durch die Scheiben auf die Straße sehen. Wallstraße, Alexanderstraße, Alexanderplatz, und als der überquert ist weiter links vom Prenzlauer Berg, Alte und Neue Schönhauser, Fehrbelliner Straße, Kastanienallee. Da ist man, der Wagen hält, es fängt leicht an zu regnen, die Sachen werden im Laufschritt in den Hausflur getragen und dann in den vierten Stock: Dort ist ihre neue Wohnung, zwei Zimmer, Küche, ein Balkon, Toilette eine halbe Treppe tiefer, aber „sie wird nur von uns benutzt.“

      Am Abend sitzen sie alle vier in der neuen Wohnung, der Vater räumt seine Bücher in das Regal. Die Mutter mäkelt, der Wasserhahn müsse abgedichtet werden, „die Bücher kannst du doch morgen auch noch einräumen, dass ich erst mal Wasser kriege.“

      Es klingelt. „Wer ist denn das nun wieder?“

      Es ist Herr Schreiter mit seiner Frau Kathinka, die kein richtiges Deutsch spricht, weil sie eine Polin ist. Und zu sechst sind sie endlich spät am Abend so weit; dass sie sich um den runden Ausziehtisch setzen können. Die Frauen trinken Kaffee, die Männer Bier. Es wird Mitternacht, und Karl und Renate gehen ins Nebenzimmer. Dort sind zwei Betten für sie aufgestellt. Es ist die erste Nacht im neuen Haus, und sie liegen jeder in einem eigenen Bett.

      Der Vater und Herr Schreiter saßen nun fast täglich beieinander. Die Kinder sagten Onkel und Tante zu dem Ehepaar, die Eltern duzten sich, sie feierten das Weihnachtsfest und Silvester zusammen, als seien sie eine Familie. Der junge Karl fasste langsam Zutrauen zu dem Kollegen des Vaters. Den Gesprächen aber, die geführt wurden, stand er etwas ratlos gegenüber.

      Weshalb sollte ein „Aktionsprogramm“ plötzlich nötig sein? Was bedeutete das Wort überhaupt? Es musste etwas passiert sein, die Erwachsenen waren so aufgeregt. Endlich geschah dann, was sich der junge Karl ins Bild setzen konnte: Ein Gebäude hatte gebrannt.

      Eine Nacht aber, kurze Zeit danach, blieb als dunkle und drohende Erinnerung im Gedächtnis haften. Karl und Renate wurden durch ein Klopfen an der Tür aus dem Schlaf gerissen. Sie hörten den Vater öffnen und Stimmengewirr im Wohnzimmer. Dann ging das Licht an, zwei Männer in grauen Mänteln befahlen ihnen, aufzustehen.

      „Nun mal los, Kirchhoff“, sagte der eine, während der andere sich an den Büchern zu schaffen machte, sie durchfasste und kräftig schüttelte. „Sie müssen doch wissen, wo Ihr Genosse steckt. Nun packen Sie mal aus, das ist besser für Sie.“

      Der Vater erklärte, er habe Herrn Schreiter lange nicht gesehen, sei übrigens in keiner Partei und hätte keine Ahnung, was sie von ihm wollten. Das klang merkwürdig anders für den kleinen Karl, und der Vater sah auch anders aus, gar nicht kampflustig, eher ängstlich. „Was haben Sie denn heute in der Wohnung Schreiters zu tun gehabt?", fragte der andere Graue.

      Er hätte den Auftrag gehabt, sich zu erkundigen, weshalb Schreiter nicht zur Arbeit käme, der wäre aber nicht zu Hause gewesen. Ob etwas Ernstes vorgefallen sei?

      „Fragen stellen wir“, sagte der Graue. „Komische Bücher haben Sie, lesen Sie die alle?"

      Freilich, der Vater las diese Bücher alle. Was waren das für Leute, die solche Fragen stellten, die den Vater herausklopften und eine Macht zu verkörpern schienen, gegen die selbst der Vater nichts mehr vermochte; jedenfalls tat er sehr bescheiden und sah ziemlich blass aus. Was war bloß geschehen? Sie suchten Herrn Schreiter, Onkel Bernhard, warum, was hatte der getan?

      „Nun sehen Sie mal an“, sagte der Graue. „Aber dass die Nationalsozialisten den Reichstag angesteckt haben, das haben Sie doch überall rumgequatscht, das können Sie doch nicht bestreiten, Kirchhoff, ja?“

      „Nein", sagte er Vater, „wir wissen ja, dass eine Untersuchung im Gange ist, und die Justiz wird die Wahrheit sicher herausbringen.“

      Der eine Graue sagte, die Justiz würde zunächst was ganz anderes herausbringen, wenn er nicht seinen Mund aufmachte.

      Ob sie einen Haftbefehl hätten, fragte der Vater.

      „Werden Sie nicht frech“, sagten die Grauen und: „Sagen Sie mal, Kirchhoff, das ist doch so ein richtiges rotes Nest, Ihre Bude da in der Bülowstraße, was? Da gefällt es Ihnen wohl?"

      Der Vater sagte er kümmere

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