Königreich der Pferde. Rudolf Jedele

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Königreich der Pferde - Rudolf Jedele

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      „So ist der Krieger in mir zurückgekehrt?

      Der Bär sagt, er hat ihn erkannt. Ich selbst habe ihn noch nicht wieder entdecken können. Ich ahne allenfalls, dass da etwas sein könnte, dass früher einmal Shandra el Guerrero gewesen war. Ich plane meine unmittelbare Zukunft nicht wie ein Krieger, sondern eher wie ein Händler. Ich fürchte mich davor, anderen Menschen mit leeren Händen gegenüber zu stehen und sie durch die Kraft meines Körpers, meines Geistes und durch meine Kampfkunst für mich zu gewinnen.

      Bin ich dennoch auf dem Weg, am Ende meines Lebens wieder der Krieger zu werden?“

      Shandra folgte einem Höhenzug, auf dem die Tannen etwas weniger dicht standen. So kam er ein wenig schneller voran, doch seine Tagesetappen waren immer noch unglaublich kurz im Vergleich zu den Strecken, die er in derselben Zeit auf der Tundra oder in einer Steppe hätte zurücklegen können. Aber er kam voran und war deshalb doch zufrieden. Die Taiga verlangte ihm zwar weiterhin vieles ab, aber da ihn niemand hetzte, da er ohne jeden Zeitdruck unterwegs war, was spielten da ein paar Tage mehr oder weniger, die er für eine Etappe seiner Reise benötigte, denn für eine Rolle?

      Am Abend saß Shandra wieder an seinem kleinen Kochfeuer.

      Er hatte am Nachmittag ein fettes Schneehuhn erlegen können und bereitete es nun in einer Kochgrube neben dem Feuer zu. Die Füllung aus jungem Huflattich, der gerade seine gelben Köpfe aus dem gefrorenen Boden zu schieben begann, würde ihm einen besonderen Genuss verschaffen und zugleich seiner Gesundheit nützen, seine Abwehrkräfte stärken.

      Während er am Feuer saß, waren Shandras Gedanken zu seiner Begegnung mit dem Geist des Bären zurückgekehrt. Er war immer noch zutiefst beeindruckt von der ungeheuren Präsenz des Bärengeistes nach so langer Zeit ohne Kontakt. Zugleich aber machte ihm die Forderung des Bären zu schaffen, dass er Sungaeta zwingend töten müsse.

      Woher, so fragte er sich, nahmen eigentlich die Geister, die sein Leben so sehr geprägt hatten, immer noch das Recht, ihm den Tod von Menschen abzuverlangen?

      Hatte er ihnen in seiner Zeit als Krieger, Stratege und Schlachtenführer nicht schon Menschenleben genug zu Füßen gelegt?

      Niemand in seiner Welt und in seiner Zeit mochte mehr Menschen getötet oder ihren Tod veranlasst haben, als gerade er, Shandra el Guerrero. Natürlich, niemals war ein Menschenleben unbegründet ausgelöscht worden. Aber seit vielen Jahrhunderten stellte sich Shandra immer und immer wieder dieselben Fragen.

      „Ist der Tod eines Menschen durch einen anderen Menschen überhaupt zu rechtfertigen? Welcher Mensch, ob allein oder im Verbund mit anderen Menschen, hat das Recht, sich zum Richter und Henker über andere Menschen zu erheben?“

      Es gelang ihm nicht, zu diesen Fragen auch passende Antworten zu finden. Nicht an diesem Abend, auch nicht an den folgenden Abenden, obwohl er sich unablässig darum bemühte. Stattdessen tauchte eine neue, zusätzliche Frage in seinem Geist auf:

      „Ob es zu all diesen Fragen überhaupt Antworten gab?“

      Viele Tage und Nächte waren vergangen, seit er dem Geist des Bären begegnet war und dessen Informationen empfangen hatte. Tage, während welcher er weiterhin in südwestlicher Richtung unterwegs war. Tage, während derer er wieder und immer wieder die Spur der großen Katze kreuzte, die unbeirrt in dieselbe Richtung wie Shandra wanderte und dabei auch noch nahezu dasselbe Marschtempo einhielt. Tage, verbunden mit Nächten, während derer er oft schlaflos auf seinen Fellen lag und über seine Begegnung mit dem Geist des Bären grübelte.

      Mittlerweile war der siebte Monat des Jahres seiner Wanderung nach Südwesten angebrochen. Der Weg durch die Taiga war in den letzten Tagen etwas leichter geworden, denn die permanenten Anstiege, das Überwinden immer neuer Höhen und Pässe führte Shandra ganz allmählich über die Baumgrenze hinaus. Die Bäume wurden immer niederer und gedrungener, dann wichen sie kräftigen, den Boden deckenden Sträuchern und als auch diese verschwanden, konnte Shandra eines Tages an einem frühen Vormittag endlich wieder den freien Blick in alle Himmelsrichtungen genießen. Vor ihm lag der Aufstieg zu einer Passhöhe und irgendwie stellte sich bei ihm das Gefühl ein, dass er mit dem Erreichen dieses Passes den höchsten Punkt seiner Reise durch die Taiga und das Gebirge erreicht hatte. Er drehte sich nicht um und sah zurück. Noch nicht. Erst wenn der die Passhöhe erreicht hatte, wollte er zurück in seine Vergangenheit schauen, ehe er die unmittelbare Zukunft in Augenschein nahm.

      Der Aufstieg über die mit kurzem Gras bewachsene Gebirgsflanke war steil und anstrengend und Shandra kam nur langsam voran. Doch bis zur Mitte des Nachmittags hatte er es geschafft. Auf dem höchsten Punkt des Passes ragte ein mindestens drei Mann hoher Monolith aus der Erde und am Fuße dieses Monolithen hielt Shandra an, sicherte seine Lasttiere und nahm sich endgültig die Zeit, sich umzudrehen und in das Land zu blicken, das hinter ihm lag, in seine eigene Vergangenheit.

      Er blickte über das schwarzgrüne Meer der Taiga. Einen Ozean aus Bäumen, welchen er in den letzten Monden durchquert hatte und er konnte weit draußen sogar den Saum des Urwaldes und den Beginn der Tundra noch recht deutlich im Schein der Nachmittagssonne erkennen. Die Tundra selbst aber versank im Dunst des Sommertages und so war Shandras Rückblick nur begrenzt erfolgreich. Er konnte die Länge des Weges, den er seit Rollos Abschied und Sterben zurückgelegt hatte, allenfalls erahnen.

      Nun wandte er sich um und sah hinaus in seine unmittelbare Zukunft.

      Er hatte richtig vermutet, sein Weg hatte ihn zu einem Punkt eines mächtigen Gebirgsmassives geführt, der ihm eine wirklich erstklassige Aussicht auf das Gelände ermöglichte. Zugleich befand er sich vielleicht sogar an der einzigen Stelle, an welcher die wuchtig und schroff zum Himmel aufragenden Berge und Massive überwindbar aussahen. Von seinem Punkt aus hätte er am frühen Morgen wohl einen wunderbaren Ausblick in das tiefer liegende Land gehabt, jetzt aber, am Nachmittag, blendete ihn die bereits tief im Westen stehende Sonne zu sehr. So vermochte er nur zwei Erkenntnisse als sicher zu registrieren.

      Zum einen konnte er sich davon überzeugen, dass er sich tatsächlich auf dem höchsten Punkt seines Weges befand und über welch gewaltiges Gebirgsmassiv ihn dieser Weg geführt hatte.

      Dann, als seine Augen an dem vor ihm liegenden Abstieg entlang wanderten, erkannte er tief unter sich ein Plateau. Es war schwer zu sagen, über welche genaue Fläche sich dieses Plateau ausbreitete, doch so viel war zu erkennen, klein war es nicht.

      Es war jedenfalls groß genug, dass die Zelte, die dort unten aufgebaut waren, wie kleine bunte Flicken auf einem grünen Teppich aussahen. Shandra konnte, von der klaren Bergluft nicht behindert, fünfzehn solcher Farbtupfer zählen. Vierzehn dieser Flecken waren in hellen Tönen, irgendwo zwischen weiß und einem sattem Gelb liegend eingefärbt. Das fünfzehnte Zelt aber leuchtete in einem kräftigen Rot und war bedeutend größer, als die anderen.

      Shandra atmete mehrmals tief durch.

      Sein Brustkorb hob und senkte sich unter so kräftigen Atemzügen, als hätte er den Aufstieg auf den Pass rennend hinter sich gebracht. An seinen Schläfen bildeten sich dicke, pulsierende Adern und die Farbe seines Gesichts glich beinahe der Farbe einer reifen Buchecker. Sein ganzer Körper stand plötzlich unter einer enormen Spannung und diese innere Spannung verschaffte sich Luft, indem sich Shandras Wangenmuskeln wie dicke, harte und ständig zuckende Stränge über seine Kieferknochen spannten.

      Dort unten wartete die schlimmste aller Feindinnen auf ihn.

      Die Zelte gehörten den Sungaiten und das große, rote Zelt war ganz sicher das Zuhause der Stammesmutter, der Hexe Sungaeta.

      Die Zelte waren in einer eindeutigen Struktur

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