Königreich der Pferde. Rudolf Jedele

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Königreich der Pferde - Rudolf Jedele

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      Der ungeheure, endlose Urwald, die Taiga machte Shandra täglich mehr zu schaffen. Viel mehr als es die Weite der Tundra und ihre manchmal so unfassbare Lautlosigkeit je vermocht hätte. Er war vom Tag seiner Geburt an ein Mensch der Steppe, der Weite gewesen. Seine Blicke über den Horizont schweifen zu lassen war ihm Zeit seines Lebens eine liebe Gewohnheit gewesen, die er genutzt hatte.

      In den Steppen und in der Tundra vermochte ein Jäger und Krieger oft schon am Morgen die Gefahr zu erkennen, die ihm am Abend drohen mochte.

      Hier, unter den uralten Baumriesen der Taiga gab es weder einen Horizont zu sehen, noch konnte man seine Blicke schweifen lassen. Es sei denn, man hatte Spaß daran, jeden Stamm, jeden Busch mit seinen Blicken abzutasten. Gefahren und Ereignisse waren hier in der Taiga immer überraschende Vorgänge. Hinter jedem Stamm, unter jedem Busch konnte sich ein Angreifer verbergen und wäre dort nur durch Zufall zu entdecken. Die permanent vorhandene Geräuschkulisse erzeugte in ihm eine enorme Spannung, verursachte eine ununterbrochene Alarmbereitschaft und aus Spannung und Alarmbereitschaft erwuchs eine erhöhte Aggressivität. Selbst die geschärften Sinne des erfahrenen Jägers waren mit den ununterbrochenen Eindrücken häufig überfordert.

      Am meisten aber machte ihm die Tatsache zu schaffen, dass er vollkommen auf sich allein gestellt unterwegs war. Es gab niemanden, mit dem er reden, sich austauschen konnte und die Einsamkeit förderte sein Aggressionspotential in nie gekannte Sphären. In ihm brodelte ein Vulkan der Wut und des Hasses, ohne dass er in der Lage gewesen wäre, seine Emotionen auf ein eindeutiges Ziel zu justieren.

      Um dieser immer stärker werdenden Gefühle in seinem Inneren besser Herr zu werden, hatte er zuerst sein Reisetempo bis an die Grenzen menschlicher Leistungsfähigkeit gesteigert. Immer schneller war er durch die Wälder gehuscht, doch irgendwann war er auf natürliche Grenzen gestoßen. Die Rentiere, die sein Gepäck schleppten, waren im Gewirr des Urwaldes nicht annähernd so schnell und beweglich wie draußen in der Tundra und so blieb ihm nur die Wahl, entweder auf sein Gepäck zu einem großen Teil zu verzichten oder aber sein Marschtempo der maximalen Geschwindigkeit der vier Rentiere anzupassen.

      Als nächstes begann er vermehrt mit den beiden Wölfen herum zu balgen, die ihn für gewöhnlich wie dunkle Schatten in einem gewissen Abstand begleiteten. Nur wenn er ihnen ein Zeichen gab, kamen sie so nahe heran, dass er sie anfassen konnte und dann entwickelte sich oft eine freundschaftliche Balgerei, durch die er eine Menge der angestauten Gefühle abbauen konnte. Durch das Spiel mit den Wölfen stärkte Shandra natürlich auch die Geschmeidigkeit seiner Muskeln, Bänder und Sehnen und verbesserte seine Reflexe.

      Dennoch, schon bald stellte er fest, dass körperliche Anstrengungen und verstärkte Bewegung nur einen kleinen Teil der Wut in ihm zu kompensieren vermochten. Was ihm vielmehr fehlte, war eindeutig ein Gesprächspartner. Der Klang einer menschlichen Stimme in seinen Ohren, Worte deren Ursprung nicht aus seinem eigenen Geist kam. Doch genau dieser Gesprächspartner fehlte ihm und war auch nicht dadurch zu ersetzen, dass Shandra immer häufiger mit halblauter Stimme zu sich selbst sprach.

      Mehr als einen Mondzyklus war er bereits durch die Taiga gezogen und immer noch gab es nicht das kleinste Anzeichen dafür, dass Sungaeta ihn verfolgte, ihn aufzuhalten trachtete. Ebenso wenig, wie es Hinweise auf die Existenz anderer Menschen gab.

      Shandra und die Taiga, etwas anderes schien nicht mehr auf dieser Welt zu existieren.

      Sungaetas Abwesenheit war ungewöhnlich, denn alle Versuche die Tundra zu verlassen, die er zu früheren Zeiten zusammen mit Rollo unternommen hatte, waren spätestens nach einem halben Dutzend Tage zu Ende gewesen. Stets waren sie von der Hexe gestellt und unter Androhung schrecklicher Strafen in die Tundra zurück gejagt worden.

      Shandra vermochte nicht nachzuvollziehen, auf welche Weise es der Hexe gelungen war, ihn selbst und noch viel mehr Rollo derart einzuschüchtern. Ob es damit zusammenhing, dass es ihr schon vor mehr als fünfhundert Jahren gelungen war, die Haut und das Horn, die letzten beiden der magischen Relikte, die Shandra für sich behalten hatte, an sich zu bringen?

      Wann immer Shandra sich an diesen Diebstahl erinnerte, kochten Wut und Hass besonders intensiv in ihm hoch.

      Es war in jener Zeit gewesen, als Shakira gerade von ihnen gegangen war und sich bei Rollo die ersten Anzeichen der geheimnisvollen Krankheit zeigten, die ihn am Ende so jämmerlich hatte sterben lassen. Sungaeta hatte es verstanden, sich in Shandras Vertrauen einzuschleichen und so konnte sie ihn dazu bewegen, ihr die Haut zu überlassen, denn nur mit Hilfe dieser Haut in Verbindung mit ihren eigenen, überragenden Fähigkeiten als Heilerin bestünde eine kleine Chance, Rollo wieder gesund zu machen. Als sie die Haut aber erst einmal in ihren Händen hielt, fiel es ihr nicht mehr besonders schwer, ihm eines nachts auch das Horn von seinem alten Wehrgehenk zu stehlen.

      Shandra hatte den Diebstahl erst Tage später bemerkt, denn solange sie sich im unmittelbaren Umfeld Sungaetas bewegten, war ihm stets, als wäre sein Gehirn in Watte gepackt und seine Reaktionen erfolgten immer langsam und mit großer, zeitlicher Verzögerung. Er hatte nicht die Kraft aufgebracht, sich gegen Sungaeta zu wehren. Wie gelähmt in seiner Kraft, unfähig eine andere als die von der Hexe gewollte Entscheidung herbeizuführen, hatte er den Diebstahl hingenommen und war seiner Wege gegangen. Rollo hatte ihm deswegen Vorhaltungen gemacht, doch nichts was der Bruder hätte anführen können, wäre zu Shandra durchgedrungen.

      Jetzt, da er in absoluter Einsamkeit wie ein düsterer Schatten durch die Taiga wanderte, wurde ihm nach und nach bewusst, was er der Hexe Sungaeta alles zu verdanken hatte. Natürlich hatte die Hexe niemals auch nur den kleinsten erkennbaren Versuch unternommen, Rollo zu heilen oder ihm wenigsten mit Hilfe der Haut das Leben leichter zu machen. Sungaeta benützte die Haut vielmehr ausschließlich dazu, ihre verschiedenen Liebhaber wieder auf Vordermann zu bringen, wenn sie durch die Ausschweifungen und Orgien mit der Hexe erschöpft waren.

      Die Erinnerungen an Sungaetas Verrat und an ihren Diebstahl, die Erinnerung an ihre Hinterlist und an Rollos unendlich langes Leiden und seinen qualvollen und einsamen Tod trugen nicht dazu bei, Shandras Hass und Wut zu verringern.

      Die Rückkehr des Bärengeistes in Shandras Gefühlsleben festigte die Grundlage für all seine Wut und all seinen Hass. Auf diese Weise stellte sich mehr und mehr die richtige Gefühlsbasis ein, um die Rache an Sungaeta vorzubereiten und später zu vollziehen. Allerdings erinnerte sich Shandra an eine alte Weisheit, die er während seines Heranwachsens immer und immer wieder von seinem Ziehvater Ragnar gehört hatte. Rollos leiblicher Vater hatte seinen Zöglingen eingebläut, dass Rache schon immer eine Speise gewesen war, die man vorzugsweise kalt zu sich nehmen sollte. Aus diesem Grund musste er alles daran setzen, mit den immer stärker werdenden Gefühlen fertig zu werden, sie zu zähmen, zu kanalisieren und in Bahnen zu lenken, auf welchen sie ihm nicht zur Gefahr wurden, sondern ihm halfen, seine Rache wahr werden zu lassen.

      Die Kälte seiner Gedanken, die ihn vor Jahrhunderten zu einem derart erfolgreichen Strategen gemacht hatten, sie begann nach und nach die Oberhand in Shandras Geist zu gewinnen und diese Kälte führte ihn wieder nach oben, an die Spitze, dorthin, wo der Planer und Schlachtenlenker stets seinen Platz gefunden hatte.

      Shandra nutzte die Gelegenheit, da er eine kleine Lichtung fand, sich wieder einmal zu orientieren.

      Es war später Nachmittag und die Strecke, die er an diesem Tag noch zurücklegen konnte, ehe die Nacht hereinbrach, war nicht von irgendeiner Bedeutung. Er war auch an diesem Tag weitergekommen, als er geplant hatte.

      Er beschloss also auf dieser Lichtung sein Camp aufzubauen und hier die Nacht zu verbringen.

      Mittlerweile war das Frühjahr

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