Unter dem Ostwind. Wilhelm Thöring

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Unter dem Ostwind - Wilhelm Thöring

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dir, Malchen, wird das von der Schwangerschaft kommen. Und die Kleinen, die werden sich schon wieder erholen. So kleine, so schwächliche Kinder wie die Zwillinge, die kränkeln leichter als die robusten.“

      Die Frau gibt sich damit zufrieden. Sie wird noch ein paar Tage warten. Vielleicht erholen die Kleinen sich, und alle Sorge ist umsonst gewesen. Wenn sie aber wieder einmal mit der Frau Pastor Wohlgethan zusammentrifft, dann wird sie sich von ihr Rat holen. Man sagt, dass sie eine wissende und in Krankheiten erfahrene Frau sei, obwohl sie noch so jung ist, und dass sie schon so manchem Ratsuchenden geholfen habe. Außerdem verstehe sie sich auf allerlei Kräuter. Im Osten, so munkeln welche, habe sie eine leitende Stellung in einem Krankenhaus gehabt. Die Frau des Pastors, davon ist jetzt mancher überzeugt, der sie näher zu kennen glaubt, sei ein wahrer Segen für die Gemeinde.

      Vier Tage später standen die beiden anderen Webstühle in Erdanns Haus; um beim Abladen keine Schwierigkeiten wie beim ersten Male zu haben, hat Stanislaus gleich eine Rotte von Arbeitern, wie er es nannte, mitfahren lassen. Es sind durchweg Polen gewesen, etwas unterwürfige und freundliche Männer, die mit den Kindern scherzten und der Hausfrau mit Ehrerbietung begegneten. Jedoch waren für die Arbeiter diese Erdmanns in Zdunska Wola ebenfalls Grafen und vornehme Leute, vielleicht nicht ganz so vornehm wie jene, in deren Diensten sie stehen. Denn diese Erdmanns bewohnten keine Villa, sondern nur ein behäbiges großes Bauernhaus, dessen Dach mit Stroh gedeckt ist und nicht mit roten Ziegeln, die man zu einem hübschen Muster legen kann.

      Manchmal lugte einer von ihnen durch die Tür, wo es für ihn ungewöhnliche Dinge zu entdecken gab. Und als Amalie sie am Nachmittag zur Vespermahlzeit ins Haus bitten wollte, da lehnten sie es ab.

      „Mit diesen Füßen“, erklärte einer von ihnen und streifte seinen Galoschen ab, um ihr seinen erdigen und schwieligen Fuß zu zeigen, „mit diesen Füßen – nein, mit solchen Füßen mögen wir nicht in Euer Haus kommen.“

      „Du brauchst die Schuhe nicht auszuziehen“, sagte Amalie.

      Der Mann blieb fest. Er winkte lachend ab. „Nein, nein, mit Schuhen kommen wir erst recht nicht in diese feine Stube. Das machen wir nicht! Wir sind nur ganz einfache Leute, und tragen Euch Schmutz ins Haus.“

      Sie hockten sich an die Hauswand und aßen da, und Erdmanns Kinder standen daneben und sahen zu.

      Diese zusätzlichen Webstühle haben das Leben in Erdmanns Haus verändert. Es ist lauter geworden, und die neuen Weber, die Jendrik geworben hat, sind polnische Arbeiter, wie er sie bei seinem Bruder an den Maschinen gesehen hat. Es ist für ihn nicht leicht, die Männer anzulernen, denn anfangs haben sie nicht begriffen, was von ihnen erwartet wurde. Ihre Ungeschicklichkeit brachte Jendrik und auch den Gehilfen Witold oft zur Verzweiflung und ließ sie ärgerlich werden. Wurde ihnen etwas erklärt, dann nickten sie verstehend und lachten, als brächte man ihnen altbekannte Kindereien bei. Waren sie aber auf sich selbst gestellt, dann blieb Verwirrung, ja, dann blieb das Chaos nicht aus.

      „Jagt sie weg, Meister“, hat der Witold geraten. „Sie werden es nie begreifen. Und wenn sie es doch begriffen haben, glaubt mir, dann geht es im Schlendrian weiter.“

      „Ja, Witold, du hast es ja auch gelernt. Und vom gemächlichen Trott hast du dich auch nicht anstecken lassen. Nicht wahr?“

      Was sollte der Gehilfe darauf antworten? Er ist doch auch ein Pole, daran ist er erinnert worden. Ihm war, als wäre er auf eine feine, aber schmerzende Weise gerügt worden.

      Schweigend machte der Witold sich wieder an die Arbeit. Oft schämte er sich der anderen polnischen Webergehilfen, die, wenn der Meister nicht im Hause war, jede Gelegenheit nutzten, zu faulenzen. Dann standen sie beisammen, oder sie gingen an die Luft, ja, sie setzten sich sogar in einen stillen Winkel und spielten Karten. Der Witold hatte dann das Gefühl, für sie mitarbeiten zu müssen.

      Wenn der Meister ihn erst zum Aufseher in der Weberei gemacht hat, dann wird er damit aufräumen! Ein frischer Wind wird unter seinen Landsleuten blasen. Alles will er daransetzen, ihnen mehr Zucht und Eifer beizubringen.

      Dazu ist der Witold fest entschlossen.

      Eines Abends, die untergehende Sonne scheint durch die Baumkronen und ihr Licht fällt wie grelle, leuchtende Stäbe und Bündel aus den Wolkenlöchern auf die Erde, steht der Witold beim Stall. Seine Arbeit hat er getan und sein Abendbrot gegessen. Der Meister und die Frau sitzen noch lange am Tisch, weil die Kinder sich Zeit lassen mit ihrem Brei, um das Schlafengehen hinauszuzögern. Heute hat der Witod die Adelheid durch den Hof in den Garten gehen sehen, tänzelnd und leicht wie ein Fohlen, das auf die Wiese läuft. Er sieht sie oft hier draußen, und jeden Tag sitzt er bei den Mahlzeiten mit ihr an dem großen Tisch in der Stube, und manchmal kommt sie wegen irgendeiner Sache zu ihm gelaufen, um ihn zu befragen - aber noch nie hat er das Besondere an dem Mädel bemerkt, es noch nie mit diesen Augen angesehen, mit denen er sie in den Garten hüpfen sieht. Dem Witold ist, als sähe er dieses Mädel zum ersten Male.

      Staunend bemerkt der Witold an diesem Sommerabend, welche Wirkung auf seine Seele nicht allein die Adelheid hat, sondern ein alltäglicher Sonnenuntergang und dass in ihm etwas geweckt wurde, das er nicht kennt und ihn mit einer guten Wärme überschüttet, die er noch nie in sich gespürt hat und für die er keinen Namen weiß.

      Durch das geöffnete Stubenfenster hört er die Frau mit den Kindern sprechen. Während dieser Schwangerschaft spricht sie leiser als sonst, aber manchmal kann sie laut werden, und ihre Stimme klingt böse, dann ist der Edmund gemeint, der sich wieder einmal bei irgendeiner Angelegenheit durchsetzen will, der bockig und aufsässig wird und der der Mutter ungezogene Antworten gibt.

      Ohne es zu wollen, geht der Witold ins Feld. Er geht dahin, wo die Sonne untergeht, wo sie auf der Oberfläche der Warthe schimmernde Goldplatten schaukeln lässt.

      Beim Gehen reißt er Wiesenschwingel aus und kaut den Halm bis zur Ähre, und wenn er den Speichel nicht mehr im Mund halten kann, dann spuckt er ihn mit seitwärtsgedrehtem Kopf in hohem Bogen ins Feld.

      Den Witold hat etwas gepackt, und er weiß nicht, was es ist.

      Amalie sorgt sich um die Zwillinge. Sie essen nicht und weinen auch nicht mehr. So oft die Frau die Kinder aus dem Bettchen nimmt, findet sie sie in ihrem Kot. Sie bleiben in ihren Kissen liegen, wie sie sie hingelegt hat, apathisch und ohne Bewegung und sehen sie nicht mehr an, wenn sie sich über sie beugt. Ihre Augen sind trübe und glasig und hängen an einem Punkt, den nur sie sehen können. Sie hatten es immer gern, wenn sie ihnen etwas vorsummte oder ihnen ein Liedchen vorsang und dabei mit den Fingern Figuren in die Luft malte. Jetzt hören sie es nicht mehr, sie sehen an der Mutter vorbei oder sie sehen durch sie hindurch.

      Amalie traut sich kaum noch, die Kinder aufzunehmen, so heiß sind sie. Und wenn sie eins auf den Arm nimmt, dann hängt es wie ein schlaffes Tuch vor ihrem Leib.

      Einmal ist die bleiche Rosa in die Stube gekommen, ohne dass Amalie sie bemerkt hat. Die Mutter drückte ihr Gesicht auf die heiße Stirn Gotthards, und dabei weinte sie lautlos vor sich hin.

      „Mutter, sterben die?“ fragte die Rosa hinter ihr.

      Amalie schreckte zusammen. „Sterben? – Ja, bist du denn ganz verrückt geworden!“, schrie sie und ohrfeigte das Mädchen, dass es vor Entsetzen in die Kniee ging.

      „Sag das nicht noch einmal“, drohte sie leise, mit tonloser Stimme. „Hörst du! Ich will das Wort nicht wieder hören! Nie wieder!“

      Rosas Gesicht war noch bleicher geworden, und ihre tiefliegenden umränderten und geröteten Augen schienen noch tiefer in den Schädel

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