Kümmer dich ums Kätzchen. Sara Jacob

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Kümmer dich ums Kätzchen - Sara Jacob

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versuche zu schreien, doch ich bekomme keinen Ton heraus. Die Angst lähmt mich wie eine Giftspritze. Die Gestalten tragen mich die Treppe hinunter. Meinen Mund verschließt ein breites Stück Klebeband.

      »Du hast deinen Rucksack vergessen«, sagt mein Vater und reicht mir einen Turnbeutel. Danke, Papa, dass du dir die Mühe gemacht hast.

      Die Straße vor der Herberge ist leer, die Luft lauwarm, das gelbe Licht der Laternen weich. Als mich die Gestalten fallen lassen, stürze ich weich in duftenden Rasen. Meine Angst ist verschwunden. Hände auf mir. Meinen Schrei verhindert eine Hand auf meinen Lippen. Weich und warm. Kichern und Lachen, und auf einmal ziehen mich viele Hände aus. Ich wehre mich vergeblich.

      Erst gleiten meine Shorts über die Knie, anschließend mein Hemd. Es ist zu dunkel, um hinter die Masken zu blicken. Schließlich bin ich nackt, aus meiner Angst ist Erregung geworden. Ich fühle mich frei. Die Hände sind überall. Der Park ist eine Wiese im Hochsommer, die Luft schmiegt sich an meinen Körper.

      Die Gestalten lassen ihre Masken fallen. Dahinter strahlen die Gesichter von Katja und Maike. Als sie mir zwischen die Beine greifen, ist mir unwohl. Was zwischen meinen Beinen liegt, gehört mir alleine. Und dann wache ich auf und mein Herz schlägt hektisch.

      Gelegenheiten

       1.

      Im Gare du Nord beäuge ich von meinem Platz auf meinem Rucksack misstrauisch jeden, der mir zu nahe kommt. Viele Araber, Obdachlose, Gauner, unsympathisch wirkende und hektische Menschen laufen von und zu den Gleisen. Wer aussieht, als habe er ein Ziel, ist mir egal.

      Ich misstraue jedem, der zu viel Zeit hat. Frank dreht sich eine Zigarette, Katja erzählt ihm von Paris, Fabian und ich schweigen uns an und fühlen uns wohl dabei.

      Ab und zu sehe ich Katja an und frage mich, warum sie sich vor ihn gekniet hat, und ich finde den Gedanken an ihren Hintern geil, aber ich verstehe es noch immer nicht. Nur die Erinnerung an ihren nackten Hintern und Gregors harten Schwanz sorgen für Herzklopfen.

      Katja hat kein Wort gesagt, vielleicht hat sie mich auch gar nicht erkannt. Ob ich sie ansprechen sollte? Und sie fragen, warum sie das gemacht hat? Macht man so etwas aus Liebe? Und ich dachte immer, man fickt nur, weil es geil ist.

      Maike und Gregor kümmern sich inzwischen in der Touristeninfo um eine Unterkunft, was sich als schwierig erweist. Die Jugendherberge ist belegt, die Stadt platzt aus allen Nähten. Sie finden zwei Zimmer für jeweils zwei Nächte in zwei nahe gelegenen Absteigen im Montmartre.

      Diesmal kaufen wir ein Carnet. Die Metro riecht nach Gummi, nach Bremsbelägen, nach zu wenig Zeit. Die Metrostation Saint Georges protzt mit dem typischen Pariser Jugendstil und liegt am Rande des Vergnügungsviertels Montmartre. Am Ende der Straße strahlt die Sacré Cœur in der Sonne. Mein Rucksack wiegt fast nichts. Im Foyer des Hotel du Moulin, das mich durch Marmor beeindruckt, gibt uns ein mürrischer Araber die Schlüsse.

      Die Zimmer sind dunkel und muffig. Schwere purpurne Vorhänge vor den Fenstern, strukturierte Tapeten. So muss ein Hotel in Paris sein. Wir starten aufgeregt zur Sacré Cœur, kauften Baguette und ein rotes Netz voller kleiner runder Käse mit roter Wachsschicht im ersten französischen Supermarkt meines Lebens, entdeckten die Seine und den Eiffelturm.

      Das sonore Piepen der U-Bahn, bevor sich die Türen schließen, wird zur Musik. Nach der ersten Fahrt mit der RER singt Katja eine Melodie und behauptete, es sei ein Kinderlied. Statt eines Refrains singt sie nur RER und betont die Buchstaben auf sehr französische Art. Die dumme Nuss ist wirklich leicht meschugge.

      Am Abend holen wir uns Bier im Zehnerpack und setzten uns ins Zimmer. Billiger als jede Kneipe. New Model Army bollern durch das kleine Zimmer, für Katja müsste Paris nach Akkordeon klingen, nach Jacques Brel oder Edith Piaf. Aber die hat ja auch keine Ahnung. New Model Army und Phillip Boa. Phillip Boa und New Model Army. Der Soundtrack unserer Tour. Ein Anker und Wiegenlied. Es riecht nach muffiger, ungewaschener Kleidung, Bier, Füßen und dem Staub unter dem Bett.

      »Warum seid ihr eigentlich nicht mehr zusammen?«, fragt Maike. Fabian verdrehte die Augen. So sensibel, Fabian?

      »Es stimmte einfach nicht mehr«, sagt Gregor. »Ich will mich ja auch so früh noch nicht festlegen.«

      »Dabei passt ihr so gut zusammen«, sagt Maike grinsend.

      »Können wir das Thema lassen?«, fragt Katja und rümpft die Nase. Sie sitzt neben ihm auf einem der drei Betten und zieht gedankenverloren die rote Wachsschale von ihrem Käse. Ich bitte Frank um ein neues Bier. Ich mag das Kronenbourg. Davon bekomme ich im Gegensatz zu Warsteiner, Beck's und all den anderen norddeutschen Bieren keine Kopfschmerzen. Außerdem sind die kleinen Flaschen schneller leer als ihr Inhalt schal werden kann.

      »Wenn sie darüber reden will, dann lass sie. Du kannst ihr doch nicht den Mund verbieten«, sagt Gregor ruhig.

      »Aber ihr redet hier über mich«, blafft Katja zurück.

      »Nein, sie hat mich gefragt, was ich denke, und ich habe ihr das gesagt.«

      Als Katja den Kopf hebt, schimmern ihre Augen feucht. Ihre linke Hand ballt sich um die rote Wachsschale zur Faust. In die Stille hinein drehe ich den Kronkorken von der Flasche. Langsam kribbelt mein Hirn. Ich, in Paris, betrunken, in einem Hotelzimmer. Voll genial.

      Gregor erwidert Katjas Blick, und ich nehme einen Schluck. Herrlich – so viel Liebe, Leid und Leidenschaft auf 12 Quadratmetern, und ich habe keine Ahnung davon.

      »Wie gut, dass ich diese Probleme nicht habe«, sage ich. Jetzt muss eine Antwort von Maike folgen. Der Hinweis darauf, dass ich doch alle haben könne, wenn ich nur wolle.

      »Sonst beschwerst du dich immer«, sagt Fabian. Moment, das ist nicht vereinbart. Natürlich beschwere ich mich, aber aus gutem Grund, weil die, die ich will, mich nicht wollen. Claudia und das Mädchen aus der Tanzstunde und all die anderen, die mich nicht haben wollten. Meine Gedanken werden plötzlich schwer.

      Ich möchte heulen, von meinen Plänen Absicht erzählen. Warum fragt mich niemand, wie es mir geht? Warum interessiert es keinen? Warum drehe ich das Gespräch auf mich? Doch nur weil ich will, dass sich die Welt um mich dreht und man mich fragt, wie es mir geht.

      Lieber reden wir über etwas anderes. Über Gregors Arroganz und Katjas Naivität. Katja, die schmollend und mit traurigen Augen neben Gregor sitzt und Käse ist. Im Halbdunkel legt sie ihre Hand auf Gregor Oberschenkel. Er lässt es mit sich geschehen. Was für ein Pascha. Warum kann sie ihn nicht loslassen, wenn er sie doch nicht will?

      »Frank, erzähl uns doch mal was über deine Freundin«, sage ich und gebe damit zu, dass ich sie noch nie gesehen habe. Keine Ahnung, wer sie ist.

      Wieso eigentlich ist seine Freundin Privatsache? Und woher kennt er sie? Ich habe immer gehofft, Frank würde so etwas mit uns teilen, so, wie ich ihm erzählt hätte, in wen ich verknallt bin, wenn es denn jemanden gäbe. Ich mag Frank und doch ist er mir in manchen Momenten fremd wie der Verkäufer im Supermarkt, den man täglich sieht und über den man kaum etwas weiß.

      »Was soll ich da sagen? Sie heißt Susanne und geht auf die Scholl.«

      »Kennen wir die?«, fragt Maike. Sie grinst wieder. Ob sie froh über das neue Thema ist? Katja flüstert Gregor etwas ins Ohr. Ihre Hand ist sehr weit oben auf seinem Bein. Ich lasse meine Finger leicht über die Brandblase auf meinem Handrücken streichen.

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