Schatten und Licht. Gerhard Kunit

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Schatten und Licht - Gerhard Kunit

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zittrigen Fingern löste Parin die Riegel an der Rückseite des Wagens. Seine Augen suchten das schöne Mädchen, aber sie vermied den Blickkontakt. Erst jetzt bemerkte er die schwere Eisenkette, mit der ihre Hände hinter den Rücken gefesselt waren, und gab sich wilden Spekulationen über die unschuldig verfolgte Schönheit hin.

      „Parin!“ Hastig öffnete er den Verschlag. Er kannte den Wagen seit seiner Kindheit, aber erst jetzt wurde ihm die Unüberwindbarkeit der eisenbeschlagenen Konstruktion bewusst.

      Die Gefangene zögerte. Mit ihren gefesselten Armen bereitete ihr die schmale Trittstufe Probleme. „Rein mit Dir!“, blaffte der Magier. „Wenn Du Schwierigkeiten machst, kriegst Du noch mehr Ärger.“

      Parins Arme zuckten vor, um ihr zu helfen, doch der warnende Blick seines Vaters hielt ihn ab. Dennoch bemerkte die Fremde seine Geste. Ein flüchtiges Lächeln huschte über ihr Gesicht. Sie wagte den Schritt, taumelte und schlug mit dem Schienbein gegen den Wagenboden.

      „Können wir die Spielchen lassen, Semira?“ fragte der Magier, half ihr jetzt aber. Parin mochte den Mann nicht und in diesem Augenblick hasste er ihn. Teilnahmslos sah er zu, wie sein Vater die Türe schloss und die Riegel vorlegte. Der Zauberer brachte noch ein zusätzliches Vorhängeschloss an einer dafür vorgesehenen Öse an. „Verschluss“, murmelte er, während seine Hände über das Schloss strichen.

      Parin hatte schon Scharlatanen auf Jahrmärkten zugesehen, aber das hier war echte Magie. Die Handlung und das einzelne Wort waren enttäuschend unspektakulär, aber sein Körper reagierte. Schauer liefen über seinen Rücken und die Haare standen ihm zu Berge. Er sah sich verstohlen um. Sein Vater verfolgte das Geschehen mit der ihm eigenen Gelassenheit und die Bediensteten der Magierschule ließen keinerlei Regung erkennen. Die müssen daran gewohnt sein, aber mit Vater sollte ich das besprechen, überlegte er.

      „Da kommt keine Ratte mehr heraus“, sagte der Zauberer, so dass es das Mädchen hören musste. Dann wandte er sich an Haul: „Wir können losfahren.“

      Parins Vater half dem Magier, Magister Geron, auf den Kutschbock und kletterte hinterher. Der Fuhrmann schnalzte mit der Zunge und Shingra zog an.

       * * *

      Die Straße von Rand nach Hesgard führte durch das Lange Feld, eine unmerklich ansteigende Ebene, die sich, soweit das Auge reichte, nach Osten erstreckte. Linkerhand lagen die Kuppen der Randberge, die allmählich in die sanfteren Hügel der Chantas übergingen, eine von Weinbergen und Olivenplantagen geprägte Landschaft, in der die Zeit still zu stehen schien. An einem klaren Morgen wie diesem schimmerten im Süden die weißen Gipfel des baelischen Kammes, die sich kaum von den vereinzelten Wolkentürmen abhoben. Noch spürte Parin die morgendliche Kühle durch seine Fuhrmannsjacke, aber der blaue Himmel und die an Kraft gewinnende Sonne versprachen einen herrlichen Frühlingstag. Der Junge sog die Luft ein und genoss den Geruch der Freiheit.

       * * *

      Ein Holpern riss Parin aus seinem Dösen. Die Sonne stand hoch im Norden und brannte auf die Reisenden herab. Die klare Luft war einem dichten Dunst gewichen und selbst die nahen Randberge waren kaum noch zu erahnen. Obwohl der Junge die Jacke längst abgelegt hatte, setzte ihm die Hitze zu, und sein Wasserschlauch verlor schon deutlich an Gewicht. Parin wollte ein Gespräch beginnen, aber Geron erwies sich als äußerst schweigsam und die Antworten seines Vaters blieben einsilbig.

      Hin und wieder begegnete ihnen ein Fuhrwerk, aber nur einmal hielten sie an und tauschten Informationen über den Zustand der Straßen aus. Letztlich bedeuteten die spärlichen Begegnungen auf der trockenen Piste, die nächste Meile in einer Staubwolke zu fahren, die sich beklemmend auf die Kehle legte. Ein unterdrücktes Husten aus dem Wagen erinnerte ihn an das Mädchen, und er dachte an die Hitze, die in dem Kasten herrschen musste.

      „Sie wird Wasser brauchen“, bemerkte er krächzend. Der Magier zuckte nicht einmal mit einer Wimper, aber sein Vater wies auf ein abseits stehendes Gehöft: „Von hier ist es noch eine gute Stunde zur Wegstation. Dort können wir essen und Shingra braucht auch eine Pause. Sobald Du die Stute versorgt hast, kannst Du dem Mädchen Wasser bringen.“

      „Und danach kannst Du Deinen Jungen gleich begraben“, ätzte der Magister. „Erstens kann sie zaubern, zweitens ist sie gefährlich und drittens sind schon Andere auf ihr unschuldiges Gehabe hereingefallen.“ Parin erschauerte unter seinem Blick.

       * * *

      Die Wegstation bestand aus neuen, großzügig angelegten Gebäuden mit einer Einfriedung für die Zugtiere. Auf Gerons Geheiß stellten sie den Wagen ein wenig abseits, unter mächtigen Kastanienbäumen, ab. Haul legte ihm den Arm auf die Schulter. „Junge, Du bleibst hier. Spann aus. Keiner nähert sich dem Wagen auf weniger als zehn Schritt, verstehst Du?“

      Parin nickte verdrossen. Falls es etwas Spannendes zu hören oder gar zu erleben gab, dann im Speiseraum der großen Herberge, der nach der Anzahl der Wagen, Pferde, Eseln und Ochsen, gut besucht war.

      „Ich bring Dir Dein Essen später heraus“, ergänzte der Fuhrmann.

      „Bleib vom Wagen weg“, schärfte ihm der Magier ein. „Lass dich ja auf kein Gespräch ein und öffne keinesfalls die Tür!“

      Er sah seinem Vater und dem Zauberer nach, bis sie im Haupthaus verschwanden. Dann setzte er sich unter einen Baum, lehnte sich an den Stamm und kaute versonnen an einem Grashalm. Das Zirpen der Zikaden wurde von Shingras gelegentlichem Schnauben unterbrochen und aus der Ferne drang das Lied einer Bardin oder Zigeunerin an sein Ohr. Es erzählte von der Tochter eines Grafen, die ihr Herz an einen fahrenden Sänger verlor und in ihrer Sehnsucht nach ihm verging, während Prinzen und Fürsten vergeblich um sie warben.

      Die Weise war eindringlich. Parin sah die junge, blonde Frau mit dem Gesicht einer Göttin vor sich, wie sie Tag für Tag einsam, blass und schön durch den väterlichen Garten streifte. Da wurde die Melodie fröhlicher. Die sanfte Stimme der Sängerin gewann an Tempo, als der Fahrende zurückkehrte und nunmehr ihre Liebe erwiderte. Der Text wurde frivol und aufreizend, und der Junge spürte eine wohltuende Enge in seiner Hose, während er in seinem Tagtraum die Stelle des Begehrten einnahm.

      Ein Geräusch ließ Parin hochfahren und riss ihn aus seiner Phantasie. Sein Vater stand vor ihm, beladen mit Essgeschirr und frischen Wasserschläuchen. Der Magier schlug seinen Stab gegen den Wagenkasten. „Lass den Burschen in Frieden du Luder!“

      Der schöne Gesang verstummte.

      „Wie es aussieht, kann ich ihn mit der Gefangenen nicht alleine lassen und Euch vermutlich auch nicht“, knurrte Geron. „Noch drei Nächte, dann bin ich sie endgültig los.“

      Parin nahm sein Essen entgegen und versteckte sein hochrotes Gesicht in seinem Napf. Aus den Augenwinkeln sah er, wie der Zauberer die Eisenklappe neben der Türe öffnete und den Eintopf und einen Wasserschlauch ins Innere schob. Haul zog das Gefäß für die Notdurft aus dem Wagenboden und entleerte es. Danach prüfte Magister Geron die Verschlüsse und wollte aufbrechen, aber der Fuhrmann winkte ab: „Das Tier braucht Ruhe. In einer Stunde ist die schlimmste Mittagshitze vorüber und Zweimühlen erreichen wir jedenfalls noch vor der Dämmerung.“

       * * *

      Der Nachmittag verlief ereignislos. Sein Vater war jetzt gesprächiger und gegen Abend taute auch der Magister auf. Er verlor sich in einer Betrachtung über die Bedrohung der Welt durch Schwarze Magie und die Notwendigkeit, diesem Unwesen wachsam zu begegnen. Parin verstand kaum die Hälfte davon, sog die Legenden von uralten Zauberern und dunklen Hexen aber begierig auf und die Zeit verging wie im Flug.

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