Schatten und Licht. Gerhard Kunit

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Schatten und Licht - Gerhard Kunit

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Liberna Radina

      Die Frauen musterten sich abschätzend. Eine Magd trug aufgeschnittenen Speck, Käse und Weißbrot mit frischen Tomaten auf. Als sie sich zurückgezogen hatte, brach Liberna das Schweigen: „Was schwebt Euch vor?“

      „Frau Radina, ich hätte mehrere Anliegen. Oder eher Vorschläge, wenn Ihr erlaubt.“

      Ich muss auf der Hut sein, dachte die Gutsherrin. Ihr Auftreten verriet mehr Erfahrung, als ihre Jugend vermuten ließ. Vor Jahren hatte ein Händler aus Hesgard versucht, sie mit einer hinterhältigen Vertragsklausel um den Ertrag einer ganzen Ernte zu bringen. Die Knechte hatten ihm handfest beigebracht, dass man auf Castelgionda keinen Amtmann brauchte, um die Rechte der Madrona zu wahren und der Schurke hatte sich nie wieder blicken lassen.

      „Lasst hören.“

      „Ich möchte mich hier niederlassen und ein Handelsgeschäft aufbauen. Wenn ich mich auf Wein und Olivenöl spezialisiere, kann ich Euch bessere Preise machen als Eure aktuellen Partner. Falls ich mit Eurer Unterstützung noch andere Gehöfte unter Vertrag bekomme, wird es für alle einträglich.“

      „Ich muss Euch warnen, mein Kind“, erwiderte Liberna. „Ihr seid nicht die Erste, die hier ein Geschäft aufziehen möchte. Die Menschen der Chantas tun sich mit dem Weinbau leichter, als mit Handel und Geld.“

      „Trifft sich gut“, lachte die Händlerin. „Ich stamme nicht von hier und ich habe nichts gegen Geld. Ich möchte einen Schuppen mieten, wo ich ein Fuhrwerk und ein paar Waren unterstellen kann.“

      Liberna wurde misstrauisch. Warum hier? Die nächste größere Straße ist etliche Wegstunden entfernt. Der Ort taugt nicht für ein Fuhrgeschäft.

      „Ich werde einen besseren Stützpunkt brauchen, weiter unten und näher an der Hauptstraße“, machte die blonde Frau einen Rückzieher – und nahm damit Libernas Einwand vorweg. „Es ist nur so, dass mir die Gegend hier zusagt – und Eure Gastfreundschaft“, setzte sie leiser nach, und Liberna glaubte, ein flüchtiges Erröten zu erkennen.

      „Ich habe einen Schuppen und ein Zimmer, wenn Ihr wollt. Über den Preis werden wir uns einigen.“ Sie bot ihre Rechte und die Jüngere schlug ein. „Willkommen auf Castelgionda. Eines müsst Ihr noch wissen: Es gibt hier ein paar Schmuggler. Harmlose kleine Fische, solange Ihr ihnen nicht in die Quere kommt. Haltet Euch einfach von Ihnen fern.“

      „Danke, ich werde es beherzigen.“ Die Händlerin zögerte. „Der Turm am Hügel, gehört der zu Eurem Anwesen?“

      „Ja, aber er ist komplett verfallen. Soll einem Zauberer gehört haben. Jetzt hat niemand mehr Verwendung dafür. Was ist damit?“

      „Verkauft Ihr das Land? Die Aussicht von dort oben ist herrlich.“

      „Verkauft wird hier gar nichts“, antwortete Liberna. „Das ist seit Generationen so. Was haltet Ihr von einem Pachtvertrag für hundertundeinen Sonnenlauf. Dort wächst sowieso nicht viel.“

      „Ich danke Euch für Eure Großzügigkeit Frau Radina.“

      „Sag Liberna zu mir“, bot die Ältere an. „Das ist einfacher.“

      „Danke, Liberna. Ich bin Raffaella.“ Die ungleichen Frauen umarmten sich steif.

      Die Händlerin war schon an der Tür, als Liberna sie zurückwinkte. „Darf ich Dich mit einer Bitte behelligen, die Dir vielleicht ungehörig vorkommt?“

      Raffaella sah sie abwartend an.

      „Mein Sohn, Tonio, er ist, also er hat noch nie …, na Ihr – Du … Du verstehst schon.“

      „Nein.“

      Liberna musste wohl oder übel deutlicher werden. „Vielleicht könntest Du ihm …?“

      Wieder zögerte sie, doch Raffaella schien nicht zu begreifen. „Also Tonio hat noch nie eine Frau berührt. Ich mache mir langsam Sorgen.“

      Jetzt war es heraus. Würde die Händlerin sie zurückweisen? Gerade noch war ihr die Bitte einfach erschienen, doch die Worte fühlten sich ungelenk und hohl an.

      Die junge Frau reagierte sachlich, als hätte sie nach dem Preis für ein Fass Wein gefragt, und doch vermeinte Liberna ein abgründiges Schmunzeln zu erkennen. „Ersteres ist definitiv falsch. Zumindest seit letzter Nacht. Also brauchst Du Dir zweitens keine Sorgen zu machen: Mit Deinem Sohn ist alles in Ordnung. Drittens kann ich Dich dahingehend beruhigen, dass ich derzeit keine ernsten Absichten in Bezug auf Tonio hege. Sollte ich meine Meinung dazu ändern, weiß ich, dass ich das mit Dir zu verhandeln habe.“

      Raffaella küsste sie flüchtig auf die Wangen und war zur Türe hinaus, ehe sie die Antworten geschlichtet hatte.

      Was für ein freches Luder, dachte sie, nachdem der blonde Wildfang verschwunden war. Das Mädchen wird mehr Unruhe auslösen, als wir hier gewohnt sind. Ihr Blick wanderte zum Fenster und der vertraute Anblick der sonnendurchfluteten Weinberge erfüllte sie mit Kraft und Ruhe.

       * * *

       Silvio, Wanderer im geheimen Transportwesen der Chantas

      Glitzernde Nachtlibellen tanzten in Schwärmen über die Hügel und der Geruch vermodernder Blüten der UNA-Kelche lag über den feuchten Wiesen. Silvio sah über die Schulter zurück. Die Umrisse der Grauwiesel, die in loser Reihe durch die Nacht marschierten, waren gerade noch erkennbar. Sie kannten den Pfad und durchwanderten das gewundene Tal des Furin mit schlafwandlerischer Sicherheit. Entfernt von größeren Fuhrwegen führte das Flüsschen bis in die Ebene, wo es die Straße nach Bethan querte. Dort, in einem kleinen Wäldchen, sollten sie Marik treffen, ihren Mittelsmann. Die Route war gut gangbar, aber einige Strecken waren für Pferde ungeeignet, und das Fortkommen mit Wagen war gänzlich unmöglich. Deshalb war der Weg für Händler von geringem Interesse und folglich auch für kaiserliche Patrouillen.

      Am Ende der Reihe konnte Silvio Lysandras zarte Gestalt ausmachen. Ihr Rucksack wirkte größer als sie selbst, und wer sie nicht kannte, traute ihr die Anstrengung nicht zu. Seine Augen wanderten zum Himmel, als der Mond durch die Wolkendecke brach. Silvio fluchte leise. Wäre er mit Lysa alleine, wüsste er die stille Schönheit der Nacht zu schätzen, aber für ihr heutiges Unternehmen war es zu hell.

      Hoffentlich taugte Mariks neuer Kontakt etwas. Wenn sie schon fünf Nächte wie Maulesel bepackt durch die Chantas marschierten und ihre Haut riskierten, sollte sich die Tour zumindest auszahlen. Früher brachten die Gänge mehr ein, doch seit einiger Zeit verdarb jemand die Preise. Zumindest war das Mariks Erklärung, als er ihn zur Rede gestellt hatte. Andererseits hielten sich Gerüchte, wonach die Kaiserlichen fleißiger waren oder auch nur erfolgreicher. Angeblich hatten sie eine Gruppe der „Nachtmarder“ aufgegriffen und nach den Berichten eines fahrenden Barden waren sechs Schmuggler am Sirfaner Marktplatz gehenkt worden. Unbehaglich fasste sich Silvio an seinen Hals.

       * * *

      Zwei Nächte später waren sie am Ziel. Lysa setzte ihre Last ab und schlich geschmeidig über einen schmalen Wiesenstreifen. In dieser Nacht hatte ANRADA ein Einsehen, sorgte für eine dichte Wolkendecke und die Rothaarige verschmolz nach wenigen Schritten mit der Nacht.

      Kurz darauf hörte Silvio ihren leisen Pfiff und setzte sich mit den übrigen Wieseln in Bewegung. Der Umriss des Wäldchens schälte sich aus der Dunkelheit. Er

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