Four Kids. Byung-uk Lee
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Am liebsten hätte er Hee-Chul angeschrien und ihm gesagt, dass er Frau No einfach zum Teufel jagen soll, aber diesen inneren Drang, der seine Stimmbänder hochkroch, unterdrückte Haekwon.
„Was ist das Problem?“, fragte er stattdessen wohlwissend.
Hee-Chul atmete laut aus und blieb ihm die Antwort schuldig.
„Wie läuft es in der Schule?“
In der Dunkelheit stehend zuckte Haekwon mit den Schultern.
„Du solltest dich wirklich mehr anstrengen. Nur weil ich gut verdiene, bedeutet das nicht, dass aus dir nichts Anständiges werden soll.“
„Nächstes Jahr werde ich es bestimmt schaffen.“
Nun richtete sich sein Vater ganz auf. Für einen Koreaner war er überdurchschnittlich groß. Die dunkle, hagere Silhouette näherte sich ihm.
„Und jetzt geh schlafen. Du hast morgen Schule“, sagte Heechul, während er seinem Sohn beim Vorbeigehen auf die Schulter klopfte. Noch einige Zeit stand Haekwon in der Dunkelheit. Die seltenen Gespräche mit seinem Vater gingen ihm nahe, obwohl er sie meistens mied. Seifig fühlte sich die Milch an, die zähflüssig seine Speiseröhre runterlief. Das leere Glas stellte er auf den Wohnzimmertisch. Die Putzfrau würde es ohnehin am nächsten Tag wegräumen. Der einzige Ort, wo sie nicht hindurfte, war sein Zimmer, aber das hatte er der pummeligen Sunia vom ersten Tag an deutlich gemacht. Wenn sie ihm mit ihrem aufgedunsenen Gesicht fragend anblickte und dabei die ohnehin schon schmalen Augen zusammenkniff, musste Haekwon an eine Zucchini denken, die man mit dem Fingernagel eingedrückt hatte. Ansonsten mochte er Sunia sehr und scheute sich nicht, mit ihr bei einer heißen Schokolade in der Küche zu sitzen und ein Gespräch zu führen. Reality Chat.
Browneyes55 würde sich heute nicht mehr zeigen, daher fiel es Haekwon nicht schwer, die Finger vom Laptop zu lassen. Manchmal fragte er sich ernsthaft, wie es ihm gehen würde, wenn seine Eltern nicht so nachsichtig mit ihm wären. Im Grunde seines Herzens fühlte er den Egoismus, der gelegentlich seinen Geist umklammerte. Ja, vielleicht sollte er sich wirklich mehr anstrengen.
Browneyes55 war für ihn nicht nur ein angenehmer Gesprächspartner, sondern auch eine Fallstudie. Die andere Seite der Gesellschaft, das war es, was sein wahres Interesse weckte. In seiner Welt der verlogenen Menschen, die an den Strippen der Finanzen hingen, fühlte er sich im Inneren doch sehr einsam. Freunde entpuppten sich als Feinde, Reichtum als Irrtum und Privilegien als Laster. Unzählige Male spielte er mit dem Gedanken, Gangnam zu verlassen und durch die Gassen zu schlendern, die täglich von gewöhnlichen Leuten benutzt wurden. Obwohl es für ihn eher die ungewöhnlichen Menschen waren. Er hatte diese versnobte Plastikwelt satt, in der er zu versinken drohte, bis er den Grund der Bedeutungslosigkeit erreichte. Der Reiz lag im Normalen.
Fast hätte er die Klippe des Tiefschlafes erreicht, als ihn ein schrilles Geräusch in die Realität zurückholte. Sein verschwommenes Zimmer nahm feste Strukturen an, materialisierte sich und mit schläfrigem Blick bemerkte er den grellen Bildschirm seines PC´s. Hatte er tatsächlich vergessen ihn auszuschalten? Das Chatfenster von Browneyes55 hatte sich geöffnet. Eilig richtete sich Haekwon auf und fuhr sich mit der Handfläche über die kurzen Haarstoppel. Kurz hielt er inne und musste lächeln. Schließlich benahm er sich wie ein verliebter Teenager, der sein erstes Date hatte. So absurd es auch war. Irgendetwas zog ihn magisch an, ohne zu wissen, was es war. Nicht nur der grelle Bildschirm hatte Ausstrahlung, sondern auch die Person am anderen Ende der Leitung.
Browneyes55: Sorry für meine späte Antwort.
Bluebird27: Macht nichts.
Browneyes55: Ich gehe nicht mehr zur Schule. Ich muss Geld verdienen. Die Behörden leime ich und das Schulgebäude habe ich seit Monaten nicht mehr von innen gesehen.
Bluebird27: Was sagen denn deine Eltern dazu?
Haekwon biss sich auf die Faust. Wieder so eine Frage, die Browneyes55 einschüchtern konnte. Erleichtert las er die weiteren Zeilen, die ihn wieder in einen absoluten Wachzustand versetzten. Die Digitaluhr am unteren Rand des Screens zeigte 01:31 Uhr an. Den Unterricht heute würde er also mit Dösen verbringen.
Browneyes55: Ich bin Waise. Meine Eltern kenne ich gar nicht, daher weiß ich nicht, was sie dazu sagen würden. Stolz wären sie bestimmt nicht.
Bluebird27: Meine Eltern sind auch nicht stolz auf mich.
Browneyes55: Sollen wir uns Treffen?
Wie ein Fausthieb aus einer unerwarteten Richtung traf es Haekwon. Aus Erfahrung wusste er, dass all die Magie eines Chats in Enttäuschung umschlagen konnte, wenn man der tatsächlichen Person begegnete. NewWorldOrder22 war in Wirklichkeit ein verpickelter Junge mit Hornbrille gewesen, der artig seine Klavierstunden nahm und im gleichen Bezirk wie Haekwon wohnte. Eine herbe Enttäuschung, die sich nicht wiederholen sollte.
Browneyes55: Was ist jetzt? Sollen wir uns mal treffen?
Bluebird27: Ja. Wo und wann?
Wenn das mal kein Fehler war. Nun gab es kein Zurück mehr.
Browneyes55: In der Nähe vom Seoul-Tower gibt es einen Odeng-Stand, wo ich regelmäßig esse. Lass uns dort treffen.
Bluebird27: Ok, wieso nicht.
Browneyes55
In schrillen Tönen erwachte das schwarze Handy zum Leben. Somewhere over the Rainbow. Die Melodie, die seine Ruhe auf ewig störte. Ein neuer Kunde, eine neue Adresse und ein neuer Weg, den er mit dem klapprigen Fahrrad zurücklegen musste, da er keinen Führerschein besaß, um einen Motorroller fahren zu dürfen. Wer zum Teufel bestellte sich um 8 Uhr morgens eine Nudelsuppe? Hatten die Menschen keine anderen Sorgen als ihren Wanst mit Suppe zu füllen? Mit trägen Bewegungen robbte Soo-Jung zum Telefon, dessen schrille Melodie zu seinem Ärger nicht abbrach. Dabei spürte er die Sonnenstrahlen, die dezent durch das Fenster fielen und seinen kahl geschorenen Schädel streiften.
„Ja!“ Müde und genervt wollte er klingen.
„Morgen du Schlafmütze.“ Die nervöse Stimme seines Vorgesetzten klang freundlich, aber ungeduldig.
„Wohin?“, fragte Soo-Jung, während seine Augen noch versuchten, sich an den neuen Tag zu gewöhnen.
„Jetzt werde mal nicht frech, Kleiner. Schließlich bezahle ich dein Gehalt und deine Miete. Also ändere deinen Ton oder ich schmeiß dich wieder raus.“
„Ist gut“, erwiderte Soo-Jung etwas milder.
„Zieh dich an und komm erstmal runter, dann gebe ich dir alles.“
Gyeong hatte aufgelegt, bevor Soo-Jung noch etwas sagen konnte. Als er nun aufrecht stand, wurde sein ganzer Körper von der Sonne umschmiegt. Nackt zu schlafen gehörte für Soo-Jung zum Leben dazu. Eine Marotte, die er wohl nie ablegen würde. Trotzdem genoss er die Wärme, die durch die Scheibe strömte und sich wie ein geschmeidiger Mantel über ihn stülpte. Im Blickfeld ein grauer Betonklotz. Voyeure hatten keine Chance, da die oberen Etagen leer standen.