Four Kids. Byung-uk Lee
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„Mit anderen Worten deine Familie stinkt nach Geld.“
Soo-Jung lehnte sich vor, als wenn etwas an Haekwons Gesicht kleben würde. Die Bedienung brachte währenddessen eine große Schüssel mit Spießen und stellte vor Haekwon ein kleines Schälchen mit salziger Sojasoße, die sich farblich nicht von der Cola unterschied.
„Lang zu“, meinte der Kahlköpfige.
Zögernd nahm sich Haekwon einen dampfenden Spieß, der so zäh war, dass er mit den Vorderzähnen lange daran zerren musste.
„Und du bist wirklich Lieferbote?“, fragte er, während ihm noch ein Stück Fisch heiß auf der Zunge lag.
Ein Grinsen breitete sich über dem bleichen Gesicht aus.
„Ja, ich liefere in fast jede Ecke der Stadt.“
„Und warum gehst du nicht zur Schule?“
Das Grinsen verflüchtigte sich wieder und wich einer ernsten Miene.
„Du stellst ganz schön viele Fragen für das erste Treffen“, raunte Soo-Jung. „Naja, ich will nicht so sein. Du hast Glück. Heute habe ich gute Laune, daher sag ich es dir. Die Antwort auf deine Frage ist so simpel wie das Alphabet. Ich habe einfach kein Bock auf die Schule.“
Das klang für Haekwon so einleuchtend, dass er nicht nachhakte. Außerdem wollte er den Kahlkopf nicht weiter verärgern. Mit einer blauen Serviette wischte sich Soo-Jung einen Tropfen Sojasoße vom Mundwinkel und schmiss das Tuch anschließend in die Schale. Dunkel verfärbte sich die Serviette, als sie sich mit der schwarzen Flüssigkeit vollsog.
„Fräulein, wir möchten zahlen!“, rief er mit einem neckischen Grinsen der Verkäuferin zu, die herbeieilte und sich daran machte die Schalen und Schüsseln vom Tisch zu räumen. Leise grunzende Laute gab Soo-Jung von sich, während er die zerknüllten Scheine auf den kleinen Tisch legte, die sich langsam entfalteten.
Wir möchten zahlen hatte er gesagt und doch alles selbst bezahlt. Haekwon schwieg.
„Du redest nicht viel, was?“
„Naja, ich möchte nur das Nötigste sagen. Denn Worte können eine verheerende Wirkung haben.“
„Das gefällt mir“, meinte Soo-Jung. Dabei war sein bleicher Zeigefinger wie ein Revolver auf Haekwon gerichtet. „Ich persönlich rede auch nicht viel, aber die Klappe ganz halten, so wie du, könnte ich nicht.“
Als sie das kleine Zelt verließen hatte der Regen nachgelassen. Nur noch einzelne Tropfen hagelten vom stählernen Himmel. Schweigend standen sie am Straßenrand und beobachteten den Verkehrsfluss, der so zähflüssig war, als würde er aus Lava bestehen. Das Hupkonzert dröhnte Haekwon in den Ohren und die Fahrzeuge, die unermüdlich Kohlenstoffmonooxid ausspuckten, vernebelten seine Sinne.
„Ich kenne da einen Ort, dort können wir in Ruhe quatschen und was trinken.“
„Ok.“ Das erste Mal an diesem Abend lächelte Haekwon.
Sie fuhren mit der Metro durch mehrere Stadtviertel. Menschen verließen und betraten die Abteile, flüchtige Besucher so wie sie selbst. Meist abgehetzte Gesichter, dazwischen einige resignierte Mienen, aber gelegentlich sah man auch den einen oder anderen entspannten Zug. Eine Frau beugte sich über einen Kinderwagen und wedelte verzweifelt mit einer Rassel, da das Baby nicht aufhörte, zu weinen.
„Kutschi, kutschi, kutschi“, alberte sie ein kindisches Mantra.
Über Soo-Jungs Miene huschte ein Schmunzeln, das, wie Haekwon vermutete, mehr Verachtung als Belustigung äußern sollte. Wie ein Großstadtäffchen hielt sich der Kahlkopf am Kunststoffriemen fest, seine Beine in lockerer Stellung.
„Lass doch das Kind in Frieden!“, rief er der jungen Mutter zu. „Es will die scheiß Rassel nicht.“
Giftig blickte die Frau auf.
„Und du, kümmer dich um deinen eigenen Kram.“
Soo-Jungs Augen erhaschten gierig einen Blick auf den wohlgeformten Hintern der Dame, der in einem langen Rock mit Blumenmuster verpackt war. Mit der Zunge leckte er sich über die schmalen Lippen, während er seine Augen nicht vom Po der jungen Frau lösen konnte.
„Schon mal gevögelt?“, fragte er in der Menge stehend.
Haekwon spürte, wie seine Wangen leicht erröteten. Ein Kribbeln, das sich wie eine raue Decke über die gesamte Gesichtshaut zog. Seine Antwort war ein kurzes Nicken. Dabei dachte er an Yeji, seine erste Freundin. Vor seinem geistigen Auge erschien ihm das Dreiecksgesicht bedeckt mit einer dicken Hornbrille. Die Augenbrauen stets hochgezogen, eine überrascht naive Miene erzeugend.
„Also ich könnte mal wieder“, sagte Soo-Jung zwinkernd.
In der Ecke versteckte sich ein alter Mann hinter seiner Zeitung, von dem Haekwon nur raschelndes Papier und ein leises Lachen vernahm. Ob der Greis einen amüsanten Artikel las oder ihr Gespräch belauscht hatte, wusste er nicht. Allein diese Ungewissheit bereitete ihm Unbehagen, daher wollte er die Metro schnell verlassen. Doch sie verließen die eiserne Raupe erst an der letzten Station. Diesen Stadtteil hatte Haekwon zuvor nie besucht und es kam ihm so vor, als würde er einen fremden Planeten betreten, auf dem man sich behutsam bewegen musste. Hingegen stieg Soo-Jung eiligen Schrittes die Stufen hoch, mit einer Sicherheit, die Haekwon bewunderte. Auf dem Asphalt lag überall Müll. Die Gebäude, teils zerfallen, konkurrierten mit ihrem Grau mit der düsteren Wolkendecke, die wieder drohte, sich über sie zu ergießen. Der Wind wehte ihnen schneidig um die Wangen und die feuchte Kälte drückte sich langsam auf Haekwons Gemüt.
„Wie lange dauert es noch?“, fragte er.
Soo-Jung lief, ohne zu antworten einen Schritt vor ihm. Gelegentlich bildeten sich an seinem Nacken fleischige Falten, wenn er hochsah, um den Himmel zu betrachten, als wenn er dadurch einen weiteren Schauer verhindern könnte. Das Gras auf beiden Seiten der Straße war verdorrt und darbte vor sich hin. Am Ende des Weges erreichten sie ein Areal, auf dem sich mehrere zerfallende Fabriken und Lagerhallen befanden. Fossile Überreste aus besseren Zeiten. Eingeschlagene Fenster, korrodierte Metallwände und Wellblech auf dem sich moosiges Grün ausgebreitet hatte. Alles befand sich an einem Kanal, der mit schmutzigem Wasser gefüllt war.
„Willkommen in meinem Reich.“ Soo-Jung reckte beide Arme in die Höhe und lächelte verschmitzt.
„Was sollen wir hier?“
„Habe ich doch gesagt. Quatschen und was trinken. Dazu benötigt man eine Kulisse mit Charme und Atmosphäre.“
Aus seinem roten Rucksack kramte er zwei Dosen Bier, mit denen er Haekwon zuwedelte. Tatsächlich spürte er hier an diesem Ort der Verrottung einen gewissen Frieden. Diese Leere hatte etwas Anziehendes. Die Anstrengung der Menschen so viele Gegenmenschen kennenzulernen wie möglich, hatte Haekwon noch nie nachvollziehen können. Je mehr Leute man kannte desto mehr Ärger hatte man. So jedenfalls seine Faustregel. In der Schule verhielt er sich daher sehr bedeckt und streifte meist allein durch die Korridore. Diejenigen, die er einst kannte, hatten bereits ihren Schulabschluss und studierten an den verschiedenen Unis der Welt. Verstreut in alle Winde. Und Haekwon war froh über diesen Neustart. Ging nichts mehr, drückte man einfach auf die Resettaste.
„Komm wir setzen uns ans Ufer“, schlug Soo-Jung vor.
Während