Four Kids. Byung-uk Lee

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Four Kids - Byung-uk Lee

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Lichter auf. Die Kakophonie der Spielehalle drängte sich in den Hintergrund zu einem müden Gemurmel, während sie vertieft im Rausch des Flipperns beobachtete, wie die Kugel chaotisch aber dennnoch zielstrebig von einer Seite zur anderen geschleudert wurde. Nur für eine Won-Münze, und sie vergaß kurzfristig ihre Sorgen. Ein geringer Preis wie sie fand. Nur drei Spiele machte sie, wenn sie hier war. Und niemals war es anders gewesen. Die warme, runzelige Hand von Tae-Min legte sich auf ihre Schulter. Über die Jahre hatte sie den alten Besitzer der Spielhalle gern gewonnen. Normalerweise saß er still mit seinem grauen Filzhut auf dem kahlen Schädel in der Ecke, während er sein müdes Gesicht auf einen braunen Gehstock stützte. Mit beiläufiger Aufmerksamkeit ließ er seinen Blick durch die Halle schweifen, um mögliche Unruhestifter zu orten. Die meisten Gäste saßen auf Hockern vor ihren Bildschirmen, mit entspannten Gesichtern von Lämmern, die von bunten Lichtern künstlich eingefärbt wurden. Nur selten tanzte ein Gast aus der Reihe. Dann lief Tae-Min in sein Kämmerchen, ein kleiner Nebenraum hinter dem großen Saal, der zu einem Büro umgebaut worden war, und rief die Polizei. Als sie Tae-Min das erste Mal begegnete, war ihr direkt sein leicht hinkender Gang aufgefallen. Trotz seines hageren Gesichtes wirkten seine Züge eher sanft als scharfkantig. Schwach wirkte er dennoch nicht, da seine Stimme sich mit Bedacht und Bestimmtheit ausdrückte.

      „Wie geht es der Familie?“

      Hyuna zuckte mit den Schultern. Die warmen, faltigen Finger berührten ihr Kinn und mit väterlicher Fürsorge drehte er ihr Gesicht in sein Blickfeld.

      „Hat er es wieder getan?“

      „Es war meine Schuld“, meinte Hyuna und widmete sich schüchtern wieder dem Flipper. Bisher war der alte Spielhallenbesitzer die einzige Person, die von ihren Problemen wusste. Tae-Min ging schweigend wieder in seine Ecke. Der Hocker, auf dem er saß, hatte im Gegensatz zu den übrigen einen anderen Lederbezug. Während Hyuna noch von den Klängen der Bonuspunkte beschallt wurde, blickte sie gelegentlich nach hinten. Der Alte hatte wieder seine gewohnte Pose eingenommen, aber er wirkte nachdenklicher als sonst.

      Als sie aus der Dunkelheit des Untergeschosses wieder ans Tageslicht kam, war das Licht so grell, dass sie ihre ohnehin schon schmalen Augen noch fester zusammenkneifen musste. Sie kam sich wie ein Vampir vor, der nach hundertjährigem Schlaf wieder seinen Sarg verlassen musste. Mit dem Bus fuhr sie bis an den Stadtrand, wo sie wieder Kummer und Sorgen erwarteten. Das Monster des Alltags, das sie täglich aufs Neue verschlang und mit leerer Seele wieder ausspie. Durch die Glasscheiben des Busses, beschmiert mit Fingerabdrücken neugieriger Kinder, blickte sie auf eine vorbeizischende Glitzerwelt, bestehend aus Hochhäusern, Werbetafeln und Einkaufsstraßen. Doch bald wurde das Bild getrübt von zefallenen Häuserreihen, die architektonischen Stiefkinder der Hauptstadt. Einige streunende Hunde wandelten durch die schmalen, stinkenden Gassen in der Hoffnung auf etwas Fressbarem. Hyuna hatte Mitleid mit ihnen, aber wenn sie einen Streuner mit nach Hause nehmen würde, würde sie noch mehr Schläge erwarten. Denn eines hasste ihr Vater besonders: Streunende Flohfänger. Die grauen Mauerfassaden, die klare Besitzverhältnisse markierten, waren rissig. Sie hatte den Bus schon verlassen, der weiter durch das Armutsviertel fuhr, weiter in das schwarze Herz des Elends eindrang. Sie legte die Kuppe ihres Zeigefingers auf einen der Risse und fuhr ihn entlang, wie eine Rennstrecke, während sie langsam weiterging. Aus einigen Stellen strömten Ameisen oder anderes Getier ans Tageslicht. Dann blieb sie stehen und blickte in die Weite der Gasse. Vor ihr stand der Lieferjunge. Beide Beine fest auf dem Boden hockte er auf der Fahrradstange und blickte sie mit schüchternem Lächeln an. Sie erwiderte das Lächeln. Lange standen die beiden sich gegenüber und sagten kein Wort. Den kleinen Taiwanhund, der das Fahrrad in wilder Neugier umkreiste, hatte sie erst später bemerkt.

      Narrenfreiheit

      Er war nicht da. Verwirrt blickte Haekwon auf seine Armbanduhr und schaute in die gähnende Leere des Zeltes. Nach zwei Flaschen Soju und einem Pfund Fischkuchen hatte sich der anfängliche Ärger etwas aufgelöst. Misstrauisch hatte die Bedienung geschaut, die zunächst seine Volljährigkeit anzweifelte, bis sie ihm endlich doch noch die beiden grünen Fläschchen brachte. Die Planen konnten den Verkehrslärm nicht dämpfen, aber Haekwon hatte ohnehin das Gefühl, er würde im Freien essen. Feine Lokale, wo er die schmackhaftesten Speisen essen durfte, war er gewohnt. Ein Privileg, das nur reichen Leuten vergönnt war. Der Status seines Vaters öffnete ihm viele Türen und doch blieben mehr verschlossen. Hier hatte er Marmorboden gegen blanken Asphalt, Silberbesteck gegen Einwegessstäbchen und steife Etikette gegen aufrichtige Gespräche getauscht. Und der Gedanke gefiel ihm. Wenigstens so war die Flucht aus seiner Welt für einen Augenblick möglich. Die Reichen und Schönen saßen in ihren Elfenbeintürmen und hatten keine Ahnung, was auf den Straßen dieser Stadt los war. Denn das wahre Leben tobte in engen Gassen, bei Straßenhändlern und in staubigen Fabrikhallen. Trotzdem fühlte er sich irgendwie in der Enge des Zeltes unbehaglich. Anders als er hier auf Soo-Jung traf, der ihm mit seinem offenen Gemüt das Gefühl gab, nicht fehl am Platz zu sein.

      Etwas benommen wankte er auf die Bedienung zu, die ihm mit grimmiger Miene, so schien es zumindest, die Geldscheine aus der Hand riss. Anscheinend verströmte er den Gestank des Wohlstands, sodass ihm manche Menschen mit Mistrauen begegneten. Dabei trug er nicht mal seine beste Kleidung. Im Tarnmantel der Mittelmäßigkeit wollte er eine Gesellschaft erkunden, die die meisten aus seiner Schicht mieden. Haekwon beschloss, unbekanntes Terrain zu erkunden. Nachdem er sich einen Weg aus dem Dschungel aus Reklamelichtern und den wogenden Basswellen, die aus den Geschäften dröhnten, um die Menschen zum fröhlichen Konsum zu animieren, gebahnt hatte, stand er nun auf einer stählernen Brücke, die zwei Stadtviertel miteinander verband. Die roten Träger ragten wie betende Arme in den Himmel und endeten in einer dreieckigen Metallummantelung. Er starrte auf die graue, flüssige Masse hinunter. Ständig in Bewegung und fortwährend ihre Form verändernd, ein liquider Gestaltenwandler, amorph und doch so viele Formen annehmend. Auf dem schmutzigen Wasser fuhren Dampfer und kleinere Schiffe mit Touristen. Den schwarzen Ruß in den Himmel schleudernd. Beide Beine hatte er zwischen die Gitterstäbe gesteckt. Er spürte am Hintern die Kälte des Stahls, die seine Jeans durchdrang. Ein Zischen durchbrach den dumpfen Verkehrslärm hinter ihm. Schaum sprudelte an die Oberfläche des Aluminiumdeckels. Noch betäubt waren seine Sinne vom Reisschnaps und mit Bier versuchte er diesen Zustand aufrechtzuerhalten wie die Atmung eines Komapatienten. Bei dem Gedanken daran, dass er sich noch Minuten zuvor über eine Person geärgert hatte, die er ohnehin nicht kannte, musste Haekwon schmunzeln. Und so schlich sich eine Zufriedenheit in seine Seele, die er lange nicht mehr verspürt hatte. Nichts konnte ihm heute die Laune verderben. Er war jung, frei und nicht gefangen in der Enge der Zielstrebigkeit, in die sich andere Menschen begaben, um sich eine bessere Zukunft zu sichern. Diese Tür stand ihm offen, obwohl er sie am liebsten zuschlagen wollte.

      Zur Bestätigung seiner Gedanken stieß er einen lauten Rülpser in die Ferne und beugte näher sich ans Geländer, um weitere Schiffe zu beobachten. Die leere Dose bewegte sich unruhig im Wind, bis sie an die Metallstäbe stieß und scheppernd zur Seite fiel. Haekwon machte sich nicht die Mühe, sie aufzulesen, sondern schulterte seinen Rucksack und überquerte die Brücke. Die weichen Sohlen seiner Nikes erzeugten auf dem Metall bei jedem Schritt ein dumpfes Geräusch, das von vorbeizischenden Fahrzeugen verschluckt wurde. Am Brückenende erwarteten ihn graue Wohnblocks, deren Fenster Haekwon wie wachsame Augen verfolgten. In einigen Wohnungen brannte Licht, in anderen herrschte Dunkelheit. Hinter einigen Fenstern bewegten sich Schatten, hinter anderen waren die Vorhänge zugezogen. Die Menschen waren verschieden, aber lebten dennoch im gleichen Hornissennest. In einem kleinen Krämerladen kaufte er sich weitere Dosen und eine rote Fruchtgummistange, die ihm ein hagerer, alter Mann mit wettergegerbter Haut überreichte. Mit Bewunderung sah sich Haekwon in dem Laden um, der vollgestopft mit Süßigkeiten, Getränken und Snacks war. Die Freundlichkeit des Besitzers sah er mehr als Geschäftstüchtigkeit statt Wohlwollen. So verließ er den kleinen Schuppen, der provisorisch zu einem Laden umgebaut worden war. Und er setzte sich auf den rissigen Bürgersteig, um das Leben und die Anwohner zu betrachten. Vor ihm begannen einige Mädchen mit Kreide Kästchen auf den Asphalt zu malen. Wenige Minuten später sprangen sie auf

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