PROJEKT KUTAMBATI. Michael Stuhr

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PROJEKT KUTAMBATI - Michael Stuhr

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wurde, seine Patienten zu Versuchszwecken zu missbrauchen. Fast alle europäischen Pharmakonzerne unterhielten im Rahmen der Entwicklungshilfe Versuchsstationen in der Dritten Welt. Hier wurden die Medikamente getestet, die in Europa nicht an Menschen erprobt werden durften.

      Wie entsetzt war er gewesen, als er bei seinem ersten Einsatz in Westafrika feststellte, dass täglich dutzende von vollständig gesunden Bergarbeitern durch die Sprechzimmer geschleust wurden, an die er neu entwickelte Beta-Blocker zu verteilen hatte. Da Beta-Blocker auch Depressionen auslösen können, hatte man dem Präparat eine gute Dosis Stimmungsaufheller beigemengt. Jeder Mann musste Urin- und Stuhlproben abgeben, Blut wurde abgenommen und Reaktionstests wurden durchgeführt. Anschließend musste jeder Arbeiter seine Pille für die Nacht unter Aufsicht einnehmen und durfte dann nach Hause gehen. Die Ehefrauen maulten zwar etwas, weil ihre Kerle nachts zu absolut nichts mehr zu gebrauchen waren, aber das war nicht weiter schlimm. Viel bedenklicher stimmte es, dass die Jungs auch am nächsten Morgen noch völlig high gewesen waren. Fröhlich lächelnd hatten sie bei der Arbeit sich selbst oder anderen - ganz aus Versehen - ein paar Finger oder sonstige Körperteile abgehackt. Eilig war nach Deutschland telegrafiert worden, und man hatte den Versuch sofort abgebrochen. Das neu entwickelte Präparat, das drei Wochen später angeliefert wurde, wirkte schon erheblich milder; musste aber noch zweimal verbessert werden, bevor es in Deutschland in den Handel kam.

      Unzählige andere Tests folgten: Appetitzügler, Cortisoncremes, Kreislaufmittel, Rheumasalben und vieles andere wurde in stetem Wechsel auf Wirkung und Verträglichkeit getestet. Die Menschen, an denen diese Versuche vorgenommen wurden, hatten sich alle freiwillig gemeldet. Andererseits hätte die Yekepa Mining Company jeden gnadenlos gefeuert, der sich nicht zur Verfügung gestellt hätte. Schließlich erhielt sie von dem Pharmakonzern ein hohes Kopfgeld für jede Versuchsperson.

      Brauner, Fischers damaliger Vorgesetzter, hatte in einem abendlichen, privaten Gespräch dann auch noch die letzten Illusionen zerstört, die Fischer bis dahin noch hätte haben können. Fischer, frisch aus Deutschland importiert, hatte schwere Skrupel wegen des menschenverachtenden Vorgehens seiner Firma. Beiläufig hatte er durchblicken lassen, dass er beabsichtige, einen Bericht auszuarbeiten und die Presse über die skandalösen Zustände zu informieren.

      Brauner hatte ihm das allerdings ganz schnell ausgeredet. Er hatte Fischer vor Augen geführt, was passieren würde, wenn diese Klinik geschlossen werden müßte. Die einheimische Bevölkerung würde dann zwar nicht mehr als Versuchsmaterial missbraucht, aber sie würde auch sonst ohne jede medizinische Versorgung sein.

      Fischer hatte das einsehen müssen, aber es hatte ihm absolut nicht gefallen. Er war zu keiner Antwort fähig gewesen. Er hatte sich knapp verabschiedet und war in sein Zimmer gegangen In dieser Nacht hatte der junge Doktor Fischer zum letzten Mal in seinem Leben geweint. Es waren Tränen der Hilflosigkeit, der Enttäuschung und der Wut gewesen.

      14.11.1972 - 13:00 - Kutambati, Kenia

      "Frang-fu! Frang-fu!" Der Postboy versuchte die deutsche Aussprache nachzuahmen, die er von Wallmann gehört hatte. Ohne Rücksicht auf seine Mittagspause kam er, begleitet von einer Horde Kinder, laut rufend in einer riesigen roten Staubwolke über den glühend heißen Hof gerannt. Das Telegramm in der hocherhobenen rechten Hand, raste er direkt auf das offene Fenster des Gemeinschaftszimmers zu, in dem die Ärzte gerade beim Essen saßen.

      "Jambo Bwana Doktor Wallmann!" grüsste er außer Atem. "Telegramm from Frang-fu!"

      "Jambo Christoph, thanks a lot!" Wallmann stand auf und nahm dem Jungen das Papier ab. Umständlich kramte er in der Hosentasche und reichte ihm einen Shilling. Staunend verfolgte die Kindermeute, wie Christoph seinen Lohn in sein Taschentuch knotete und am Gürtel befestigte.

      "Na, was wollen die Frankfurter schon wieder?" Wolters war ungeduldig.

      Wallmann überflog das Telegramm. "Seidel kommt."

      "Oh nein!" Wolters stöhnte auf. "Ausgerechnet dieser Kotzbrocken."

      "Nun beruhige dich mal, Felix. Diesmal brauchst du ihn wohl nicht zu sehen. Ich treffe mich mit ihm im "River Thames" in Mombasa."

      "Wann denn?"

      "Schon heute Abend. Das Scheiß-Telegramm war mal wieder drei Tage lang unterwegs. Ich versuche Pavarone zu erreichen." Wallmann steuerte das Funkgerät an.

      "He Gerd, warte doch mal!" fiel Fischer ein. "Du fliegst heute noch nach Mombasa?"

      "Ja!"

      "Wann kommst du zurück?"

      "Wahrscheinlich morgen früh!"

      "Nimmst du mich mit?"

      "Na hör mal!"

      "Komm Gerd, sei kein Frosch. Nimm mich mit! Felix schafft das hier schon alleine bis morgen. Stimmt's Felix?"

      "Wenn ich nur diesen Seidel nicht sehen muss, ist mir alles recht."

      "OK Martin, aber wenn ich länger bleiben muss, fliegst du morgen früh alleine zurück.

      "Yes, Sir!" Fischer strahlte Wallmann an. "Na denn - wann geht's los?"

      Wallmann hatte inzwischen die richtige Frequenz eingestellt. "Heerdt-Klinik ruft Pavarone! Heerdt-Klinik ruft Pavarone! Komm Junge, melde dich!"

      Wallmann ließ die Sprechtaste los und wartete einige Sekunden. Alle hörten gespannt auf das Knacken des Lautsprechers.

      "Hallo, hier ist Franco! Heerdt-Klinik, was ist los?"

      "Tag Franco, hier ist Gerd. Du hör mal, hast du einen Lift für uns? Zwei Personen nach Mombasa und morgen früh zurück. Wann kannst du hier sein?"

      "Na, zwei Stunden werde ich schon brauchen. Ich muss erst noch Staub wischen."

      "In Ordnung! Wir sind kurz nach drei an der Piste."

      "Ja, aber probiert diesmal rechtzeitig, ob euer Wagen anspringt. Ich habe keine Lust, wieder stundenlang zu warten. Ende!"

      "Ende!"

      Um halb drei fuhr Wolters die beiden Kollegen zum Landeplatz, der zirka sieben Meilen außerhalb des Dorfes lag. Der Pilot hatte recht gehabt. Der VW-Kübel hatte zu lange gestanden und musste tatsächlich wieder angeschoben werden. Jetzt lief er einwandfrei, und kurz vor drei stand der Wagen mit laufendem Motor neben der Piste.

      "Ich möchte doch mal gerne wissen, was dich so gewaltig nach Mombasa zieht." Wolters hatte sich zu Fischer herumgedreht.

      "Das kann ich dir erklären: Vor vielen Jahren träumte ich davon, einmal eine Klinik an der Küste zu leiten. Und was habe ich bis heute bekommen? Zweitklassige Stellungen in der Steppe, in der Wüste, im Dschungel und im Sumpf. Ich finde einfach, dass ich es meinem Traum von damals schuldig bin, wenigstens ab und zu ein bisschen Seeluft zu schnuppern."

      Wallmann, der auf dem Beifahrersitz mitgehört hatte, lachte kurz auf.

      "Tja", stellte Wolters fest, "In jedem Arzt steckt ein Romantiker - oder steckte zumindest", setzte er bitter hinzu und wandte sich ab.

      Wenige Minuten später trudelte auch Franco Pavarone mit seiner einmotorigen Cessna ein.

      "Viel Spaß und viel Glück", rief Wolters zum Abschied, als Fischer und Wallmann

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