Dagebliebene. Reiner Kotulla

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Dagebliebene - Reiner Kotulla страница 4

Автор:
Серия:
Издательство:
Dagebliebene - Reiner Kotulla

Скачать книгу

Ehrenmale sind nicht nur Denkmale an den Sieg. Sie sind gleichzeitig auch Gedenkstätten, in Verbund mit Soldatenfriedhöfen und somit sowjetische Kriegsgräberstätten in Deutschland. Das zentrale Ehrenmal ist die große Anlage im Treptower Park. Daneben entstanden die Ehrenmale im Großen Tiergarten, in der Schönholzer Heide und das Ehrenmal im Bucher Schlosspark (Stadtbezirk Berlin-Buch). Die beiden letztgenannten befinden sich im Bezirk Pankow.

      Das Ehrenmal im Tiergarten wurde auf Grund eines Beschlusses des Kriegsrats der 1. Weißrussischen Front von den Bildhauern Lew Kerbel und Wladimir Zigal gemeinsam mit dem Architekten Nikolai Sergijewski entworfen und an der damaligen Charlottenburger Chaussee errichtet. Dieses Ehrenmal ist das letzte auf dem Kampfweg der 1. Weißrussischen Front von Küstrin über Seelow bis Berlin. Am 11. November 1945 wurde es mit einer Parade der alliierten Truppen eingeweiht.

      

      

      

      

      

       Er hat mich vergewaltigt (1949)

      Durch das kleine Fenster der Gartenlaube beobachtet Waltraud Tag für Tag die Streife, die ihren Postengang entlang der Telegrafenleitung absolvieren. Sie erinnert sich daran, was man ihnen immer wieder eingebläut hatte, dass das keine Menschen eher sibirische Tiere seien.

      Einmal waren es nicht zwei, sondern drei Soldaten gewesen. Waltraud holte aus der Truhe das Fernglas, das einzige Andenken an den Geliebten, der bei Stalingrad gefallen war, und richtete es auf die drei. Zwei trugen keine Kopfbedeckung, hatten das Käppi unter die Schulterklappen geschoben. Ihre kahl geschorenen Schädel glänzten in der Sonne. Der dritte trug eine große runde Uniformmütze, dass sie sein Gesicht kaum erkennen konnte.

      Die junge Frau nahm ihren ganzen Mut zusammen, verstaute das Fernglas wieder in der Truhe. Die Hand schon auf der Türklinke, zögerte sie, doch ihre Neugier überwog die Angst.

      Die Soldaten sahen Waltraud nicht, als sie vor die Laubentür trat, also rief sie laut „Hallo!“

      Der mit der großen Mütze, ein Leutnant, wandte seinen Kopf, blickte zu ihr hin und bedeutete den anderen zu halten. Auf halbem Wege trafen sie sich. Nacheinander blickte sie den drei Soldaten ins Gesicht. Auf den ersten Blick konnte sie darin nichts Tierisches entdecken. Deshalb nahm sie all ihren Mut zusammen, sah dem mit der großen runden Mütze in die Augen, stotterte ein wenig als sie die drei einlud.

      Dann saßen sie um den Tisch auf der kleinen Wiese vor der Laube, tranken vom Kaffeeersatz, den man hier Muckefuck nannte, sprachen vom Wetter und sonst Wichtigem. Die beiden Postengänger verstanden kein Deutsch, sodass der Leutnant alles übersetzen musste.

      Zuerst blickte Waltraud von einem zum anderen, während sie sprach, bis sie schließlich nur noch dem Leutnant in die Augen schaute. Leicht schräg gestellt, registrierte sie, dass sie ihn fragte, woher er käme. „Kasachstan, genau genommen aus der kasachischen Sowjetrepublik“, seine Antwort und sie weiter fragte, wo er gelernt hatte, so gut Deutsch zu sprechen. Da erzählte er von seinen Eltern, die schon in den 1930 er Jahren von der Wolga in den Osten gezogen waren. Er war zweisprachig aufgewachsen und hatte sich direkt nach dem Überfall der Hitler-Faschisten auf die Sowjetunion freiwillig zum Militär gemeldet.

      „Überfall“, ging es Waltraud kurz durch den Kopf, Russlandfeldzug nannte sie es bisher.

      „Darf ich fragen, wie sie heißen, gnädiges Fräulein?“

      Da musste Waltraud lachen.

      „Warum lachen Sie?“

      „Gnädiges Fräulein hat mich noch nie jemand genannt. Ich heiße Waltraud und sie?“

      „Wladimir Neubauer.“

      „Sonst waren es immer nur zwei Soldaten, die hier vorbeikamen?“

      „Nun, es hat Sabotagefälle an der Telegrafenleitung gegeben. Da müssen wir nachforschen.“

      Einen Moment zögerte Wladimir, bevor er weitersprach.

      „Ihnen ist da wohl nichts aufgefallen?“

      Was meinte er wohl mit dieser Frage? Dachte er etwa sie oder jemand aus der Siedlung würden da etwas kaputtmachen? Und wenn, sie würde doch keinen Landsmann verraten. Das sagte sie ihm nicht, verneinte lediglich seine Frage.

      „Na dann“, sagte Wladimir, bedankte sich für den Muckefuck auch im Namen seiner Kameraden.

      Waltraud blickte den dreien hinterher. Ein wenig enttäuscht war sie. Wladimir, ein schöner Name dachte sie.

      Tags darauf waren es wieder nur zwei Soldaten, und kurz überlegte Waltraud, sie nach Wladimir zu fragen, verwarf den Gedanken aber gleich wieder.

      Dann, drei Tage später, hielt ein Geländewagen vor dem Gartentor. Waltraud saß vor der Laube, hatte eine Pause bei der Gartenarbeit eingelegt. Sie wusste sofort, das konnte nur Wladimir sein. Sie sprang auf, rannte los, beherrschte sich und tat gelassen.

      „Holdes Fräulein, darf ich es wagen?“

      „Wie bitte?“ Ihre verblüffte Reaktion.

      „Das sagt Heinrich zu Gretchen, weil er sie kennenlernen will.“

      Eher auf Verdacht reagierte Waltraud: „Goethes Faust, ich vermute?“

      Wladimir lachte dieses offene jungenhafte lachen, das sie schon an ihm kannte.

      „Im Ernst, ich möchte mich für die Einladung revanchieren und sie nun meinerseits zum Kaffee einladen.“

      Waltraud freute sich, dass sie beinahe sofort die Gartentür geöffnet hätte. Doch sie besann sich.

      „Ich kann doch so nicht mit ihnen gehen“, sagte sie an sich hinunterblickend.

      „Ich kann warten, da sie zugesagt haben.“

      Frauen, denkt Wladimir, da Waltraud 10 Minuten später immer noch nicht zurück war. Als sie dann verhaltenen Schrittes den Gartenweg herunterkam, schaute er ungläubig. Waltraud trug ein geblümtes Sommerkleid zu einfachen Sandaletten, an den nackten Füßen. Das Band entfernt, viel ihr das lange braune Haar bis auf die Schultern.

      „Verweile doch…“, begann Wladimir.

      „Schon gut, Herr Soldat, genug des großen deutschen Dichters. Man sagt ja, dass russische“, sie stockte, „das sowjetische Soldaten einiges an deutscher Kultur kennen.“

      Inzwischen waren sie in Karlshorst, dem Sitz der sowjetischen Militäradministration angekommen. Waltraud hatte davon gehört, auch vom „Russen Magazin“, wie der Laden genannt wurde. Schließlich führte Wladimir sie ins Offizierskasino. Bei Kaffee und Kuchen und Gesprächen über ihr bisheriges Leben verging der Nachmittag und es sollte nicht der letzte gewesen sein.

      Die nächsten Tage brachten für Waltraud eine derartige Veränderung ihres Lebens, derer sie sich erst viel später bewusst

Скачать книгу