Der Fluch von Shieldaig Castle. Thomas Riedel
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Читать онлайн книгу Der Fluch von Shieldaig Castle - Thomas Riedel страница 7
Gracelynn Gates rümpfte die Nase. Sie weinte nicht. Sie fühlte sich nicht einmal innerlich belastet.
Mit Scarlett hatte sie nichts Schwesterliches verbunden. Eigentlich hatte sie ihre um dreizehn Jahre jüngere Schwester nie recht verstanden. Es war eine Kluft zwischen ihnen, die vielleicht nur eine Mutter hätte schließen können, aber sie hatten ja ohne aufwachsen müssen und waren am Ende sogar Vollwaisen gewesen.
»Nun werde ich also Herr von ›Shieldaig Castle‹«, sagte er plötzlich, und als würde dieser Gedanke wie ein Funke in ihm zünden, erhob er sich, schritt zum Fenster und wiederholte noch einmal: »Die Burg wird also endlich mir gehören.«
»Ich kann nicht verstehen, was du mit diesem alten Gemäuer hast. Ich war damals froh, dass Scarlett die Burg haben wollte und ich mein Erbteil ausbezahlt bekam.«
»Und ich konnte nie verstehen, dass du auf ›Shieldaig Castle‹ verzichtet hast, wo es dir als Erstgeborene zugestanden hätte.«
»Die Burg ist mir unheimlich.«
»Nein, Mutter. Sie ist ein imposanter Bau, und außerdem ist sie ausgesprochen romantisch. Es ist durchaus ein Ort, an dem ich gern leben würde.«
»Jetzt sag nicht, du willst in die Burg einziehen?«
Gracelynn hob erstaunt den Kopf und sah ihren Sohn an.
»Natürlich will ich das. Sie wird mir gehören, nicht wahr?«
»Ja. Wir sind die einzigen Erben. Aber, … dein Beruf, Brantley, du kannst doch nicht …«
Brantley Gates ließ seine Mutter nicht ausreden.
»Selbstverständlich kann ich meine Arbeit auch von dort aus erledigen«, unterbrach er sie schnell und begann zu schwärmen. »Ich sehe schon alles vor mir. Dort habe ich alle Freiheit zum Arbeiten, die man im Architektenberuf so nötig braucht. Dort werde ich frei sein und wirklich etwas Großes schaffen können. Ich werde die ganze obere Etage ausbauen. Nur Fenster … Jede Menge natürliches Licht wird von allen Seiten auf mich einströmen. Im Notfall werde ich ein paar der hohen Tannen abholzen müssen, aber es wird herrlich auf ›Shieldaig Castle‹ werden. Du ahnst nicht, wie sehr ich mich darauf freue, Mutter.«
»Das … wusste ich nicht.«
»Es hatte ja bislang auch noch nie Sinn gemacht, darüber ein Wort zu verlieren. Aber einmal, das kann ich dir nun gestehen, einmal … ja, da wollte ich mit Tante Scarlett schon darüber reden. Ich wollte sie fragen, ob sie mich nicht bei sich wohnen lassen würde.«
»Brantley!«, entfuhr es ihr entgeistert.
»Aber Mutter, was schaust du mich so überrascht an?«
»Dein Zuhause war bisher hier«, entgegnete sie vorwurfsvoll.
Gracelynn Gates, der man ihre fünfundfünfzig Jahre nicht ansah, erhob sich nun und ging zu ihrem Sohn, den sie vor dreißig Jahren geboren hatte und von dem sie sich nur ungern trennen wollte.
»Willst du wirklich auf diese schreckliche Burg ziehen?«, fragte sie ihn noch einmal.
»Ja, Mutter … Ja, auf jeden Fall … Du ahnst gar nicht, wie sehr ich mich darauf freue. Es sollte mich traurig stimmen, dass Scarlett tot ist, nicht wahr? Aber dir … nur dir … will ich gestehen, dass meine Freude überwiegt. Gewiss habe ich Tante Scarlett nie so beneidet, dass ich ihr die Burg nicht gegönnt hätte, aber ich muss dir gestehen, dass mich der Gedanke, dass ich jetzt Herr von ›Shieldaig Castle‹ bin, ganz aus dem Häuschen bringt.«
»So ist das also.«
»Ja, genau so ist es.«
»Vater wird damit nicht einverstanden sein, mein Sohn. Er wird da noch ein Wort mitzureden haben. Ihm gehört schließlich das Bauunternehmen, und du bist sein Architekt. Es wäre ganz sicher nicht gut, wenn …«
»Ich werde auf die Burg ziehen, Mutter. Niemand, ich betone: niemand, wird mich davon abhalten können – auch Vater nicht. Dafür habe ich es mir in meinen Träumen schon zu oft vor mir gesehen. Deshalb steht mein Entschluss fest.«
Gracelynn Gates seufzte. Innerlich gab sie dafür sogar ihrer toten Schwester die Schuld. Wäre sie noch am Leben, brauchte sie sich jetzt nicht von ihrem Sohn zu trennen.
»Ich würde dich nicht für immer auf ›Shieldaig Castle‹ begleiten«, mahnte sie, als hoffte sie, Brantley damit noch umstimmen zu können.
»Davon bin ich auch nicht ausgegangen, Mutter.«
»Ich prophezeie dir: du wirst dort sehr einsam sein.«
»Nicht auf ›Shieldaig Castle‹. Das Geheimnis der Burg beeindruckt mich. Dort ist alles so unwirklich, und vielleicht gibt ihr gerade das ihren Reiz. Außerdem soll dort ein Schatz versteckt sein, nicht wahr?«
»Ja, so erzählte man sich«, lachte Gracelynn. »Man sprach früher davon, und als Kind habe ich schon in den Gewölben danach herumgesucht, obwohl ich mich dort immer sehr gefürchtet habe.«
»Und niemand hat ihn bisher gefunden?«
»Nein, Brantley. Natürlich nicht, denn wahrscheinlich ist nichts davon wahr. Geschichten um eine Burg hat es schon immer gegeben. Man erzählte sich viel darüber, aber nichts davon dürfte gestimmt haben … Alles nur eine Legende.«
»Aber wenn es keine Legende ist und es tatsächlich einen Schatz gibt, dann werde ich ihn finden.«
»Du bist Architekt und kein Schatzsucher.«
Jetzt lachten sie beide. Brantley legte seinen Arm um ihre Schultern.
»Du wärst mir doch nicht ernstlich böse, wenn ich auf die Burg ziehen würde?«, fragte er leise.
»Es ist wohl das Los aller Mütter, dass sie alleingelassen werden.«
»Wie herrlich vernünftig du doch sein kannst.«
»Findest du?«
»Hm.« Brantley beugte sich ein wenig herab und gab ihr einen zärtlichen Kuss auf die Wange. »Wir müssen daran denken, die Vorbereitungen zur Beerdigung zu treffen, Mutter. Sicherlich wird man uns erwarten.«
»Ja.«
»Warum sagst du das so zögernd?«
»Weil ich noch nie gern auf eine Beerdigung gegangen bin. Außerdem wird sich Vater nicht freimachen können. Er kann jetzt nicht aus dem Geschäft heraus. Du weißt doch selbst, dass er an einem Entwurf für die Eisenbahnbrücke über den ›Firth of Forth‹ arbeitet. Vergiss nicht, wie wichtig ihm das Projekt ist, und dass er in Konkurrenz zu Thomas Bouch mit seiner Kettenbrücke steht. Wir werden allein reisen müssen, Brantley.«
»Ich freue mich darauf.«
»Das solltest du eher nicht sagen.«
»Ich meinte es nicht so, wie du es jetzt aufgefasst hast, Mutter. Aber seien wir ehrlich, am Tod von Tante Scarlett ist doch nichts mehr zu ändern, ganz gleich,