Charles Finch: Lautlos fiel der Schnee. Thomas Riedel

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Charles Finch: Lautlos fiel der Schnee - Thomas Riedel

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entlassen wurde, kam er daheim gerade zurecht, um an seines Vaters Begräbnis teilzunehmen. Der alte Chapman hatte so lange durchgehalten, bis er wusste, dass sein Sohn zurückkommen würde – dann gab er es auf.

      Geld war keines da. Die Arbeit war für den alten Mann zuviel gewesen. Also musste William Chapman einen langen, bitteren Kampf beginnen und den Hof wieder instand setzen. Er schaffte es zwar ein Darlehen zu bekommen, aber schwer war es dennoch. Aus diesem Grund ließ er sich im Herbst als Polizeivorstand in den Gemeinderat wählen. Das bedeutete einen kleinen Zuschuss, und viel zu tun gab es nicht. Little Gaddesden war ein friedliches Nest. Abgesehen von gelegentlichen Schlägereien am Samstag, von einem Unfall oder einem kleinen Diebstahl, der einen offiziellen Bericht nötig machte, erforderte nichts das Einschreiten der Polizei.

      Ein Gefühl war seit langer Zeit in ihm verankert. Das war seine innige Liebe für Elizabeth Cooper, die er von weitem anbetete.

      Er hatte sie aufwachsen sehen und oft davon geträumt, sie eines Tages zu ehelichen, sobald es seine Verhältnisse erlaubten. Doch gerade, als es soweit war, erschien Kenneth Jackson auf der Bildfläche, und sein Traum war in Rauch aufgegangen. Elizabeth war so offensichtlich in Jackson verliebt, dass es aussichtslos schien, um sie zu kämpfen. Was Chapman besonders an ihr liebte, war ihr loyales Wesen – wenn sie einmal ihr Herz verschenkte, so war es für immer, das fühlte er. Und sie schenkte es Jackson, dem sie Monate hindurch immer näher kam. Er beobachtete sie und gab die Hoffnung auf. Dann brach das Unheil über sie herein. Er wusste, welch schweren Schlag ihr Stolz erlitt, als Jackson sie plötzlich verließ, weil Violett Stamford ihn sich geschnappt hatte. Elizabeth Cooper lebte ihr Leben automatisch weiter, doch er, der sie liebte, sah die stille Verzweiflung, mit der sie ihre Rolle spielte. Helfen konnte er ihr nicht. Es war ihre eigene Angelegenheit, wenn auch ganz Little Gaddesden davon wusste. Nicht einmal sprechen durfte er von Jackson, wenn sie nicht gerade selbst davon begann – und das tat sie in der Regel nicht. Er lud sie ein paar Mal zum Tanzen ein und einmal sogar ins Theater nach London. Sie schien dankbar dafür, dass er so tat, als hätte sich nichts geändert – und darum war es ganz unmöglich, ihr zu zeigen, was er für sie empfand.

      »Zeiten sind das!«, sagte Clark Marshall. »Wenn so ein junger Mann ein Mädchen mit all den Paketen auf dem Arm allein nach Hause laufen lässt … eine gute Meile. Zu meiner Zeit war man da weitaus galanter.«

      Die Spannung wich aus William Chapmans Gesicht, und er grinste Marshall vielsagend an. »Du alter Schurke!«

      Er lief zu seinem Pferdegespann und kletterte mit einem solchen Schwung auf den Kutschbock, als wollte er eines der beiden Pferde besteigen.

      »Na, vielleicht irre ich mich«, meinte Marshall. »Heutzutage, wo die Weiber am liebsten auch wählen wollen und schon in Fabriken arbeiten und dir im Hospital den Bauch aufschneiden …«

      Chapman grinste noch einmal zu ihm hinüber und ließ die Peitsche knallen. Er ließ die Pferde antraben, wendete sein Gefährt vor dem Laden und fuhr Elizabeth hinterher. Sie trat zur Seite, um ihn vorbeizulassen, doch er brachte die beiden Pferde zum Stehen.

      »Komm! Klettere rauf!«, rief er ihr zu.

      »Danke, William, aber ich will dich nicht von deinem Weg abbringen«, rief sie zurück, wohlwissend, dass er ihr absichtlich gefolgt war.

      »Ich bin auf meinem Weg!«, log er grinsend. »Ich muss zu Ralph Benson. Er soll mir den Kuhstall anstreichen … Komm, wirf deine Pakete hinten rauf.«

      »Eier wirft man nicht«, erwiderte sie mit einem Schmunzeln um die Lippen, legte ihre Pakete vorsichtig auf die Ladefläche der Kutsche und kletterte auf die Bank neben ihn.

      Er ließ die Pferde wieder antraben, und sie holperten langsam den ausgefahrenen Weg entlang.

      »Schön frisch ist es heute!«, begann er. Er traute sich nicht, sie anzusehen, denn wenn er es tat, würde er der Versuchung nicht widerstehen können, ihr zu sagen, dass sie froh sein sollte, Kenneth Jackson los zu sein, und dass es andere gäbe, die sich alle zehn Finger nach ihr ablecken würden …

      »Ich liebe den Winter«, bemerkte sie verträumt. »Ich liebe seine weiße Pracht und seine Strenge. Und außerdem … es ist so schön für Vater, wenn er arbeiten kann. Ungestört.« Sie lachte fröhlich auf. »Im Sommer unterbrechen ihn immer all die Ausflügler, die seine Bilder sehen wollen, und er zeigt sie ihnen, in der Hoffnung, es könnte vielleicht doch einer eines kaufen.« Ihre Stimme klang jetzt traurig. »Aber das kommt leider nur selten vor.«

      »Du weißt, was Clark sagt«, warf Chapman aufmunternd ein. »Wir haben hier nur zwei Jahreszeiten … August und Winter.«

      »So schlimm ist das doch gar nicht!«, gab sie lachend zurück.

      Er war glücklich, sie lachen zu hören. »Der alte Clark ist nicht dumm«, fuhr er fort. »Er weiß es zu leben. Niemals etwas tun, was keinen Spaß macht, ist seine Devise … Daran hält er sich. Natürlich muss er arbeiten, aber er macht auf seine Art einen gewissen Sport daraus.«

      »Niemand kann glücklich sein, wenn ihm seine Arbeit keinen Spaß macht«, bemerkte sie leise. Das Lachen war ihr vergangen und Chapman wusste genau, woran sie in diesem Augenblick dachte: An Kenneth Jackson, dessen Arbeit im Keim erstickt worden war.

      »Das bewundere ich so sehr an deinem Vater«, stellte er fest. »Nichts kann ihn von seiner Arbeit abhalten, solange er auch nur eine Minute Tageslicht hat. Er ist eifersüchtig auf die Zeit wie ein Verliebter.«

      »Ja. Vater geizt sehr mit der Zeit«, erwiderte sie leise. »Das kommt wohl daher, dass er so viele Jahre als Reklamezeichner für Journale schuften musste. Nun darf er endlich malen, was er will, und fürchtet immerzu, dass die Zeit nicht reichen wird.«

      »Er hat noch gut zwanzig Jahre vor sich.«

      »Mein Vater würde dir erwidern, dass das nicht sehr viel ist. Die ersten vierzig Jahre hat er vergeudet, behauptet er, und die nächsten zehn zum Lernen gebraucht. Jetzt fängt er dort an, wo die meisten Menschen schon lange ans Aufhören denken.«

      »Gerade darum wird er hundert Jahre leben. Arbeit hält jung! Er würde wie ein Jüngling aussehen ohne seinen scheußlichen Vollbart. Ich frage mich immer, warum er den überhaupt trägt.«

      »Weil er anders aussehen will als der schäbige Reklamezeichner, der ihm so lange aus dem Rasierspiegel entgegengegrinst hat, behauptet er. Er wollte ein anderes Gesicht haben, sonst würde er gewohnheitsmäßig Haferflockeninserate zeichnen. Aber der eigentliche Grund ist wohl, dass er sich einfach keine Zeit zum Rasieren gönnt.«

      Chapman hielt das Gespann am Straßenrand an. Der Weg vom Cooper-Häuschen bis zum Briefkasten war freigeschaufelt, aber auf dem Fahrweg lag hoher Schnee. Die Coopers besaßen kein Pferd und auch keine Kutsche.

      »Darf ich dir mit den Paketen helfen?«, fragte er.

      »Danke. Es geht schon. Aber komm ruhig herein und trink ein Glas mit meinem Vater.«

      »Nein. Ich muss wirklich zurück. Stanley ist zwar ein braver Junger, aber ich muss doch aufpassen, dass er keinen Unsinn macht.«

      »Hast du nicht vorhin gesagt, du musst zu Ralph Benson?«

      »Hochverehrte Miss, wenn ich mir das Vergnügen einer kleinen Lüge gestatte, ist das meine Angelegenheit!«, gestand er lächelnd ein.

      Die Haustür wurde geöffnet, und ein stämmiger, bärtiger Mann erschien im Rahmen des Lichtscheins. »Bist du es, Elizabeth?«

      »Ja,

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