Der Rote Kolibri. Alexander Jordis-Lohausen

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Der Rote Kolibri - Alexander Jordis-Lohausen страница 12

Der Rote Kolibri - Alexander Jordis-Lohausen

Скачать книгу

der Zeck! Der wird dir die Hölle heiß machen, du Rotznase! Am höchsten Galgen wirst du baumeln!“ Er hatte einen ganz roten Kopf und prustete vor Wut, als ich ihn ausfragte.

      „Ich glaube, dieser aufgeblasene Ochsenfrosch verdient einen guten Rüffel.“, erklärte ich El Indio, „Ich kenne seinen Kumpan in Marseille, ein richtiger Blutsauger, den ich liebend gerne schröpfen würde.“

      „Und was schlägst du vor?“

      „Dass wir ihn als Gefangenen mitnehmen und von dem Vampir Zeck Lösegeld für ihn fordern!“ Dieses Eckel sollte mir dafür büßen, dass der Zeck es gewagt hatte, meinen Vater zu Boden zu stoßen. Dies Bild aus meiner Kindheit kam immer wieder mit großer Deutlichkeit in meiner Erinnerung hoch. Es war dort wie eingemeißelt.

       El Indio und der Capitán waren zuerst nicht angetan von dem Gedanken, sich mit einem Gefangenen zu belasten, aber sie ließen sich schließlich überreden. Wir sperrten den immer noch Geifernden in ein Verlies, tief unter Deck, wo man sein Randalieren nicht mehr hören konnte.

       Der Capitán legte jedes Mal großen Wert darauf, die Verwundeten eines gekaperten Schiffes zu versorgen. Da hatte dann unser „Tabib“, der arabische Schiffsmedicus, in den nächsten Stunden viel Arbeit. Er musste all seine Künste aufwenden, um Leben zu retten und zerrissene Körper wieder zusammenzuflicken. Nicht in allen Fällen ist es ihm gelungen, zumal seine Mittel begrenzt waren. Bei uns waren es nur leichtere Verletzungen. Allein dem zweiten getroffenen Kanonier, einem Mann, den sie den „fetten Georg“ nannten, schnitt er eine Bleikugel aus der Schulter, wobei der Fette wie am Spieß schrie. Schlimmer sah es bei den Engländern aus, denen einige Arme, Beine, Hände oder Füße amputiert werden mussten, um die Verletzten vor dem Tode zu retten. Den Verstümmelten wurde viel Schnaps oder Theriak34 eingeflößt, nicht nur um sie zu betäuben, sondern auch um Krampf und Blutvergiftung vorzubeugen35. Dann sägte und schnitt unser Tabib mit großer Geschicklichkeit und Geschwindigkeit all das ab, was gefährdet war. Schließlich stoppte er die Blutungen mit dem Kauter36, bevor er die Wunden verband. Erbarmungslos, aber in den meisten Fällen lebensrettend. Ich konnte dem nicht lange zusehen, und bewunderte den alten, schmächtigen Mann, der diese blutigen Operationen, dem Anschein nach so völlig unberührt, eine nach der anderen, durchführte.

       Bei uns an Bord nahm Nikolaus jetzt seine Haupttätigkeit auf. Man hätte ihn als Schiffsnarr und Vorsänger, für eine Randfigur an Bord halten können. Nun merkte ich wie unabkömmlich er für den Capitán und die Fortuna war. Sogleich hatte er die kleine Schar zusammen gepfiffen, die gewohnt war mit ihm zu arbeiten. Mit ihnen stellte er die Schäden fest. Löcher im Rumpf mußten geschlossen und gedichtet werden, die Steuerung überprüft, Aufbauten repariert, Spieren37ersetzt. Kurz, von der Mastspitze bis zum Kiel war alles, was aus Holz war, -- und das war fast das ganze Schiff -- seine Verantwortung. Er gab Anweisungen, erklärte, legte selbst mit Hand an, überprüfte bis das Schiff wieder einsatzfähig war. Kein Wunder, dass der Capitán Nikolaus so manches durchgehen ließ, denn gute Schiffsbauer waren nicht leicht zu finden.

       Als die Beuteladung auf die Fortuna geschafft und die Verwundeten versorgt waren, trat der Capitán auf den Kapitän der Mermaid zu.

      „All das wäre unblutig abgelaufen, hättet Ihr Euch gleich ergeben. Immerhin, Ihr habt Mut gezeigt, so will ich Euch Schiff und Leben lassen. Das gilt für Euch alle, außer für den einen, den behalten wir bis auf weiteres als "Gast" an Bord. Teilt seinem Handelspartner Zeck in Marseille mit, dass er mir 6000 Piaster38 nach Algier überbringen lassen soll, wenn er seinen Kumpan wiedersehen will." Dann lüftete er seinen Dreispitz, verbeugte er sich mit ausgesuchter Höflichkeit und ging von Bord.

       Die Mermaid sei ein sicheres, aber schweres und langsames Schiff, erklärte mir El Indio später, mit dem wir nicht viel hätten anfangen können. Außerdem waren der Capitán und auch El Indio anders als andere Seeräuber nicht daran interessiert, mit einer ganzen Flotte auf Kaper zu fahren. Sie gehörten zu den kleinen Seefüchsen des Mittelmeers, die als Einzelkämpfer auszogen. Das war manchmal gefährlicher, aber bisher für ihn und seine Leute umso einträglicher, als der Gewinn unter weniger Seeräubern aufzuteilen war. So wurden auch diesmal alle Gold- und Silbermünzen, Schmuck und sonstige Wertgegenstände in der üblichen Weise verteilt. Jeder bekam einen Anteil, nur der Capitán und El Indio je zwei, Pulver-Max und Nikolaus je eineinhalb. Auch ich bekam einen halben Anteil und nahm mir vor, ihn mit all dem, was ich vielleicht noch bekommen würde, bei passender Gelegenheit meinen Eltern und den Fischern im Dorf zukommen zu lassen.

       Trotz des anfänglichen Schocks über das Blutbad war ich schließlich äussert zufrieden mit diesem ersten Raub. Nicht nur hatten wir einen Kauffahrer geschröpft, es war uns durch Zufall auch noch ein großer Fisch aus dem Teich des Zecks ins Netz gegangen. Letzterer würde dafür tief in seinen Goldbeutel greifen müssen. All das war für mich Genugtuung und Bestätigung, dass ich doch den rechten Weg eingeschlagen hatte.

       Es gab mir Selbstvertrauen, aber es ließ auch einen neuen Ehrgeiz in mir wach werden. Ich wollte Macht, eigene Befehlsgewalt, um meine Rachepläne in die Tat umzusetzen. Doch ließ ich es mir nicht anmerken. Ich wusste, dass dazu sehr viel Geduld notwendig war. Erstmals, war ich daher zufrieden, nun für diesen einen, ungewöhnlichen Gefangenen verantwortlich zu sein. Ich hatte ihn gewollt. Ein Pfeffersack war zum ersten Mal in meiner Macht.

      Bruder Salomon

chapter7Image1.png

       Bald nach diesen Ereignissen kam mir unverhofft jemand zu Hilfe, der mir viele neue Tore öffnen sollte: Bruder Salomon.

       Es war schon Nacht, als wir einige Wochen später im Schutze einer kleinen Felsenbucht nördlich von Neapel vor Anker gingen. Als der Capitán mit einer Laterne eine Reihe von Signalen gab, kam ihm augenblicklich vom Land her eine Lichtantwort zurück. Man hatte mir schon erzählt, dass er überall an den Küsten des Mittelmeers seine Handlanger und Stützpunkte habe. Das war einer davon!

       Hier erwarteten uns die ortsansässigen Schmuggler, um uns die erbeutete Ladung abzunehmen -- der Erlös wurde später verteilt -- und um uns alles zu liefern, was wir an Bord brauchten. Hier trat dann auch Caballo in Aktion, denn er war nicht nur für die tägliche Küche, sondern auch für die gesamte Lebensmittel- und Wasserversorgung der Fortuna zuständig. Da fast alle Vorräte in größeren oder kleineren Tonnen oder Fässern gespeichert wurden, hieß er denn auch der „Tonnenmeister“. Er stand die ganze Nacht auf seinen Krückstock gestützt an Bord und brüllte Anweisungen.

       Auch wir arbeiten die ganze Nacht hindurch, die Boote zu beladen und zu entladen. Noch im frühen Morgengrauen fuhren sie zwischen der Küste und der Fortuna hin und her. Als es langsam hell wurde, schickte mich El Indio an Land, Wache zu halten, damit wir nicht zu guter Letzt noch von Zöllnern überrascht würden. Ich war froh, mal wieder festen Boden unter den Füßen zu spüren.

       Die kleine Bucht war auf drei Seiten von Felsen umgeben. Ein steiler Pfad führte vom Sandstrand nach oben, wo sich einige große Schirmkiefern dunkel gegen den klaren Morgenhimmel abhoben. Dort hinauf kletterte ich und begegnete auf dem engen Steig den bunten Gestalten, die mit ihren vollgepackten Maultieren nach unten strebten. Diesmal waren

Скачать книгу