Der Rote Kolibri. Alexander Jordis-Lohausen

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Der Rote Kolibri - Alexander Jordis-Lohausen

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nicht. Ich hatte seinerzeit bei einem Faustkampf auf dem Markt in Marseille einmal beobachtet, wie kalt man bleiben muss, um Aussicht auf Erfolg zu haben, wie nützlich es ist, den Gegner in Wut zu versetzen, damit er Fehler macht. Ließ sich dieser Koloss in Wut versetzen? Vielleicht! Auf ersten Blick hielt ich ihn für eitel und misstrauisch und unbeherrscht-jähzornig, sobald ihm irgendetwas widerstand. Irrte ich mich? Ich würde es bald sehen!

       Er stand schon breitbeinig mitten auf dem Oberdeck, die Arme ausgebreitet und lockte mich mit winkenden Armbewegungen.

      „Komm, kleiner Kolibri14! Komm doch, du roter Kolibri! Komm her zum Pulver-Max, damit er dir die Flügel stutzt!“

       Ich war eher schmächtig und hatte mir ein rotes Tuch um den Kopf geknüpft, um verwegener auszusehen. Mag sein, dass ich tatsächlich einem jener winzigen Vögel ähnelte, die man mühelos mit zwei Fingern erdrosseln konnte. Wenn man sie erwischt! Darauf kam es an! Wenn man sie erwischt! Erstmal aber war mir übel vor Angst. Meine Knie schlotterten in den viel zu großen Segeltuchhosen. Ich versuchte, es mir so wenig wie möglich anmerken zu lassen. Noch stand ich geschützt hinter dem Großmast und lugte mal rechts, mal links dahinter hervor, bemüht mit verschiedenen Grimassen meine Beklommenheit zu verbergen, ja sogar herausfordernd zu wirken. Die Mannschaft begann sich zu amüsieren:

      „Na, Pulver-Max, erwischt du ihn nicht, deinen Kolibri?“ rief einer von oben herunter, das löste Gelächter aus. Es gab mir etwas Mut. Zumal sich das stiernackige Ungetüm darüber zu ärgern schien. Er kam langsam näher. Bald stand er breitbeinig hinter dem Mast, beide Arme rechts und links vorgestreckt. Doch ich war inzwischen einige Fuß zurückgewichen und stand jetzt ebenfalls breitbeinig, beide Arme ausgestreckt, und äffte seine Handbewegungen nach:

      „Komm doch ran, du Vogelscheuche! Ja, komm doch näher, alte Vogelscheuche!!“

       Die Mannschaft brüllte vor Vergnügen. Sein Gesicht lief vor Wut rot an. Ich fühlte mich etwas besser und überlegte fieberhaft. In wenigen Sekunden war mein Plan fertig. Alles hing jetzt von meiner Geistesgegenwart und Schnelligkeit ab.

       Wir waren immer noch durch den Mast getrennt. Die Mannschaft johlte. Plötzlich schoss Pulver-Max backbords15 am Mast vorbei etwas schwerfällig auf mich zu. Aber ich war schon an die Steuerbordverschanzung16 entwischt. Er machte eine Wendung, lief mir nach und entwickelte dabei eine erstaunliche Geschwindigkeit. Als er ankam, duckte ich mich blitzschnell. Er prallte mit dem Arm gegen die Verschanzung. Die Mannschaft grölte lauthals. Ich hatte inzwischen die Backbordverschanzung erreicht. So standen wir einander gegenüber, durch die Breite des Decks getrennt. Pulver-Max rieb sich seinen Arm. Ich stieg indessen auf die Verschanzung, machte mit den Armen Flügelbewegungen und äffte wieder:

      „Komm doch ran, alter Krachwadel! Der rote Kolibri fliegt gleich weg!!“ Fast hätte ich dabei das Gleichgewicht verloren und musste mich an den Wanten festhalten. Mein Spott und das immer lauter werdende Gejohle der Mannschaft verfehlten ihre Wirkung nicht.

      „Roten Saft sollst du pissen, du Galgenvogel!“, schnaubte Pulver-Max, jetzt richtig wütend. Er löste sich von der Verschanzung und raste wie ein wilder Stier auf mich zu.

       Jetzt kam es auf die Sekunde an! Ich blieb ruhig stehen und flatterte weiter wie ein Vogel. Erst als er in vollem Lauf, Kopf und Arme vorgestreckt, auf wenige Zoll heran war, stieß ich mich mit den Füssen kräftig ab und sprang rücklings hinunter ins Meer.

       Damit hatte Pulver-Max, in seiner blinden Wut, nicht gerechnet. Er stürmte mit voller Wucht ins Leere, verlor das Gleichgewicht und machte einen nicht sehr vollendeten Kopfsprung ins Wasser. Die Mannschaft brüllte vor Begeisterung. So gut hatten sie sich schon lange nicht mehr unterhalten. Ich tauchte seitwärts ab. Der Koloss schlug wie eine Bombe neben mir ein, dass es hoch aufspritzte. Als ich am Fallreep auftauchte, drängten sie sich schon über mir an der Verschanzung und überschütteten Pulver-Max mit Spott und guten Ratschlägen. Ich kletterte hoch. Nikolaus nahm mich in Empfang und klopfte mir anerkennend auf den Rücken.

       Wie ich vermutet hatte, konnte Pulver-Max, wie die meisten Seeleute, nicht schwimmen. Um nicht unterzugehen, schlug er wild im Wasser um sich, prustete, und schnappte nach Luft. Die Mannschaft antwortete mit schallendem Gelächter. Er wäre vielleicht ertrunken, wenn sie ihm nicht unter Gejohle Taue hinuntergeworfen und Enterhacken entgegengestreckt hätten, bis auch er das Fallreep erreichte. Der Capitán soll Tränen gelacht haben, -- was selten vorkam -- als er von der Geschichte erfuhr. Pulver-Max, dagegen, hat sie mir nie verziehen. Schon wenige Tage später wollte er Rache nehmen, als ich ihm unter Deck unerwartet in die Arme lief. Er schleppte mich gewaltsam nach oben. Die Mannschaft, die ihn eben noch verspottet hatte, feuerte ihn jetzt mit demselben Vergnügen an, als er sich anschickte mich ordentlich zu verprügeln. Mit einem Arm hielt er mich umschlungen, daß mir fast der Atem ausging, mit dem anderen holte er eben aus, als ich ihm wild in den Oberarm biss. Fluchend schleuderte er mich, Kopf voraus, gegen den Hauptmast, wo ich benommen liegen blieb. Doch als er sein Werk vollenden wollte, fuhr ihm ein sengender Peitschenhieb von hinten über den nackten Rücken. Er zuckte zusammen und fuhr herum, bereit zurückzuschlagen. Doch der Capitán stand ihm gegenüber. Er hatte sich einen Weg durch die eng zusammengedrängte Menge gebahnt und brüllte nun:

      „Du hast deine Chance gehabt nach alter Tradition, Pulver-Max! Wenn du dich noch weiter an Schwächeren vergreifen musst, so tu es an Kauffahrern, aber nicht an meinem Schiffsjungen!“

       Pulver-Max stand regungslos mit geballten Fäusten. Vor dem Capitán hatte er Angst und Respekt.

       So bin ich mit einem brummenden Kopf davongekommen. In der Folge hat er immer wieder mal versucht, mich zu unterdrücken, aber bis dahin hatte ich gelernt mich halbwegs zu schützen. Bei der Mannschaft hingegen war mein Ruf sichergestellt. Und der Name „der rote Kolibri“ ist mir erhalten geblieben.

       Ich wurde noch einer ganzen Reihe von Proben unterworfen und bin nach sechs Monaten in die Gemeinschaft der Seeräuber aufgenommen worden.

      Die erste Prise

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       Noch am Tag meiner Einschiffung stachen wir in See. Fasziniert sah ich zu, wie die Männer in schwindelnder Höhe über den Rahen17 hingen und die Reffschnüre18 lösten, bis die Segel knatternd herunterkamen. Eine Weile schlugen sie noch, bis sie vollgebrasst19 vom Wind gefüllt waren. Der gelichtete Anker war schon gekattet20. Und bald spürte ich unter meinen Füssen, ja mit meinem ganzen Körper, wie die Fortuna mit weichen Bewegungen die Dünung21 durchfurchte.

       Ich fühlte mich frei und glücklich - mein Seeräuberleben hatte wirklich begonnen. Bald würde auch ich hoch oben auf den Rahen liegen, würde bis in die untersten Decks des Schiffes hinuntersteigen. Die Fortuna würde mir all ihre Geheimnisse enthüllen.

       Drei Jahre habe ich dem Capitán gedient. Es war eine harte Lehrzeit, aber ich habe sie nicht bereut. Zur Mannschaft, einem bunten, wild zusammengewürfelten Haufen, hatte ich ein zurückhaltendes Verhältnis. Ich vertraute mich niemandem völlig an. Und sie fühlten sehr bald, dass ich immer mehr zum Kreis des Capitáns gehörte. Das machte die einen liebdienerisch und die anderen misstrauisch.

      

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