Die Kunst der kleinen Lösung. Klaus Henning

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Die Kunst der kleinen Lösung - Klaus Henning страница 5

Автор:
Жанр:
Серия:
Издательство:
Die Kunst der kleinen Lösung - Klaus Henning

Скачать книгу

können also sowohl als Maschinen als auch als »Lebewesen« betrachtet werden. Beide Sichtweisen haben ihren Wert, aber die Sichtweise »Lebewesen« ist wichtiger, wenn man Komplexität meistern will.

      Haben die Gesellschaft, die Wissenschaft und die Industrie aus den Erfahrungen der Vergangenheit gelernt? Ich fürchte, eher nein. In einer neuen Welle der Technologisierung spielte zum Beispiel das Schlagwort »Wissensmanagement« in den 1990er Jahren eine zentrale Rolle. Diesem Ansatz zufolge kann mit Hilfe von Wissensingenieuren die spezielle Expertise der Facharbeiter erfasst und in eine Wissensdatenbank eingegeben werden. Wenn dies gelingt, werden die Wissensträger als Person nicht mehr benötigt. Deren Know-how liege sicher in der Datenbank.

      Es wiederholte sich der Irrglaube: Die Technik richtet alles. Und fast ein Jahrzehnt hat es gebraucht, bis die Entwicklung (wieder) an dem Punkt war, dass beim Wissensmanagement der zentrale Träger des Wissens mit all seinen Facetten der Mensch ist, der unterstützt wird durch den »Datenträger« Maschine. Der Glaube, mit einer hochpreisigen IT-Software ließen sich im Grunde alle Probleme eines Unternehmens oder einer Organisation lösen, ist immer noch weit verbreitet. Und nicht wenige IT-Systemberater schüren genau diesen Glauben. Wenn ich in Unternehmen als Berater unterwegs bin, ermutige ich daher gemäß meinem Ansatz: Schaut nicht nur auf die IT! Treibt es nicht zu weit mit eurer Technikliebe! Das trübt den Blick!

      Erst der Mensch, dann die Organisation und dann die Technik

      Die Technik scheint immer wieder zu dominieren: Wir sammeln Unmengen an Daten und wissen noch nicht einmal, wofür. Wir gehen davon aus, dass wir die Daten später einmal vielleicht benötigen. Wir planen eine gigantische Energiewende, wollen den Strom aus der Nordsee bis Baden-Württemberg leiten, und haben keine Ahnung, wie die Menschen das finden. Wir verlieben uns in ein technisches Projekt und lassen alles andere links liegen, zum Beispiel die Menschen.

      Im Kern geht es mir um einen Umstellungsprozess vom falschen Ansatz: »Erst die Technik, dann die Organisation und dann der Mensch« hin zu einem Ansatz: »Erst der Mensch, dann die Organisation und dann die Technik«. Der HOT Approach: »First Human, then Organisation, then Technology«.

      Wenn es gelingt, diese drei Elemente in der richtigen Reihenfolge nachhaltig zu vernetzen, also systemisch zu denken, dann lassen sich viele komplexe Schwierigkeiten vergleichsweise geschickt lösen. Mit kleinen Lösungen, von denen ich Ihnen im Buch einige exemplarisch vorstellen werde. Beispiele, bei denen der Glaube an die teure IT-Lösung fast die naheliegende Lösung übertrumpft hätte. Oder bei denen Probleme mit wenigen, aber richtigen Worten gelöst werden könnten. Oft reicht ein Satz. Oft muss nur ein Handgriff anders vorgenommen werden. Oft sind es wenige Zentimeter. Es liegt so nahe. Doch wir haben es verlernt, den kleinen Lösungen zu trauen. Wir haben uns an gigantische Lösungen gewöhnt. Wir glauben zu oft an den »großen Wurf«. Ich habe gelernt: Lieber tausend kleine Schritte als einen großen Big Bang. Dann gelingt in Summe auch ein großer Wurf.

      Der HOT Approach: First Human, then Organisation, then Technology

      Die wirklich nachhaltigen technischen Entwicklungen, die heute noch unsere Arbeiten in Industrie und Produktion prägen und verändern, sind meines Erachtens diesem Ansatz gefolgt. Und wenn wir nicht den Menschen an die erste Stelle setzen, werden wir auch in Zukunft Ideen wie die des selbstfahrenden Autos oder des flächendeckenden Einsatzes erneuerbarer Energien nur schwer umsetzen können. Technische Neuerungen müssen von Anfang an die Menschen und Organisation einschließen – nur so haben sie Durchsetzungskraft und dann auch Akzeptanz.

      Wir handeln oft wie Frischverliebte: Wir sehen nur das Rosarote und die ungeahnten Möglichkeiten, aber selten potenzielle Mängel oder Probleme.

      Gelingt es aber Mensch Organisation und Technik gemeinsam zu denken, dann ist dies ein entscheidender Schlüsselfaktor für Deutschland. Ein Faktor mit Potenzial als Exportartikel. Man denke hier nur an Großprojekte wie die bereits erwähnte Energiewende, die ein systemisches Denken voraussetzt, die nicht ohne den Menschen gedacht werden kann. Gelingt es uns, dieses Projekt systemisch umzusetzen – und nicht nur rein technisch –, dann könnten wir eine ganz besondere Fähigkeit exportieren: in Systemen zu denken und komplexe Systeme zu entwickeln. Und mit vielen kleinen Lösungen das Große zu entwickeln.

      Neue Exportartikel aus Deutschland

      Wenn Ingenieure und Naturwissenschaftler von Anfang an nicht nur das »technische System« sehen, wenn Betriebswirte und Controller sich von dem Glauben lösen, alles über Zahlen zu beurteilen und zu steuern, und wenn Sozial- und Geisteswissenschaftler parallel dazu auch noch ihre Technikskepsis aufgeben – dann kann es funktionieren. Dann haben auch hiesige Großprojekte wie die Energiewende das Potenzial, als »Exportartikel« weltweit vermarktet zu werden. Wenn wir sie mit vielen kleinen Lösungen verwirklichen.

      Die Energiewende exportieren

      So, wie wir schon lange viele kleine Lösungen mit großem Erfolg exportieren. Gerade darin sind wir ja Weltmeister. Mit Dichtungen, Ventilen, Schrauben, Kolben. Weil wir viele kleine Komponenten so gut entwickeln und produzieren, sind wir so stark im Weltmarkt. Kleine Lösungen für große Probleme.

      Genauso haben wir im Ruhrgebiet in den vergangenen Jahrzehnten etwas Enormes geleistet: einen Strukturwandel. Mit vielen kleinen Lösungen. Schritt für Schritt. Die Region stand für Bergbau und Stahlindustrie. Darauf begründete sich die Existenz der Firmen und ihrer Arbeiter. Das bestimmte auch das Selbstverständnis der Menschen. Inzwischen hat sich das Ruhrgebiet in eine Ansammlung vieler Dienstleistungszentren und neuer Industrien gewandelt. Die Industriekerne sind bewahrt worden, entgegen den weltweiten Trends. Aber es gibt neue Arbeit, es herrscht ein neues Denken – und ein neues Selbstverständnis. Dieser Strukturwandel ist eine enorme Leistung. Es verdient größten Respekt, was die Menschen dort auf den Weg gebracht haben. In vielen kleinen Schritten. Das kann man im Grunde nicht oft genug sagen.

      »Enabled by Germany« hat Zukunft.

      Wir neigen in Deutschland ja dazu, unsere Erfolge nicht gebührend zu feiern, sondern in falscher Bescheidenheit kleinzureden. Viele motiviert eher die Suche nach einem noch in der Suppe befindlichen Haar. Selten finden wir etwas uneingeschränkt gut. Ich finde den Strukturwandel beeindruckend – und sehe darin auch Exportpotenzial, beispielsweise für die sogenannten Megacitys dieses Planeten, die aus allen Nähten platzen – und dringend einen Strukturwandel benötigen. So könnten wir beginnen, um es überspitzt zu formulieren, nicht nur Schrauben zu exportieren, sondern Systeme und Konzepte. Problemlösungen für die Megaprobleme dieser Welt.

      So ließe sich das von uns allen sehr geschätzte und stolz vertretene »Made in Germany« künftig noch mehr zu einem »Enabled by Germany« entwickeln.

      Hier liegt viel Potenzial für Arbeit und Wachstum. Und davon könnten wir auch in Zukunft gut leben.

      Wenn man vom eigenen Schnarchen aufwacht

      Der umfassende und möglichst vollständige Blick auf Systeme ist ein Lebensthema. Ich habe über Mensch-Maschine-Systeme promoviert und über die Entropie in der Systemtheorie habilitiert. Neben meiner Tätigkeit als Institutsleiter an der RWTH Aachen, wo ich später auch Dekan der Fakultät für Maschinenwesen war, habe ich parallel ein Institut für Unternehmenskybernetik übernommen und weiterentwickelt.

      Unternehmen sind vor allem lebende Systeme.

      Auch Unternehmen sind lebende Systeme, in denen Informationen und Ressourcen durch komplexe Prozesse zu Waren oder Dienstleistungen werden. Diesem Denken liegt der Geist der Kybernetik zugrunde. Die Kybernetik lehrt vor allem, wie man in großen Systemen durch kleine Steuersignale das Große beeinflussen kann. Allerdings nur, wenn man das Große verstanden hat, nicht nur in seiner Funktionsweise, sondern auch in den Wechselwirkungen seiner Teile. Die Kybernetik hat mich geprägt.

Скачать книгу