Die Kunst der kleinen Lösung. Klaus Henning

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Die Kunst der kleinen Lösung - Klaus Henning

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heißt: Die Dinge, die man irgendwie anstößt, fallen einem oft irgendwie wieder auf den Kopf, meistens »von hinten«. In der Kybernetik sind das die gefürchteten NRFs, die Neben-, Rück-, Fernwirkungen. Und die sind häufig stärker als die beabsichtigten Effekte. Und sie sind oft nicht nur stärker, sie sind darüber in komplexen Situationen grundsätzlich nicht prognostizierbar. Und kybernetische Wirkungen finden wir überall.

      Sie müssen bereit sein zu scheitern

      Viele der Fragen zur Machbarkeit, zu Mensch und Technik rühren auch aus meinem christlichen Verständnis. Dabei erlebe ich mich als Wanderer zwischen verschiedenen Konfessionen, gleichzeitig als »Katholik und Protestant«. Ich halte mich für einen sehr gläubigen Menschen. Ich glaube an Jesus Christus und seine Gegenwart in unserem Leben und meine daraus abgeleitete Verantwortung als freier Mensch. Unter diesem Blickwinkel hat mich viele Jahre die Frage beschäftigt, ob ich es als Christ verantworten kann, Ingenieur zu bleiben – noch dazu manchmal im rüstungsnahen Bereich. Ich bin Ingenieur geblieben. Aus Überzeugung, aber immer auf »zwei Beinen« stehend, mit der Perspektive der Ingenieur- und Naturwissenschaften einerseits und der Politik- und Sozialwissenschaften andererseits.

      1985 war für mich ein entscheidendes Jahr. Zum einen sollte ich an der RWTH Aachen ein interdisziplinäres Institut übernehmen, in dem Sozialwissenschaftler, Geisteswissenschaftler, Ingenieure und Naturwissenschaftler zusammenarbeiten. Zum anderen traf ich einen bemerkenswerten Mann, den Physiker und Philosophen Carl-Friedrich von Weizsäcker. Dieser bekam die Ehrenprofessur an der RWTH Aachen. Ich hörte seinen Vortrag und war fasziniert. Er hatte ebenfalls einen interdisziplinären Ansatz versucht, gemeinsam mit dem Philosophen Jürgen Habermas. Mit dem Mann solltest du mal reden, dachte ich mir, und bin dann als frischgebackener Professor zum Podium, habe ihn angesprochen, meine Situation geschildert und um einen Termin gebeten. Seine Antwort: »Wir können jetzt gleich reden, ich habe zwei Stunden Zeit, führen Sie mich an einen Platz, wo uns niemand sieht.«

      Ich bin dann in ein chinesisches Restaurant mit ihm gegangen. Wir haben in einer Nische gesessen und ein sehr langes Gespräch geführt. Ich berichtete von meinem Ansatz, von der Kybernetik, von meinem Willen, interdisziplinär zu arbeiten. Ich erzählte von meinen Zweifeln. Er hörte sich alles geduldig an. Und er gab mir schließlich einen Rat: »Wenn Sie mit Ihrem interdisziplinären Ansatz nicht bereit sind zu scheitern, dann suchen Sie sich sofort einen neuen Job.«

      Manchmal braucht man jemanden, der eine Sache auf den Punkt bringt.

      Wozu sind Sie da? Machen Sie es! Seien Sie ein Unternehmer! Gehen Sie es an!

      Seien Sie bereit zum Scheitern – oder lassen Sie es! Sie wollen sich zwischen alle Stühle setzen, dann müssen Sie es auch aushalten, dass es nicht nur gemütlich zugeht.

      Ermutigt von diesen Worten blieb ich für die nächsten 25 Jahre zwischen den Stühlen sitzen. Da gefällt es mir am besten. Da gibt es viele kleine Lösungen. Das entspricht mir wohl auch am ehesten, dass ich nicht so genau auf den einen und nicht auf den anderen Stuhl passe. Dass ich beispielsweise als Elektrotechniker ein Institut im Maschinenbau leitete, ist nur ein Beispiel für das Dazwischensein. Als Mensch und Christ sitzt man in der Regel auch »dazwischen« – hin- und hergerissen zwischen der Realität des Lebens und den Leitgedanken der Bergpredigt.

      Für mich ist klar: Mensch und Christ sein, das gehört untrennbar zusammen. Sowohl in meiner Professorentätigkeit als auch in meiner Beratertätigkeit für die OSTO®-Systemberatung, die meine Frau seit 1992 aufgebaut hat und durch die seitdem viele Unternehmen und Organisationen beraten und begleitet werden. Das Unternehmen gehört heute als umlaut transformation GmbH zur umlaut SE, einem weltweit präsenten Beratungsunternehmen.

      16 Kinder und beide Eltern berufstätig – das geht

      Es ist etwas Unternehmerisches in mir, und etwas – ich will es einmal Missionarisches nennen. Und das reicht wohl weit in unsere Familienhistorie zurück. Mein Urgroßvater mütterlicherseits, der seine Frau im Alter von 16 Jahren heiratete, war Mitglied der Basler Mission, die damals eine große Missionsstation in Indien aufbaute. Den Aufbau der Missionsstation überließ er dann aber seiner Frau. Er baute unterdessen in der Umgebung der Missionsstation fünf Fabriken auf. Missionieren ist ja schön und gut. Aber die Absolventen der Missionsstation müssen anschließend auch in Lohn und Brot. Offenbar war ihm bewusst, dass zum Menschsein nicht nur Sinn gehört, sondern auch Arbeit und Absicherung.

      Die beiden hatten übrigens, so ist es überliefert, 16 Kinder, von denen sich immer nur die jüngsten drei in Indien aufhielten. Die älteren wurden nach Deutschland zurückgebracht und wuchsen bestens in der Verwandtschaft auf.

      Eine christliche Familie, in der beide Eltern voll berufstätig waren mit insgesamt 16 Kindern! Für mich habe ich aber in meinem Urgroßvater eine Spur von mir selber entdeckt: Mitten in der Welt und ihren Problemen sein und die Verhältnisse verbessern ist die eine Seite der Medaille. Aber gleichzeitig Räume schaffen, in denen Menschen die Gegenwart Gottes finden können, ist die andere Seite der Medaille.

      Die Kunst der kleinen Lösung

      Vor diesem Hintergrund, sehr geehrte Leserin, sehr geehrter Leser, möchte ich Ihnen in den folgenden Kapiteln zeigen, wie man lernen kann, die Komplexität und Dynamik zu meistern – und das mit einem kleinen Detail. Mit einer kleinen Lösung. Die ausgesuchten Beispiele stammen überwiegend aus Tätigkeiten, die ich im Laufe meines Lebens ausgeübt habe oder an denen ich beteiligt war. Sie spiegeln in gewisser Weise mein Dasein als Wanderer zwischen den Welten wider. Doch sie haben immer eines gemeinsam: Die meisten komplexen Situationen lassen sich, wenn überhaupt, nur mit kleinen Lösungen meistern.

      Das habe ich sowohl als Hochschulprofessor, als Dekan, als Unternehmer, als Berater, als Christ in katholischer, evangelischer oder freikirchlicher Umgebung – und nicht zuletzt als Mensch gelernt. Die Lösungen sind oft kleiner als gedacht. Und es ist eine Kunst, sie zu erkennen und so Komplexität zu meistern.

      Je komplexer die Lage ist, desto mehr ist es notwendig, aus der Vielzahl von Möglichkeiten die kleinen Eingriffe zu entdecken, die hoffentlich die gewünschte Wirkung auf das Ganze haben. Und nicht noch 100 unerwünschte Nebenwirkungen.

      Es zieht sich durch mein Leben, dass viele Dinge, die wir groß machen, die uns unüberwindlich scheinen, die sich vor uns auftürmen, sich doch lösen lassen. Schneller, pragmatischer und ungewohnter als gedacht. Und es gilt, die Kombination von Komplexität und Dynamik auszuhalten, gerade wenn man sie nicht ändern kann.

      Für dieses Buch habe ich in meinem Leben gesucht. Gefunden habe ich kleine Geschichten, überraschende Wendungen – und immer wieder Menschen, die geschickt gehandelt haben. Darin möchte ich jeden bestärken: Es lohnt sich, den Kampf, Komplexität zu beherrschen, aufzugeben – den gewinnt man sowieso nicht. Es lohnt sich aber, Komplexität zu meistern – unter Menschen und in Organisationen.

      Je komplexer die Lage, desto bedeutender werden die kleinen Eingriffe.

      In jedem Einzelnen stecken großartige Potenziale, die den Weg bereiten für kleine Lösungen. Klein in der Umsetzung, aber groß in der Wirkung. Diese Erfahrungen möchte ich mit Ihnen teilen. Ich freue mich über Ihr Interesse. Viel Vergnügen beim Lesen.

      II. WEGE ZU KLEINEN LÖSUNGEN

      1.»DAS ESSEN IST KALT!«

      Wie durch eine kleine Lösung bei der Essensversorgung 300 000 Euro IT-Kosten eingespart werden konnten

      Das Essen ist kalt. Auf den Stationen eines Universitätsklinikums kam das Essen kalt beim Patienten an. Ob Chirurgie, Innere oder Onkologie – jeden Tag das Gleiche. Schnitzel: kalt. Kartoffeln: kalt.

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