Die Kunst der kleinen Lösung. Klaus Henning

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Die Kunst der kleinen Lösung - Klaus Henning страница 9

Автор:
Жанр:
Серия:
Издательство:
Die Kunst der kleinen Lösung - Klaus Henning

Скачать книгу

die Energie liefert, die dann quer durch Deutschland transportiert wird, um in Bayern und Baden-Württemberg genutzt zu werden. Bei allem Respekt vor der nachvollziehbaren Entscheidung, langfristig auf erneuerbare Energiequellen zu setzen, so waren wir doch wieder viel zu emotional. Die Technik, unsere geliebte Technik wird es wieder richten.

      Jetzt sind wir in der Phase der Ernüchterung nach dem ersten Liebesrausch.

      Der Mensch, also der Bundesbürger, hat ein großes Problem damit, dass die Stromtrassen quer durch das Land, im schlimmsten Fall sogar direkt durch seinen Garten führen. Da ist von Liebe keine Spur.

      Keine Frage: Die Liebe ist ein wunderbares Gefühl. Aber Technikverliebtheit kann nur am Anfang stehen. Der Blick für das Ganze führt zu einer »reifen« Liebe: zu den Menschen, zu den Organisationen und zur Technik. Damit das ganze System in seiner ganzen Komplexität und Dynamik nicht ins Wanken gerät. Und der erste Schritt ist immer, das »Problemsystem« zu beobachten. Schon allein die Beobachtung eines Systems verändert sein Verhalten.

      Mit einer kleinen Störung beginnt die Diagnose

      Das ist Regel Nummer eins: Schauen Sie genau hin! Dann finden Sie die Lösung. Die gute Lösung. Die kleine Lösung. In dem erzählten Beispiel war es ja nicht unsere Absicht, durch die Zettel »Das Essen ist 45 Minuten warm« schon die Lösung zu finden. Es war eher unsere Annäherung an das Problem. Allerdings wollten wir damit nicht nur »messen«. Unsere Absicht war es auch, das System ein wenig zu »stören«. Eine kleine Störung eines eingefahrenen Ablaufs schafft das Fundament für eine gute Diagnose des Systems.

      Schon allein die Beobachtung eines Systems verändert sein Verhalten.

      Und wir vertrauten darauf, Anregungen von den beteiligten Menschen zu erhalten, wie das Problem gelöst werden könnte. Ich halte nichts davon, eine Lösung überzustülpen, also top-down zu erklären, wie es zu laufen hat. Damit entgehen einem nicht nur die wertvollsten Ideen, es funktioniert schlichtweg nicht. Jedes Problem hat seine eigene Komplexität. Um die zu durchschauen, brauchen Sie den Hinweis der mit dem Problem vertrauten beziehungsweise der unter dem Problem leidenden Mitarbeiter. Und dann empfehle ich, zu stören, ein »bisschen im Weg zu stehen«. Unsere »Störgröße« – also der Zettel – initiierte ja nichts weniger als einen Lern- und Innovationsprozess.

      Untersuche und beobachte komplexe Systeme stets so, dass die beteiligten Akteure durch die Beobachtung von selbst – eigenwillig und eigenständig – eine Lösung in die Wege leiten können.

      Das sollten Sie tun, bevor Sie das teure IT-System einführen. Oder andersherum: Wenn Sie erst das IT-System einführen, dann wird es in der Regel danach noch teurer, weil das IT-System bei einem lebenden System nie ausreichend oder vollständig »verstehen« kann, wie das System wirklich funktioniert.

      2.DIE RICHTIGE MUTTER

      Wie die Suche nach einem Ersatzteil zeigt, worauf es ankommt: auf Logistik, auf Details – und auf einen klaren Blick im Chaos

      Wenn es etwas gibt in meinem Leben, was mir in vielerlei Hinsicht den Weg bereitet hat, ist das sicher auch die Erfahrung beim Militär. Einerseits hatten wir damals alle die Erfahrung der Trümmer in den Knochen, kaum ein junger Mensch meiner Generation, der als Kind oder als Kleinkind nicht Gewalt und existenzielle Ängste der Eltern erlebt hat. Kaum einer, der nicht wusste, was es heißt, in zerstörten Gegenden aufzuwachsen. Und kaum einer, der nicht wusste, was deutsche Soldaten angerichtet hatten. Trotzdem war es sinnvoll und wichtig in der jungen Bundesrepublik, eine Armee aufzubauen, die Bundeswehr. Für mich stand außer Frage, Teil der Bundeswehr zu werden.

      Natürlich wollte ich dabei sein. Wir waren vom Ostblock bedroht. Der Kalte Krieg trat in eine immer wieder beängstigende Phase. Und für mich wie für einen Teil meiner Generation war die Bundeswehr eine Aufgabe zur Stärkung der Demokratie. Vielleicht wollten wir diesem Land auch etwas wie Würde zurückgeben. Anders als viele meiner Altersgenossen sah ich im Militär nichts Verwerfliches. Einem antimilitaristischen Kurs konnte ich mich nicht anschließen, auch wenn ich das Spannungsfeld Mensch und Technik, gerade im militärischen Bereich sehr sensibel betrachtete.

      Aber: Einfach nur Dagegensein, das schien mir zu wenig. Auf der anderen Seite sah ich in der Technikverliebtheit des Militärs durchaus eine Gefahr. Gern und selbstverständlich setzte ich mich schon damals zwischen die Stühle – ohne mich dabei wirklich unwohl zu fühlen.

      Mit der Bundeswehrzeit verbinde ich aber vor allem die frühe Erfahrung, das zu erkennen, worauf es ankommt: auf die kleine Lösung. Und sei es im Zusammenhang mit einem noch so gewaltigen Flugzeug, wie zum Beispiel dem Starfighter.

      »Der Starfighter war der spektakulärste Kampfjet der Sechziger: Kein anderes Flugzeug war so schnell und stieg so hoch wie die F-104«, schrieb der Spiegel im Jahr 2009 zum 50. Jubiläum des Starfighters. Es gibt Zahlen, die sind recht imponierend: Er flog damals jedem anderen Kampfflugzeug davon, und zwar mit 2,2-facher Schallgeschwindigkeit.

      Es gibt aber auch andere Zahlen. Denn der Starfighter war nicht nur eine Erfolgsgeschichte. Ganz und gar nicht. Die Starfighter-Story war sogar eine jener betrüblichen Episoden der Bundesrepublik.

      Als die neu gegründete Bundeswehr in den späten 1950er Jahren auf der Suche nach einem Abfangjäger und Allwetter-Jagdbomber war, entschied man sich für die amerikanische Lockheed F-104, den sogenannten »Starfighter«. Warum man ihn wählte, warum nicht ein anderes Flugzeug, das sollen die Geschichtsbücher klären. Ich will gar nicht in die Diskussion einsteigen. Es gab Probleme, man bekam sie nie richtig in den Griff.

      Die Probleme mit dem Starfighter bekam man nie richtig in den Griff.

      Schlagen Sie ein Geschichtsbuch auf, lesen Sie im Internet, googeln Sie »Starfighter«, Sie finden wirklich erschreckende Zahlen: 292 Maschinen stürzten ab, 116 Piloten verloren ihr Leben. Über diesen Abfangjäger, den die Bundeswehr ab Ende der 1950er einsetzte, lesen Sie in der Tat nicht nur Gutes. Vor allem aber war die Debatte um den Starfighter eine der großen Krisen der jungen Republik. Bis 2004 war er in der NATO im Einsatz.

      Auch wenn es nur eine Mutter ist

      Für mich persönlich hat das Kampfflugzeug trotz allem eine wichtige Bedeutung. Oder besser gesagt: Mich hat die Arbeit innerhalb der Bundeswehr für den Starfighter einen wichtigen Punkt gelehrt: Es kommt auf die Logistik an – und zwar immer.

      Das war eine – wenn nicht die prägende – Erkenntnis, als ich in einem Jagdbombergeschwader stationiert war und mich als angehender Offizier um den Nachschub bei den Kampfflugzeugen kümmern musste beziehungsweise um die Flugzeuge, die wegen fehlender Ersatzteile nicht starten konnten. Das Detail muss stimmen, wenn es für das Ganze wichtig ist.

      Und das stimmt nur, wenn auch die Logistik stimmt. Und wenn es dabei nur um eine Mutter geht, die zum Beispiel 3000 Grad aushalten muss. Denn wenn die fehlt, steht ein kompletter Starfighter im Wert von zwölf Millionen Euro nach heutiger Kaufkraft am Boden, kann nicht abheben – bloß weil ein winziges Detail fehlt.

      Das relevante Detail findet man oft in der Logistik.

      Wie gesagt: Viel beim Militär hat mit Logistik zu tun. Das zieht sich durch die gesamte Militärhistorie. Wenn es nicht mehr gelingt, den Nachschub zu organisieren, Material, Werkzeuge, Treibstoff, sieht es schlecht für die Truppe aus. Wenn Nachschub nicht garantiert ist, dann sind die Schlachten verloren. Meist sind es gar nicht die militärstrategischen Entscheidungen, die über Sieg oder Niederlage entscheiden, oft sind logistische Überlegungen entscheidend.

      Das ist etwas, was mich schon immer fasziniert hat und was mich von da an immer faszinieren sollte. Ich war hochinteressiert, als

Скачать книгу