Krähentanz. Philipp Schmidt
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Sie brachen auf. Kraeh und Arduhl taten keinen Mucks, Erkentrud hingegen entließ Lischa lautstark aus ihren Diensten. Als der Soldat zu ihrer Rechten wissen wollte, mit wem sie da redete, erschrak sie und sah zu Boden.
»Mit niemandem«, lenkte Kraeh ein, »ihr Geist ist verwirrt.«
Die Königin blinzelte dem Mann zustimmend entgegen, und sobald er wegsah, schenkte sie Kraeh einen vernichtenden Blick. Verstand sie nicht, dass er wahrscheinlich gerade das Leben ihrer Dienerin gerettet hatte? Aber wie er stumm auf dem Rücken des schnaubenden Tieres saß, überkam den Alten erneut das betäubende Gefühl, dass nun sowieso alles gleichgültig war. Was hatte er sich eigentlich vorgestellt? Dass er Erkentrud fand und sie ihm einfach so eine zweite Jugend schenkte? Aye, ungefähr das hatte er sich gedacht, gestand er sich ein. Was für ein Tor er doch war! Am besten wäre es wohl, sie würden ihn gleich hier aufknüpfen, ehe er sich der nächsten kindischen Hoffnung hingeben konnte. Während er den Blick über die grimmig dreinschauenden Soldaten schweifen ließ, die zuweilen lüstern auf Erkentrud starrten, zuweilen flugs die Hände auf ihre Waffen legten, wenn Arduhl auch nur seinen Kopf unerwartet drehte, ging ihm auf, dass eine Hinrichtung keineswegs eine abwegige Aussicht war.
Als einer, der als Kundschafter vorausgeritten war, zurückkehrte mit der Nachricht, er habe den Weg wiedergefunden, lockerte sich die Stimmung allerdings auf. Obgleich das Reich der Druden zerfallen war, flößten die Wälder dem, der die Geschichten kannte, immer noch Respekt, wenn nicht gar Angst ein. Da sie jetzt die Bestätigung hatten, wieder aus ihnen herausgeführt zu werden, brachen die Soldaten ihr Schweigen und die in Gewahrsam Genommenen erfuhren, dass sie vermutlich von Botlim-Orks, die aus ihrem Reservat ausgebrochen sein mussten, attackiert worden waren.
Ein fernes Donnergrollen brachte den kommandierenden Offizier dazu, seinen Leithengst in einen leichten Trab verfallen zu lassen, der von den übrigen Tieren in altem Herdenbewusstsein aufgenommen wurde. Trotzdem erreichten sie ihr Ziel nicht, ohne in einen heftigen Regenguss zu geraten. Durchnässt bis auf die Haut ritten sie auf ein aus massiven Holzpfeilern errichtetes Tor zu. Die ehemalige Garnison war zu einem Städtchen herangewachsen, dessen Bewohner, als der Platz im Inneren der Palisade nicht mehr ausreichte, ihre Hütten und Häuser doch immerhin so nahe wie möglich an den Sicherheit ausstrahlenden Wall gedrängt hatten, was dem Ganzen einen etwas seltsamen Anblick verlieh.
Kraeh bemerkte, wie gut Erkentrud die Nässe stand, während sie durch das nach außen aufschwingende Tor ritten. Das Haar klebte ihr auf Stirn und Wangen und die durchtränkte Kleidung betonte ihre immer noch beeindruckenden weiblichen Formen. Direkt hinter dem Tor wurden sie schon von noch mehr Männern in Waffen erwartet, von denen einer deutlich herausstach. Er war nicht eben groß zu nennen, doch sein mit Gold überzogener Flügelhelm und sein mit dem Bullen Brisaks bestickter Überwurf wiesen ihn als denjenigen aus, der über ihr Schicksal entscheiden würde.
»Eli!«, entfuhr es Arduhl.
Nach einer kurzen Musterung, die ein sardonisches Lächeln auf den Mund des Befehlshabers zauberte, machte er eine Handbewegung, die unverzüglich zur Folge hatte, dass man sie unsanft von den Pferden zog.
»Bringt sie zu den anderen Gefangenen«, sagte Eli in einem Tonfall, der Widerworte weder kannte noch jemals geduldet hätte. »Und verdoppelt in Anbetracht unseres berüchtigten Besuchs die Wachen – auch wenn er kaum von Dauer sein wird.« Dabei nahm er den Helm ab und fixierte Arduhl in einer Weise die keinen Zweifel daran ließ, dass er ihm am liebsten auf der Stelle das Herz aus der Brust geschnitten hätte.
2. Alte Freunde, neue Tänze
Sedain saß, aufrecht wie gewöhnlich, an seinem wohlgeordneten Schreibtisch. Die Herbstsonne, noch nicht weit über dem Meereshorizont aufgestiegen, blendete ihn einen Moment und warf Schatten in sein akkurat eingerichtetes Turmzimmer, hoch über den Dächern Dundolchs. Ehe der Winter mit seinen klaren Himmeln einbräche, würde er einen Kammerdiener damit beauftragen, die Vorhänge wieder anbringen zu lassen.
Er nahm die Schwanenfeder, tauchte sie ins Tintenfass und überflog noch einmal das Schriftstück vor ihm. Die Verteidigung weist drauf hin … einen Schaden von 60 Tinnios … angestiftet von … Auflistung der Zeugen … Familienverhältnisse des Angeklagten, Frau verstorben, Vater zweier Töchter … Seine Unterschrift war ohne Bögen und Schnörkel, nüchtern und trocken, wie sein Amt es verlangte. Die Verteidigung hatte sich gut vorbereitet, aber der Halbelf war sich sicher, dennoch eine Haftstrafe bewirken zu können. Er dachte an seine eigene Ziehtochter, die er als Säugling vor sechzehn Jahren unter seine Obhut genommen hatte. Vorlaut und furchtlos war sie ihm gestern entgegengetreten, als er sie zur Rede gestellt hatte. In anderen Zeiten hätte er ihr einfach den Kopf dieses Bengels, mit dem sie sich heimlich traf, präsentiert. Bei nochmaliger Überlegung: In anderen Zeiten hätte er sich kaum um ein undankbares Balg gekümmert. Später würde er einfach zum Vater dieser Missgeburt gehen, der auch am Hof beschäftigt war, und ihn auf die Konsequenzen für seine Karriere hinweisen, sollte dieser sich erdreisten, den Nachstellungen nicht entschiedenst entgegenzuwirken. Ein verhaltenes Klopfen zog ihn aus seinen Gedanken.
»Herein.«
Dunjal! Diese einfältige Person, deren einzige Qualität, die Angehörigkeit zur Elfenrasse, Sedain dazu bewogen hatte, diesem den Posten seines Gehilfen zu beschaffen – eine Entscheidung, die er zutiefst bereute. Zaghaft trat Dunjal in den Raum. Seine verweichlichten Gesichtszüge wurden heute noch von seiner geschmacklosen Kleidung untertroffen. Wer zur Hölle trug schon gelbe Lederstiefel?! Widerwillig hob Sedain seinen Blick. Der Störenfried hatte irgendetwas gesagt.
»… ich dachte nur …«
»Und schon lügst du!«, schnaubte Sedain.
»Ich dachte, wir könnten den Grafen von Ulfenstein zu einem Mahl einladen, um die unerfreuliche Angelegenheit seines Neffen zu besprechen«, überging Dunjal die beleidigende Art seines Vorgesetzten, an die er sich mittlerweile katzbuckelnd gewöhnt hatte.
Es war eine gute, wenn auch nicht originelle Idee. Am besten löste man gerichtliche Konflikte, sofern sie einflussreiche Leute betrafen, im Vorfeld. Dies gebot nicht allein die Etikette, sondern auch der gesunde Menschenverstand.
»Unerfreulich sind vor allem deine Heimsuchungen vor dem Mittagessen. Aber schick ruhig einen Boten zu ihm, selbstredend nur, wenn du deine ansonsten nutzlose Existenz mit ein klein wenig Daseinsberechtigung anfüllen willst.«
Dunjal verbeugte sich und verschwand, wie er gekommen war.
In zwei Wochen war Gerichtstag, aber bisher waren keine komplizierten Fälle aufgetreten, die er zu bearbeiten hatte, und so wandte Sedain sich seiner Nebenbeschäftigung zu. Er zog eine Schublade auf und hielt mit einem Griff einen Stapel Blätter in der Hand, die er auf dem Tisch zu sortieren begann. Es waren Namenslisten der zur Verfügung stehenden Soldaten. Als er vor vielen Jahren an den Hof gekommen war, bekleidete ihn das Ansehen eines mächtigen Kriegers. Mit wenig mehr als seinem Ruf hatte er in den Kasernenspelunken herumgelungert und zufällig Freundschaft mit einem gewissen Fordwin geschlossen. Während Sedain sich vom Schwert lossagte und das Studium der Rechte aufnahm, das er mit der gleichen