Krähentanz. Philipp Schmidt

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Krähentanz - Philipp Schmidt

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dauern. Kraeh streckte sich aus, so gut es ging. Jede Faser in ihm lechzte nach Ruhe und Erholung. Meine Güte, dachte er, bin ich alt geworden. Seine vor Müdigkeit tränenden Augen fielen zu; er ließ es geschehen. Sie öffneten sich erst wieder, als sie bereits auf der anderen Seite, in einen von Wasserpest bedeckten Seitenarm einliefen. Es war einer der wenigen im Einzugsgebiet Brisaks, welcher nicht der Flussbegradigung unter Brans Regentschaft zum Opfer gefallen war. Die ausladenden Wurzeln eines überhängenden Baumes diente ihnen als Anlegestelle. Der Kahn wurde vertäut und sie kletterten, an den klitschigen Wurzeln Halt suchend, an Land. Kraehs Magen fühlte sich flau an. Seine aus der Erschöpfung herrührende Konzentrationsschwäche hatte der unruhige Schlaf in dem Gasthaus nicht vertreiben können und sie war ihm nur allzu deutlich bewusst, als die sieben Burschen sich, sichtlich nervös, im Halbkreis um ihn und Arduhl herum gruppierten.

      »Hier ist der Rest«, sagte Arduhl in seinem fremdländischen Akzent und warf Svain ein klimperndes Beutelchen zu.

      Der Angesprochenen ließ es, ohne einen Blick darauf zu werfen, in einer Tasche verschwinden.

      »Wir wollen das Doppelte. Und sein Schwert.«

      Kraeh erinnerte sich, wie beim Erwachen sein Mantel von Lidunggrimms Scheide gerutscht war. Schon wieder Ärger wegen der kostbaren Klinge! Früher hatte sie einmal den Zweck gehabt, Ärger zu beseitigen …

      Arduhl blieb stumm. Er schien ebenso wenig überrascht von der Wendung wie Kraeh selbst, nur hätte Kraeh, wäre er alleine gewesen, eher auf eine schnelle Flucht gebaut. Svain und seine Jungs hatten von Anfang an geplant, sie aus der Stadt zu bringen, um sie hier im mehr oder minder rechtlosen Raum in Ruhe auszunehmen. Waren eigentlich alle Menschen schlecht oder hatte er in der letzten Zeit einfach nur Pech? Der Südländer trat vor Kraeh, seine Hände waren unter den Falten seines Capes verschwunden. Auch die der anderen wanderten zu ihren Hüften.

      Auf einmal überschlugen sich die Ereignisse. Kraeh bemerkte die Bewegung am Rande seines Blickfeldes zu spät, um dem Knüppel ganz auszuweichen. Er traf ihn hart an der Schulter und schmetterte ihn mit dem Rücken gegen den Stamm des Baumes, durch dessen karge Krone das Mondlicht den Platz des Geschehens beleuchtete.

      Als er sah, wie jener, der den Schlag gegen ihn geführt hatte, von der Wucht seines Hiebes leicht aus dem Gleichgewicht geraten, in Arduhls Schwert lief, das dort auf wundersame Weise wie aus dem Nichts aufgetaucht war, entschied er sich, dem Folgenden als Zuschauer beizuwohnen und seine Zurückhaltung nur aufzugeben, falls es nötig werden würde – wozu es nicht einmal im Ansatz kommen sollte.

      Arduhls Bewegungen waren ein Liebesgeständnis an seine Klinge. Sie berührte die anderen Waffen nicht, sie waren es nicht wert, nur ihre Besitzer bekamen ihren Kuss zu spüren. In unglaublicher Schnelligkeit und Präzision tauchte sie in sie ein und wieder hinaus. Noch nie hatte Kraeh bei einem Schwertkampf so wenig Blut fließen sehen. Einer nach dem anderen, der den Kuss empfing, sackte in sich zusammen; den Boden noch nicht ganz erreicht, fiel schon der Nächste. Es war, wie einem Künstler des Todes zuzusehen.

      Als er mit ihnen fertig war, wischte Arduhl den Stahl an Svains Weste sauber.

      »Hast du ein Ziel, alter Mann, oder suchst du nur nach einem raschen Tod?« In seiner Stimme schwang ein Hauch von Verachtung mit.

      »Ich bin auf dem Weg nach Erkenheim, zu einer alten Bekannten.«

      Arduhls Miene zeigte auch jetzt kein Erstaunen, er schürzte nur die Lippen und bedeutete dem Alten – wie selbstverständlich davon ausgehend, dass sie gemeinsam reisen würden – vorauszugehen. Kraeh massierte sich die geprellte Schulter und kam mühsam auf die Beine. Er orientierte sich kurz am Nordstern und schlug dann eine ungefähre Richtung in den schlüpfrigen Untergrund des Auenwaldes ein.

      Lidunggrimm schnurrte in ihrer Scheide, enttäuscht, den Tanz verpasst zu haben. Kraeh beruhigte sie in Gedanken matt: Unser Tag wird kommen.

      * * *

      Sie waren nicht lange gegangen, als Kraeh nicht mehr weiterkonnte. Wenig erfreut gestand Arduhl ihnen eine Rast bis zum Morgengrauen zu. Der Alte erstaunte ihn dadurch, einen Schlafplatz zu finden, der frei von Schlick und Schlingpflanzen war, über die man immerfort stolperte und deren Dornen Schlitze und Löcher in Arduhls Lederstiefel gerissen hatten, durch die nun die kühle Nässe seine Füße heimsuchte. Er war die rauen Höhen der Gebirge von Morak und die trockene Einsamkeit der Mura-Steppen gewohnt; diese klamme Sumpflandschaft aber, in der sie sich befanden, zehrte an seinen Nerven. Er wrang den Stoff aus, den er um seine Füße zu wickeln pflegte, und folgte dann mit kleinmütigem Widerwillen, den er versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, dem im Plauderton vorgebrachten Rat des Alten. Angewidert sah er seinen Händen dabei zu, wie sie die Stiefel dick mit dem Fett beschmierten, das er sonst gebrauchte, um seine Schwertscheide geschmeidig zu halten. Schließlich hängte er Stofflappen und nun matt glänzendes Schuhwerk an einem niedrigen Ast auf, dass der Wind damit spielen konnte.

      Da der Alte auf die Frage, ob er in diesen Gebieten aufgewachsen sei, schon nicht mehr antwortete, bettete Arduhl seinen in die Kapuze gehüllten Kopf auf einen umgestürzten Baumstamm und schloss, obwohl er keine Müdigkeit verspürte, die Augen. Alles ist lediglich eine Sache des Willens, vergegenwärtigte er sich die Lehrworte seines Großneffen Idrahims, der damals das erste Viertel seiner Ausbildung übernommen hatte. Wir sind nicht mehr als die Summe jener Fähigkeiten, die wir uns in unserer Jugend zu eigen machen.

      Ob der Greis, der mittlerweile geräuschvoll schnarchte, wohl ahnte, welche Kräfte sie zusammengeführt hatten? Es war gleich. Er würde sich von ihm aus diesem ungastlichen Landstrich führen lassen, der nicht besser geeignet hätte sein können, seine Spuren zu verwischen, und ihn dann seinem Schicksal überlassen.

      Er konzentrierte sich darauf, sich auf nichts mehr zu konzentrieren, und schlief kurzerhand ein.

      Die Sonne reizte seine Nase und ein heftiges Niesen ließ ihn schließlich hochfahren. Sie hatten verschlafen! Nicht sie, wie Arduhl kurz darauf aufging. Henfir oder wie auch immer der Alte heißen mochte, saß ein kleines Stück entfernt über einem knisternden Feuer, das kaum Rauch entwickelte. Auf einem aus hellen Zweigen errichteten Rost über der Feuerstelle, brodelte ein Sud in seinem Tonbecher, den der Alte ihm entwendet haben musste, als er noch geschlafen hatte.

      Zerknirscht kam Arduhl auf die Beine, seine Nase war zu und in seinem Hals hatte sich über Nacht ein unangenehmes Kratzen eingenistet.

      »Wieso hast du mich nicht geweckt?«, fragte er schlecht gelaunt, während er neben das Feuer trat und von oben in seinen Becher schielte. Mit einer Geste, die ihm zu verstehen gab, dass das Getränk seinem Hals wohltun würde, bot Kraeh ihm den Becher an, nachdem er selbst einen Schluck daraus genommen hatte. Als Arduhl das dampfende Gebräu, immer noch auf eine Erwiderung wartend, an die Lippen setzte, hob Kraeh in provozierendem Tonfall zur Gegenfrage an: »Wieso habt Ihr, Arduhl ap Tulaf, die heilige Isabel an ihrem letzten Morgen nicht geweckt?«

      Das hatte gesessen. Und Kraeh war besonders stolz darauf, den vollen Namen seines Gegenübers behalten zu haben, den er von einem der Zwillinge aufgeschnappt hatte, als er in dem Gasthaus der stille Zeuge ihrer Grausamkeiten geworden war.

      Der Südländer nahm einen großen Schluck von dem bitteren Sud, ohne die Miene zu verziehen, kniete sich hin und gab dem Alten den Becher zurück. Ihre Gesichter waren einander nun so nah, dass sie sich beinahe berührten.

      »Die Schnepfe konnte einfach den Mund nicht halten.« Seine Stimme war flach und ausdruckslos. Kraeh kannte diese Art zu sprechen von Sedain und er wusste ja auch so bereits, dass sein Gegenüber nicht zu jener Sorte Hund gehörte, die laut bellte, weil ihre Zähne stumpf waren.

      »Am Ende«, fuhr Arduhl

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