Krähentanz. Philipp Schmidt

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Krähentanz - Philipp Schmidt страница 8

Автор:
Жанр:
Серия:
Издательство:
Krähentanz - Philipp Schmidt

Скачать книгу

worden, die er nicht zu entrichten imstande gewesen sei. Nun gehöre selbst »dis klih Hus, was sin war« Gunthertocht, der Herrin von Brisak. Kraeh konnte es kaum fassen. Sollten sich seine Hoffnungen erfüllen? Heikhe musste mittlerweile eine alte Frau sein, aber es war nicht unmöglich, dass sie das Zepter noch in der Hand hielt.

      Sein Gegenüber, das sich in einem fort in Selbstmitleid erging, erregte in Kraeh kein Mitgefühl. Die Art, in der der Bauer seine Frau und seine Kinder behandelte, machte Kraeh eher wütend. Doch da er nichts daran ändern konnte, bat er den Hausherrn nach einem zweiten Becher des schlecht gebrannten Obstlers, den ihm der Bauer in großzügiger Geste gereicht hatte, ihm seinen Schlafplatz zu zeigen. Schwankend führte Brunai Kraeh zu den Stallungen außerhalb des Haupthauses. Er wies auf eine kläglich von Stroh bedeckte Stelle, die, hätte er es sich leisten können, wohl von einem weiteren Ochsen eingenommen worden wäre. Verstimmt über den Fremden, der so unerfreulich wenig Anteil an seiner Lebensgeschichte genommen hatte, raunzte er einen unwirschen Gutenachtwunsch und machte sich auf in sein Ehebett, wo seine Frau zu ihrem Gott betete, er möge zu betrunken sein, um Interesse an ihrem schon zur Genüge ausgebeuteten Körper zu haben. – Ihre Gebete wurden nicht erhört.

      Einen Augenblick sann Kraeh nach, während er es sich so gemütlich wie unter den gegebenen Umständen möglich machte, ob er nicht ein seltsames Leuchten in den wässrigen Äuglein seines Gastgebers gesehen hatte, als er sich vorhin vom Tisch erhoben hatte. War es Gier gewesen? Seine weite Tunika war ihm beim Aufstehen weggerutscht und hatte damit möglicherweise den Blick auf den kostbaren Knauf Lidunggrimms freigegeben …

      Aus dem Stroh hatte Kraeh ein Knäuel geformt, das ihm als Kopfkissen diente. Die Halme stachen ihm unangenehm in den Nacken. Seinen Umhang gebrauchte er als Decke. Nicht einmal eine Kerze hatte Brunai ihm dagelassen. So lag er im milchigen Licht des Mondes, das durch die Ritzen im Gebälk über ihm in die Stallung fiel.

      Die Ochsen scharrten im Schlaf gelegentlich mit ihren Hufen. Im ganzen Stall stank es nach ihren Ausscheidungen. Draußen bellte ein Hund. Vermutlich war er damit beschäftigt, sein Revier gegen Füchse und andere Räuber zu verteidigen. Und noch etwas war zu hören: das Zanken von Katzen. In Kraehs Ohren klang es immer wie das Jammern kleiner Kinder. Ein unheimliches Geräusch. Er fragte sich, weshalb der Hund dem Streit kein Ende bereitete. Wahrscheinlich hatte der Bauer ihn darauf abgerichtet, die Katzen in Frieden zu lassen, da sie den Hof von den kleineren Plagen wie Mäusen und Ratten säuberten, die nicht in das Beuteschema des Hundes passten.

      Auch wegen der Unbequemlichkeit hing er diesen Gedanken eine Weile nach, bis ein Knarren an der Stalltür ihn in die Realität zurückholte. Mit einem Mal wurde ihm klar, dass auch er wohl in ein gewisses Beuteschema geraten war. Ein unterdrücktes Streitgespräch verschaffte ihm genügend Zeit, Stroh zusammenzuklauben und seinen Mantel so darüber auszubreiten, dass es den Anschein erregte, er läge er noch immer an dem Platz, von dem er sich nun schleunigst entfernte.

      Keinen Wimpernschlag zu früh, duckte Kraeh sich, als die Tür aufging. Brunai schlich, gefolgt von zweien seiner Söhne, auf leisen Sohlen zu der präparierten Schlafstätte. Einer trug eine abgedämmte Laterne und alle drei hatten Knüppel in den Händen. Ohne Zaudern – das hatte Brunai seinen Söhnen offensichtlich erfolgreich eingebläut, ehe sie den Stall betreten hatten – schlugen sie auf das Stroh ein. Es dauerte lächerlich lange, ehe der Mantel verrutschte und die drei ihren Fehler erkannten.

      Kraeh war in der Zwischenzeit aus seinem Versteck hinter einem schlafenden Ochsen hervorgetreten und versperrte breitbeinig die Tür.

      Der Bauer und seine Söhne zuckten zusammen, als Kraeh einen Pfiff ausstieß. Der kurze Moment des Schreckens wich jedoch schnell der Habsucht, als Brunais Blick den Greis auf der Schwelle musterte.

      »Giffen mir dat!«, stieß er zwischen seinen faulen Zähnen hervor und deutete dabei auf Kraehs Hüfte.

      »Was?«, fragte der Alte betont langsam. »Das hier?«

      Das magische Schwert fuhr aus der Scheide. Mondlicht huschte über die Klinge und die Lider der drei Augenpaare, die darauf gerichtet waren, weiteten sich. Noch nie hatten sie etwas derart Wertvolles gesehen. Und es war zum Greifen nahe; allein die gichtigen Finger eines steinalten Fremden trennten sie davon, es in ihren Besitz zu bringen.

      »Giffen uns dat«, wiederholte der größere der beiden Söhne seinen Vater, »und du kunnst fortegahn.«

      Beinahe taten Kraeh die Narren leid. Ohne Frage, er war alt, nicht mehr als ein erbärmlicher Abglanz seiner einstigen Größe, aber genau das würde den dreien zum Nachteil gereichen. Früher hätte er sich vielleicht damit begnügt, ihnen mit ihren eigenen Knüppeln den Hintern zu versohlen, dieser Tage würde er besser sichergehen …

      »Du hast recht, ich werde verschwinden«, schleuderte er jenem ältesten Sohn herablassend entgegen, dessen Stirnfalten und Gestik verrieten, dass er die größte Möglichkeit eines unbeschadeten Angriffs in seiner linken, der waffenlosen Seite entdeckt zu haben glaubte.

      »Aber ich gehe mit all meinen Sachen, insbesondere dieser.« Dabei drehte er Lidunggrimm so in seiner Hand, dass dem jungen Mann hätte klar werden müssen, wie wenig ausgereift sein Angriffsplan war. Wären sie gemeinsam auf ihn losgegangen, hätten sie eine Chance gehabt, doch das Zaudern Brunais und dessen jüngeren Sohnes bot Kraeh die Möglichkeit, den brutalen von oben herab geführten Schlag des Knüppels mühelos zu parieren. Das Holz splitterte, als es auf die Klinge traf. Kraeh machte einen Satz zurück und zog dem Bauernjungen die Schneide längs über den Bauch. Fassungslos schaute dieser an sich herab. Der Schmerz hatte sein Bewusstsein noch nicht erreicht und so versuchte er, blass vor Schock, seine Eingeweide mit den Händen an ihrem angestammten Platz zu halten. Natürlich war sein Unterfangen vergeblich. Seine Innereien quollen hervor, flutschten durch seine gespreizten Finger und klatschen auf den Stallboden. Er wankte und fiel. Der Vater stürzte neben seinem Sohn zu Boden, nahm den sterbenden Körper in seine Arme und begann, heftig zu schluchzen.

      Kraeh wusch die Klinge an einer Decke ab, die über einer Koppel hing, schob sie in ihre Scheide und verließ ohne ein weiteres Wort den Stall. Er empfand keinerlei Mitleid, nur ein Gefühl des Ekels begleitete ihn nach draußen in die kalte Nacht.

      Ärgerlich darüber, seinen Mantel zurückgelassen zu haben, beschleunigte er seinen Schritt, um zu verhindern, dass die Kälte, die der feuchte Dunst des Morgens mitbrachte, sich in seinen Gliedern festsetzte. Die Mauern der alten Feste Brisaks wuchsen und Kraehs Gemüt verdüsterte sich, während der goldene Schimmer der Sonne sich auf den Wehrgängen ausbreitete und die Gestalten der Wachposten von den Zinnen abhob. In der Ferne grollte ein Donnerschlag und Kraeh deutete ihn unwillkürlich als schlechtes Omen. Eine Gruppe von drei Wagen näherte sich dem mächtigen Tor, auf das auch er zuhielt. Er korrigierte seinen Gang, und als die Sonne als ganzer runder Ball am wolkenlos blauen Himmel stand, fing er die Gruppe nicht weit von den Mauern entfernt ab. Es waren Händler, die Wagen angefüllt mit Erz, das in den nordöstlich gelegenen Minen abgebaut worden war. Ihr Sprecher, ein feister Kerl, der auf dem vordersten der Wagen vom Kutschbock aus seine Peitsche auf die langhaarigen Lastpferde knallen ließ, hatte keine Einwände, dass der fremde Alte sich ihnen anschloss. Das Schlusslicht des kurzen Zuges bildeten zwei schwer beladene Frauen, die, froh, den langen Weg endlich hinter sich zu haben, trotz ihrer Last zu Scherzen aufgelegt waren. Kraeh lachte ein wenig über ihre derben Sprüche und schließlich, nur wenige Schritte trennten sie noch von den nun offenen Flügeln des Tores, gelang es ihm, der einen ein Stück zerfransten Stoffes abzuschwatzen, das ihr bis dahin als Schal gedient hatte. »Ich kuf mir ehn nuwes, glänzlicheres«, sagte sie lächelnd und zeigte dabei zwei Reihen schlecht gepflegter Zähne. Kraeh band sich den Stoff um die Hüften, was den beiden ein neuerliches Gelächter entlockte. Allmählich gewöhnte er sich daran, dass ihn, den alten Sonderling, niemand ernst nahm, und auch sein Ohr stellte sich auf die Sprache des ländlichen Volkes ein.

      Als sie auf Höhe der Stadtwachen anlangten,

Скачать книгу