Handbuch Betreuungsrecht. Sybille M. Meier
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Die Auswahl eines Sachverständigen, die Formulierung eines Beweisbeschlusses oder die Anordnung einer Begutachtung legt dem Betroffenen jedoch keine Handungspflichten auf. Insoweit liegen unanfechtbare Zwischenverfügungen vor.[3] Der Betroffene ist nicht verpflichtet, sich zum Zwecke der Begutachtung untersuchen zu lassen.[4] Das Gutachten zur Betreuungsbedürftigkeit ist dem Betroffenen grundsätzlich vollständig, schriftlich und rechtzeitig vor der persönlichen Anhörung mitzuteilen.[5] Hiervon darf nur abgewichen werden für den Fall einer ernsthaft möglichen Gesundheitsschädigung des Betroffenen. In einem solchen Fall ist dem Betroffenen zur Wahrung seiner Rechte ein Verfahrenspfleger zu bestellen. Bei Nichtbeachtung der Verfahrensrechte des Betroffenen besteht die Möglichkeit der Beschwerde.
Anmerkungen
OLG Hamm FamRZ 2000, 494.
BayObLG FamRZ 2001, 1559; 2002, 419; 2003, 60; KG FamRZ 2001, 172; 2002, 338.
BayObLG FamRZ 2001, 707; 2003, 189; 2005, 390; OLG München BtPrax 2006, 150; OLG Köln FamRZ 2001, 311; OLG Zweibrücken BtPrax 2000, 224; a.A. KG FG Prax 2002, 63; FamRZ 2001, 311.
BGH FamRZ 2008, 774, 775.
OLG München BtPrax 2005, 231.
B. Das gerichtliche Verfahren bis zur Bestellung eines Betreuers › VIII. Der Verfahrenspfleger
B. Das gerichtliche Verfahren bis zur Bestellung eines Betreuers › VIII. Der Verfahrenspfleger › 1. Stellung und Aufgaben des Verfahrenspflegers im anhängigen Betreuungsverfahren
1. Stellung und Aufgaben des Verfahrenspflegers im anhängigen Betreuungsverfahren
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Nach § 276 FamFG ist dem Betroffenen im Rahmen des anhängigen Betreuungsverfahrens ein Verfahrenspfleger zu bestellen, soweit dies zur Wahrnehmung seiner Interessen erforderlich ist. Die § 297 Abs. 4 und § 298 Abs. 3 FamFG treffen weitere Regelungen für Genehmigungen nach § 1904 oder § 1905 BGB und § 317 FamFG für Unterbringungsverfahren. Seit 26.2.2013 ist für Genehmigungen stationärer ärztlicher Zwangsmaßnahmen ebenfalls stets eine Verfahrenspflegerbestellung nötig, § 312 S. 3 FamFG. 2014 wurden 137.114 mal Verfahrenspfleger in Betreuungs- und Unterbringungsverfahren bestellt (davon 88.414 mal Anwälte, 49.257 mal andere Personen).[1] Das heißt, dass zu rund 2/3 Anwälte als Verfahrenspfleger bestellt werden.
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Im Folgenden wird kurz auf die Vorgeschichte des § 276 FamFG (vor dem 1.9.2009 § 67 FGG) eingegangen. Wichtige Zielsetzung des Reformgesetzgebers des BtG war es, die Rechtsstellung der Betroffenen im Betreuungsverfahren zu verbessern und modernen, grundgesetzlichen Anforderungen anzupassen. Dem Betroffenen sollte nach dem Willen des Reformgesetzgebers ein faires Verfahren garantiert werden, um ihn nicht, wie nach altem Recht, zum bloßen Verfahrensobjekt zu machen.[2]
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Im Gegensatz zum Betreuer unterliegt der Verfahrenspfleger nicht dem Willensvorrang des Betroffenen und der Wunschbefolgungspflicht, § 1901 Abs. 3 BGB. Gleichwohl ist es eine vorrangige Aufgabe des Verfahrenspflegers, dem Gericht die Anliegen und den Willen des Betroffenen zu hintertragen. Der Verfahrenspfleger ist als „Sprachrohr“ des Betroffenen aufgerufen, dessen Anspruch auf rechtliches Gehör, Art. 103 Abs. 1 GG, in dem anhängigen Betreuungsverfahren zu realisieren.
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Der Verfahrenspfleger ist in jeder Hinsicht unabhängig:[3] Er unterliegt weder der Aufsicht des Gerichtes noch ist er an die Weisungen des Betroffenen gebunden. Der Verfahrenspfleger hat die objektiven und subjektiven Interessen des Betroffenen zu vertreten.[4] Darin liegt der entscheidende Unterschied der Tätigkeit eines Verfahrenspflegers im Vergleich mit der eines Rechtsanwaltes.
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Rechtsanwälte sind nach § 3 BRAO (Bundesrechtsanwaltsordnung) die berufenen und unabhängigen Berater und Vertreter von Bürgern in allen Rechtsangelegenheiten. Zwischen dem Rechtsanwalt und seinem Mandanten kommt ein Geschäftsbesorgungsvertrag zustande, §§ 611, 627 Abs. 1, 675 BGB. Dies gilt im Betreuungs- und Unterbringungsverfahren auch bei einem geschäftsunfähigen Klienten, §§ 275, 316 FamFG).[5]
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Danach ist der Rechtsanwalt verpflichtet, die Weisungen seines Auftraggebers umzusetzen. Bei der Wahrnehmung eines anwaltlichen Mandats ist es also in erster Linie geboten, die subjektiven Interessen eines Mandanten außergerichtlich und gerichtlich im besten Licht zu präsentieren. Dies hat, um eine optimale Interessenvertretung sicher zu stellen, die Konsequenz, dass für das Anliegen des Mandanten weniger günstige Fakten unter den Tisch fallen, ganz davon abgesehen, dass der Mandant durch die genaue Auftragsgestaltung und Vorgaben die Führung des Mandats beeinflusst. Von diesen Beschränkungen ist der Verfahrenspfleger entlastet und kann im objektiven Interesse des Betroffenen ein Votum abgeben. Gleichwohl sind die Anliegen und Wünsche des Betroffenen dem Gericht zu übermitteln.
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Beispiel
Rechtsanwältin Rose Sch. wird von dem zuständigen Amtsgericht für Kerstin C., die an einer Demenz leidet, zur Verfahrenspflegerin bestellt. Frau C., eine pensionierte Studienrätin, ist der Auffassung, das ganze Verfahren sei ein „Witz“, sie sei sehr wohl noch in der Lage, ihre finanziellen und sonstigen Angelegenheiten zu regeln. Im Übrigen brauche sie niemanden, denn ihre langjährige Nachbarin Inge K. helfe ihr bei allem. In ihrer gegenüber dem Amtsgericht abzugebenden Stellungnahme wird Rechtsanwältin Sch. einerseits mit Beispielen – im Gegensatz etwa zu einem anwaltlichen Mandat – ausführen, welche Handicaps bei der Betroffenen existieren und inwiefern sie der Unterstützung durch einen Betreuer bedarf. Andererseits wird sie bei Gericht anregen, Frau K. zur Betreuerin zu bestellen.
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Folgende Aufgabenstellungen sind von dem Verfahrenspfleger wahrzunehmen:[6]
– | Einsicht in die Betreuungsakten (§ 13 Abs. 1 i.V.m. § 274 Abs. 2 FamFG); |
– | Kontaktaufnahme zu dem Betroffenen; |
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