Examens-Repetitorium Handels- und Gesellschaftsrecht. Walter Bayer
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§ 3 Publizität des Handelsregisters › II. Negative und positive Publizität des Handelsregisters gem. § 15 HGB
II. Negative und positive Publizität des Handelsregisters gem. § 15 HGB
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Ausgehend von der Funktion des Handelsregisters (Rn. 51) enthält § 15 HGB verschiedene materiellrechtliche Regelungen:
– | Den Schutz Dritter bei Nichteintragung oder Nichtbekanntmachung eintragungspflichtiger Tatsachen (§ 15 I HGB). |
– | Die Rechtsfolgen bei richtiger Eintragung und Bekanntmachung von eintragungspflichtigen Tatsachen (§ 15 II HGB). |
– | Den Schutz Dritter im Hinblick auf unrichtige Bekanntmachungen eintragungspflichtiger Tatsachen (§ 15 III HGB). |
a) Normzweck und dogmatische Struktur
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Die negative Publizität des Handelsregisters nach § 15 I HGB bezweckt den Schutz des redlichen Rechtsverkehrs: Ist eine im Interesse des Rechtsverkehrs eintragungspflichtige Tatsache nicht in das Handelsregister eingetragen und bekanntgemacht, so kann sich der Anmeldepflichtige gegenüber einem gutgläubigen Dritten auf diese Tatsache nicht berufen.
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Fall 5a:
Wird der Widerruf einer Prokura[10] entgegen § 53 II HGB nicht eingetragen und bekanntgemacht, so muss der Inhaber des Handelsgeschäfts trotz materiell wirksamen Widerrufs Rechtsgeschäfte seines bisherigen Prokuristen gegen sich gelten lassen, es sei denn, der Geschäftspartner wusste von dem Widerruf.
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Fall 5b:
Trotz Ausscheidens aus der OHG haftet der bisherige Gesellschafter auch für alle Neuverbindlichkeiten gem. § 128 HGB,[11] wenn sein Ausscheiden entgegen § 143 II HGB nicht eingetragen und bekanntgemacht wird.
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Dogmatisch handelt es sich um einen speziellen Fall der Rechtsscheinhaftung,[12] der an das Unterlassen der gesetzlich vorgeschriebenen Handelsregistereintragung und Bekanntmachung anknüpft. Geschützt wird durch § 15 I HGB das Vertrauen auf das „Schweigen“ des Handelsregisters (daher negative Publizität). Dieser Vertrauenstatbestand (Rechtsschein), der weiter reicht als die allgemeine Rechtsscheinhaftung (zu den einzelnen Tatbestandsvoraussetzungen des § 15 I HGB unten Rn. 66 ff.), kann vom Anmeldepflichtigen durch Eintragung und Bekanntmachung zerstört werden. Während allerdings in den Fällen 5a und 5b das Vertrauen des Rechtsverkehrs in den Fortbestand der bisherigen Rechtslage geschützt wird, gilt dies im Fall 5c für das Vertrauen in die gesetzliche Rechtslage:[13]
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Fall 5c:
A, B und C sind Gesellschafter der ABC-OHG. Im Gesellschaftsvertrag ist vereinbart, dass A von der Vertretung der OHG ausgeschlossen ist; für B und C ist Gesamtvertretung vorgesehen. Diese – nach § 125 I Hs. 2, II 1 HGB zulässige – Regelung kann einem gutgläubigen Dritten D, mit dem A für die OHG ein Rechtsgeschäft abschließt, jedoch nicht entgegengehalten werden, wenn Eintragung und/oder Bekanntmachung (vgl. § 106 II Nr. 4 HGB) unterlassen wurden. Dann kann D auf die gesetzliche Einzelvertretungsmacht eines jeden OHG-Gesellschafters (§ 125 I Hs. 1 HGB) vertrauen und die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts geltend machen.[14]
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Merke:
Jede Änderung der dispositiven Gesetzeslage wirkt hinsichtlich eintragungspflichtiger Tatsachen gutgläubigen Dritten gegenüber nur, wenn Eintragung und Bekanntmachung erfolgt sind.
b) Tatbestandsvoraussetzungen
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aa) § 15 I HGB erfasst nur eintragungspflichtige Tatsachen, und zwar sowohl deklaratorische als auch konstitutive Tatsachen (oben Rn. 58).
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bb) Die Fälle 5a–5c betreffen Änderungen der bisherigen Rechtslage (sog. Sekundärtatsachen). § 15 I HGB findet indes auch Anwendung, wenn die Eintragung und Bekanntmachung einer sog. Primärtatsache unterlassen wird:
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Fall 5d:
Die K-GmbH kauft von V eine Maschine. Obgleich er ein Handelsgewerbe betreibt, hat V die Eintragung in das Handelsregister entgegen § 29 HGB unterlassen. Nach einiger Zeit stellen sich Mängel der Maschine heraus, die bei einer Untersuchung im Zeitpunkt der Ablieferung erkennbar gewesen wären. Aufgrund von § 15 I HGB kann V den von K geltend gemachten Gewährleistungsrechten den Einwand der unterlassenen Mängelrüge gem. § 377 HGB[15] jedoch nicht entgegen halten; die für V günstige Tatsache der Kaufmannseigenschaft und damit die Anwendung von § 377 HGB (weil beiderseitiger Handelskauf) kommt gegenüber K nicht zur Anwendung, es sei denn, K war die Kaufmannseigenschaft von V bekannt.[16]
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cc) Zweifelhaft ist, ob § 15 I HGB auch dann eingreift, wenn bereits die Tatsache nicht eingetragen und bekanntgemacht ist, die sich nunmehr geändert hat (sog. Fehlen der voreintragungspflichtigen Tatsache oder sekundäre Unrichtigkeit).
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Fall 5e:
Kann sich etwa der Geschäftspartner des Prokuristen im Fall 5a bei unterlassener Eintragung und Bekanntmachung des Widerrufs auch dann auf die Wirkungen der widerrufenen Prokura berufen, wenn bereits die Prokuraerteilung entgegen § 53 I 1 HGB nicht eingetragen und bekanntgemacht worden war?
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Ein Teil des Schrifttums plädiert in diesem Fall für eine teleologische Reduktion des § 15 I HGB[17]. Da das Handelsregister nach Eintritt der zweiten Tatsache wieder der wahren Rechtslage entspreche, werde bei fehlender Voreintragung durch das Unterlassen der zweiten Eintragung kein Rechtsschein erzeugt.[18] Demgegenüber ist die Eintragung der voreintragungspflichtigen Tatsache nach hM grundsätzlich keine Voraussetzung für die