Examens-Repetitorium Handels- und Gesellschaftsrecht. Walter Bayer
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Examens-Repetitorium Handels- und Gesellschaftsrecht - Walter Bayer страница 23
72
Fall 5f:[22]
Geschäftsführer G ist durch Gesellschafterbeschluss zum Geschäftsführer der X-GmbH bestellt worden, was aber nicht zur Eintragung im Handelsregister angemeldet worden war. Später ist G durch Gesellschafterbeschluss wieder abberufen worden. Diese Abberufung wurde zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet. Das Registergericht lehnt die Eintragung mit der Begründung ab, G sei nicht als Geschäftsführer eingetragen gewesen, so dass auch eine Eintragung seines Ausscheidens nicht in Betracht komme. Mit Recht?
73
Nach Maßgabe des § 39 I GmbHG ist jede Änderung der Personen der Geschäftsführer zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. Dazu gehört auch die nach § 46 Nr. 5 GmbHG von den Gesellschaftern zu beschließende Abberufung eines Geschäftsführers. Fraglich ist also, ob das Registergericht bei ordnungsgemäßer Anmeldung die Eintragung verweigern darf, weil schon die Bestellung des G nicht eingetragen war (Fehlen der voreintragungspflichtigen Tatsache). Dies ist nach zutreffender Auffassung gerade nicht der Fall. Die Gesellschaft hat im Hinblick auf die Publizitätswirkungen des § 15 I HGB ein erhebliches Interesse daran, das Ausscheiden des G eintragen zu lassen. Ihr droht nämlich auch dann eine Haftung nach § 15 I HGB, wenn die Bestellung des G nicht eingetragen war.[23] Der gutgläubige Dritte wird gem. § 15 I HGB auch vor den Folgen nicht eingetragener Tatsachen geschützt, wenn die gebotene Voreintragung unterblieben ist.[24] Damit muss es auch möglich sein, die Abberufung ohne Rücksicht auf die Voreintragung einzutragen.
74
dd) Die Tatsache darf nicht eingetragen und nicht bekanntgemacht sein. Allein die Eintragung im Handelsregister befreit daher noch nicht von den Wirkungen des § 15 I HGB.
75
ee) Dem Dritten darf die Tatsache, die zur Änderung der Rechtslage führt, nicht bekannt sein. Aus der Gesetzesformulierung („es sei denn“) folgt (wie etwa auch bei § 932 I 1 BGB), dass die Unkenntnis zugunsten des Dritten vermutet wird (Beweislastregel!); zur Widerlegung ist es daher erforderlich, dass der Anmeldepflichtige die Kenntnis des Dritten beweist.[25] Grob fahrlässige Unkenntnis schadet dem Dritten (insoweit anders als bei § 932 I 1, II BGB) nicht; dieser Grundsatz gilt auch bei anderen Tatbeständen des Registerschutzes, wie zB §§ 892, 1412 BGB; vgl. aber auch § 16 III 3 GmbHG.
76
Beispiel:
Deshalb darf auch der Geschäftspartner einer GmbH, der von der Abberufung des im Handelsregister eingetragenen Geschäftsführers und dessen gerichtlichen Vorgehen gegen die Abberufung weiß, solange nach § 15 I HGB auf die Vertretungsberechtigung vertrauen, bis ihm die Wirksamkeit der Abberufung positiv bekannt ist.[26]
77
ff) Entsprechend dem Normzweck (Schutz des Rechtsverkehrs) findet § 15 I HGB kraft teleologischer Reduktion keine Anwendung im sog. „Unrechtsverkehr“. Auch wenn es sich bei § 15 I HGB um einen abstrakten Vertrauenstatbestand handelt (Rn. 63), so findet die Vorschrift gleichwohl nur dann Anwendung, wenn der Dritte zumindest potenziell auf die Nichteintragung vertrauen durfte (Lehre von der potenziellen Kausalität).[27] Ist ein Vertrauen hingegen unter allen denkbaren Umständen ausgeschlossen, ist der Dritte a priori nicht schutzwürdig und kommt daher auch nicht in den Genuss des § 15 I HGB.[28]
78
Fall 6:[29]
Wird D vom Gesellschafter G der X-OHG überfahren, so haftet für diese Deliktsverbindlichkeit der ausgeschiedene Gesellschafter Y auch dann nicht, wenn sein Ausscheiden nicht eingetragen und bekanntgemacht wurde.[30] In diesem Fall fehlt es bereits an der Möglichkeit eines Zusammenhangs zwischen dem Schadenseintritt und der Unkenntnis des Dritten vom Ausscheiden des Gesellschafters.[31] Niemand lässt sich im Vertrauen auf die Haftung eines potenziellen Schuldners schädigen.
79
Diese Einschränkung bedeutet allerdings nicht, dass § 15 I HGB nur auf Rechtsgeschäfte Anwendung findet. Ausreichend ist es, wenn der geltend gemachte Anspruch mit einem Rechtsgeschäft im Zusammenhang steht, wie zB im Falle der culpa in contrahendo (§§ 280 I, 311 II, III, 241 II BGB), Leistungskondiktion, Geschäftsführung ohne Auftrag, aber auch bei Delikten, die im Rechtsverkehr begangen werden (etwa Betrug bei Vertragsschluss).[32] Die Vorschrift gilt schließlich auch im Prozessverkehr.[33] Keine Anwendung findet § 15 I HGB hingegen auf (gesetzliche) Steuerschulden des ausgeschiedenen Komplementärs.[34]
80
Der BGH verneint den Schutz des § 15 I HGB schließlich, wenn der Dritte sein Handeln nicht auf die (unzutreffende) Registereintragung einrichten konnte:[35]
81
Fall 7:
B beauftragte W mit Maurerarbeiten, bezahlte aber den Werklohn nicht. W trat die Werklohnforderung an G, die geschäftsführende Gesellschafterin der G-GmbH ab. Diese war von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit und trat die Forderung weiter an die G-GmbH ab, die gegen B Klage erhob. B beruft sich auf Verjährung (§ 214 BGB) und ist der Auffassung, die Verjährung sei durch die (noch rechtzeitige) Klageerhebung nicht gehemmt worden (vgl. § 204 I Nr. 1 BGB), weil nicht der Anspruchsinhaber die Klage erhoben habe. Denn die Abtretung an die G-GmbH sei ihm gegenüber gem. § 15 I HGB unwirksam, weil die Befreiung von § 181 BGB – entgegen der hM[36] – nicht in das Handelsregister eingetragen wurde.
82
Dieser Argumentation ist der BGH indes nicht gefolgt, weil nicht ersichtlich sei, dass sich die unrichtige Registereintragung auf das rechtsgeschäftliche Verhalten von B auswirken konnte. Allein das Vertrauen in eine mögliche Verjährung der Forderung werde durch § 15 I HGB nicht geschützt. Dem ist im Ergebnis zu folgen, und zwar mit Blick auf die Lehre von der potenziellen Kausalität (Rn. 77). Hier fehlt es wiederum an der Möglichkeit eines Zusammenhangs zwischen dem Vertrauen auf den Verjährungseintritt und der Unkenntnis des B von der Nichtgeltung des § 181 BGB im Verhältnis zwischen G und der G-GmbH.
83
gg) In Abweichung zur allgemeinen Rechtsscheinhaftung (dazu unten Rn. 816) verzichtet die zutreffende hM bei § 15 I HGB auf eine konkrete Kausalität zwischen