Examens-Repetitorium Handels- und Gesellschaftsrecht. Walter Bayer
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hh) Nach dem Wortlaut des § 15 I HGB kommt es für dessen Anwendung nicht darauf an, warum die Eintragung bzw. Bekanntmachung unterblieben ist; anders als bei § 15 III HGB (unten Rn. 110 ff.) entspricht dies auch unstreitig der gesetzgeberischen Wertung.[43] In diesem Sinne ist es auch nicht erforderlich, dass dem Anmeldepflichtigen die Unterlassung zugerechnet werden kann.[44] Auch Verzögerungen oder Fehler des Registergerichts[45] gehen zu seinen Lasten; ggf. bestehen Regressansprüche aus Amtspflichtverletzung gem. Art. 34 GG, § 839 BGB.[46] Da es auf die Zurechenbarkeit nicht ankommt, gilt § 15 I HGB schließlich auch zu Lasten von beschränkt Geschäftsfähigen und Geschäftsunfähigen.[47]
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Fall 8:[48]
Veräußert ein Minderjähriger ein ererbtes Handelsgeschäft einschließlich der Firma mit Zustimmung des Familiengerichts (vgl. § 1822 Nr. 3 BGB) und unterbleibt die Eintragung im Handelsregister (vgl. § 31 I HGB), dann resultiert daraus eine Haftung des Minderjährigen nach § 15 I iVm § 27 HGB für die Verbindlichkeiten des späteren Erwerbers.
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Hiermit wird keineswegs der bürgerlichrechtliche Minderjährigenschutz überspielt. Denn die Unwirksamkeitsfolge der §§ 106 ff. BGB beschränkt sich auf Willenserklärungen des Minderjährigen. Dabei muss es auch im Grundsatz bleiben. Allerdings steht hier die Wirksamkeit der vom Minderjährigen abgegebenen Willenserklärung nicht in Frage. Die Veräußerung war letztlich durch die familiengerichtliche Zustimmung legitimiert. Dementsprechend erscheint auch die Haftung des Minderjährigen als konsequente Folge der familiengerichtlichen Zustimmung.
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Nur für den Fall einer Fälschung des Handelsregisters durch eine unbefugte Privatperson oder bei einer von außen kommenden Beeinträchtigung der Verfahrensintegrität durch Täuschung, Drohung oder vis absoluta findet § 15 I HGB keine Anwendung. Denn nach der Lehre vom unwirksamen Rechtsscheinträger[49] entfällt die Legitimationswirkung des Handelsregisters in diesen Fällen ebenso wie die Rechtsscheinwirkungen von Grundbuch[50] und Erbschein[51].
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ii) § 15 I HGB schützt nur Dritte, die geeignet sind, den redlichen Rechtsverkehr zu repräsentieren, also etwa nicht die Gesellschafter einer OHG, auch nicht im Rahmen von Drittgeschäften.[52] Bei Gesellschaftern von Kapitalgesellschaften kann dies aufgrund des Trennungsprinzips anders sein.[53]
c) Rechtsfolgen
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aa) Die eintragungspflichtige Tatsache kann „von demjenigen, in dessen Angelegenheiten sie einzutragen war“, dem gutgläubigen Dritten „nicht entgegengesetzt werden“. Dies bedeutet: Der Anmeldepflichtige (Unternehmen, Einzelkaufmann, Gesellschafter) – einschließlich seiner Rechtsnachfolger – kann sich gegenüber dem redlichen Dritten nicht auf die Wirkung der eintragungspflichtigen Tatsache berufen, d.h. die Änderung der Rechtslage nicht geltend machen.
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bb) Der Dritte kann, muss aber nicht die Rechtsfolge des § 15 I HGB für sich nutzen. Er hat vielmehr ein Wahlrecht und kann sich daher auch unter Verzicht auf die Rechtsscheinwirkung für die der Wirklichkeit entsprechende geänderte Rechtslage entscheiden, wenn er dies für günstiger erachtet.[54]
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cc) Im Schrifttum teilweise auf heftige Kritik gestoßen ist indes die Auffassung des BGH, wonach im Falle, dass die nicht eingetragene Tatsache dem Dritten teils zum Vorteil und teils zum Nachteil gereicht, der Dritte sein Wahlrecht im Sinne einer Meistbegünstigung ausüben dürfe (sog. „Rosinentheorie“).
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Fall 9[55]
soll die Problematik verdeutlichen:[56] In der A+B-KG ist für die beiden Komplementäre A und B Gesamtvertretung vereinbart, was auch ordnungsgemäß eingetragen und bekanntgemacht wird. Nachdem A, ohne dass dies zum Handelsregister angemeldet wurde, aus der KG ausgeschieden ist, schließt B mit X einen Kaufvertrag. Kann X hierfür den A in Anspruch nehmen?
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Nimmt man an, dass X sich zwischen der Registerlage und der wahren Rechtslage entscheiden muss, dann wäre in beiden Alternativen ein Anspruch gegen A nicht begründet: Nach der Registerlage hätte B allein die KG nicht verpflichten können, so dass auch keine Gesellschaftsverbindlichkeit begründet worden wäre. Stützt sich X hingegen auf die wirkliche Rechtslage, dann ist zwar ein Anspruch gegen die KG entstanden, doch würde A als ausgeschiedener Gesellschafter für die nach seinem Ausscheiden neu begründete Verbindlichkeit nicht mehr haften.[57]
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Der BGH und ein Teil der Lehre gehen die Problematik indes anders an:[58] Zunächst wird – wie in der gutachterlichen Klausurlösung – untersucht, ob eine Verbindlichkeit der KG vorliegt; dies ist (nach der wirklichen Rechtslage) unzweifelhaft der Fall, weil nach dem Ausscheiden von A nunmehr der einzige Komplementär B allein zur Vertretung der KG berechtigt ist. Die (noch im Handelsregister eingetragene) Regelung zur Gesamtvertretung ist obsolet geworden und hindert B nicht daran, die KG allein zu vertreten. Da § 15 I HGB nur den Dritten, nicht aber den Anmeldepflichtigen schützen soll, kann sich A auf die fehlerhafte Registereintragung nicht berufen. Für diese KG-Verbindlichkeit haften sowohl A als auch B gem. §§ 128, 161 II HGB persönlich. A kann sich gem. § 15 I HGB gegenüber X nicht darauf berufen, dass er – nach seinem Ausscheiden – kein Gesellschafter mehr ist. Der Anspruch von X gegen A ist daher begründet.[59]
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Von der Gegenauffassung wird diese Lösung indes als „vordergründig und positivistisch“ zurückgewiesen und als „Rosinentheorie“ diskreditiert. § 15 I HGB wolle den Dritten nur vor Nachteilen aus der unterlassenen Eintragung und Bekanntmachung schützen, ihn aber nicht besser stellen, als er nach der Registerlage stehen würde.[60] Dieser Einwand ist jedoch verfehlt, weil er auf einer Missdeutung des § 15 I HGB beruht. Es ist dogmatisch unzutreffend, den Sachverhalt entweder unter Zugrundelegung der Registerlage oder unter Zugrundelegung der wahren Rechtslage komplett durchzuprüfen. § 15 I HGB darf vielmehr nur bei der tatbestandlichen Voraussetzung ins Spiel gebracht werden, wo das Unterlassen der Eintragung und Bekanntmachung einer eintragungspflichtigen Tatsache zuungunsten des Dritten von der wirklichen Rechtslage abweicht. Dies ist im Beispiel nur im Hinblick auf das Ausscheiden des A der Fall. Die übrige Falllösung richtet sich hingegen allein nach der wirklichen Rechtslage.[61]
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dd) Bestätigt wird dieses Ergebnis